Das leise gehauchte „Danke!“ und der Anflug eines Lächelns im Gesicht meines Vaters. Früher war er streng und despotisch, heute ist er 91 Jahre alt und pflegebedürftig. Ich habe ihn gerade ins Bett gebracht und liebevoll zugedeckt.
Hier eine Kritzelei, die bereits 1962 oder 1963 entstanden ist, vermutlich, als ich in der Vorabiturklasse, zweifellos hoch konzentriert, den Ausführungen unseres unvergessenen Sozialkundelehrers „Faust“ am Markgraf-Georg-Friedrich-Gymnasium in Kulmbach folgte. Ich habe das schlichte Cover der Schülerausgabe von bayerischer Verfassung und Grundgesetz veredelt und dabei ersterer offenkundig den repräsentativeren Auftritt verschafft.
Bei einer Wanderung im Nordschwarzwald: der weiße, gut sichtbare Wegweiser. Er zeigt in zwei Richtungen, gibt Orte und Entfernungen an. Jetzt bin ich genau acht Kilometer gelaufen, da schaffe ich auch noch die nächsten fünf bis zum Ziel!
Vor einigen Monaten ging leider meine Beziehung in die Brüche, doch habe ich den dreijährigen Sohn meiner Partnerin wie ein eigenes Kind lieben gelernt und besuche ihn daher ab und an. Jedes Mal habe ich Angst, dass er sich nicht mehr auf mich freuen könnte und ich ihm egal geworden bin. Doch schon an der Tür fällt er mir um den Hals, gibt mir einen Kuss auf die Wange und seufzt: „Ach Kai!“ Ganz leise seufze ich auch seinen Namen und lächele.
… aus traurigem Anlass unternimmt Sabine Kröner, 55: Im vergangenen Jahr ist ihr Mann in den Freitod gegangen, jetzt will sie durch neue Eindrücke Abstand gewinnen. Sie ist nach Buenos Aires geflogen und wird per Schiff durch die Südsee nach Australien, Indonesien, Malaysia, Myanmar, Indien und durch den Sueskanal bis nach Venedig fahren.
Nach einer Nacht im schaukelnden Bett legen wir in Port Stanley auf den Falklandinseln an. Das Wetter ist very British mit sechs Grad Celsius und Nieselregen. Zum Glück habe ich eine Offroad-Tour gebucht und keine Wanderung. Im Geländewagen fahren wir also über Stock und Stein und auch durchs Wasser zur Bluff Cove Farm. Ein eisiger Wind peitscht mir dort entgegen. Meine Stimmung ist gedrückt. November in Deutschland? Nein: Hochsommer im südlichen Atlantik! Ringsum nur Steine und Gras. Ein paar Falklandgänse und die Kolonie der Eselspinguine haben sich farblich den Wolken angepasst. Ich hake den Spaziergang recht schnell ab und suche Zuflucht in der warmen Stube von Hattie Kilmartin. Dem Wetter trotzend, hat sie hier das Sea Cabbage Café eingerichtet. Nur wenn man weiß, dass Hattie früher in der Mongolei und im nördlichen Russland gekocht hat, kann man verstehen, wie sie es hier aushält. Auf dem Farmgelände draußen grasen Schafe und Galloway-Rinder. Wir genießen den heißen Tee, scones, tea berry muffins und diddle dee jam, begleitet von Akkordeonmusik. Nebenan im Bluff Cove Museum lese ich später auf Schautafeln die Geschichte dieser Inseln nach. Kann mich ja an den Falklandkrieg 1982 erinnern. Aber ich verstehe auch jetzt noch nicht, warum man sich um dieses gottverlassene Land streiten kann. Die Gegend hier wurde darüber hinaus zum Grab für 200 Schiffe auf dem Weg zum Kap Hoorn. Rezepte für Pinguinfleisch und -eier machen mir auch nicht wirklich Appetit. Einen halben Seetag entfernt in Richtung Ushuaia scheint dann die Sonne wieder. Buenos dias, Argentina!
Wenn um halb neun mein Telefon klingelt. Am anderen Ende ist mein 13-jähriger Bruder und bittet mich, ihm wieder vorzulesen. Ich fange an, zwischendurch unterbricht er mich, um etwas zu erzählen oder um wichtige Fragen zu klären: „Kann ich meine eigene E-Mail-Adresse haben?“ Oder: „Schaffst du deine Doktorarbeit?“ Wir diskutieren das aus, und ich lese weiter. Mit der Zeit wird er leiser, bis ein ganz leises „Gute Nacht!“ erklingt, worauf ich Gute Nacht! Und träum was Schönes!“ erwidere und wir gleichzeitig den Hörer auflegen.
In der Schirn Kunsthalle Frankfurt ist gerade die Ausstellung Courbet. Ein Traum von der Moderne zu Ende gegangen. Eine der letzten Besucherinnen muss die Krähe gewesen sein, die ich vor ein paar Tagen am Mainufer in Frankfurt fotografiert habe. Ganz deutlich ist zu sehen, dass sie einen Ausstellungs-Flyer (oder eine Eintrittskarte?) im Schnabel hält mit Gustave Courbets Selbstbildnis am Abgrund, das um das Jahr 1848 entstanden ist.
Ein sechsjähriges Hundemädchen, das wir in traurigem Zustand aus dem Tierheim geholt haben und das jetzt entspannt und zufrieden im Hundekorb das neue Leben genießt. Meine Frau, unsere zwölfjährige Tochter und ich sitzen vor diesem emotionalen Lagerfeuer und genießen den Anblick. Und denken voll Dankbarkeit an unsere „alte“ Hündin, die uns vor wenigen Wochen verlassen hat.