Der Geruch von frischem Gomasio, einem traditionellen asiatischen Gewürz: Sesam und Meersalz in der Pfanne rösten und im Mörser zerreiben. Einfach himmlisch!
Jedes Mal, wenn Wildgänse in wunderbaren Formationen über meinen Garten flogen, ließ ich alles aus meinen Händen gleiten und schaute ihnen sehnsuchtsvoll nach. Welch eine Freiheit: Hoch oben zu fliegen und irgendwo hinter der deutsch-deutschen Grenze zu landen. Seit über 20 Jahren habe ich nun auch diese Freiheit. Heute verzaubern mich vorbeiziehende Vogelschwärme noch immer. Aber mit einem anderen Gefühl: einem von großem Glück.
Solche „Werke“ entstehen über einen längeren Zeitraum von bis zu drei Jahren auf meiner Schreibtischunterlage beim Telefonieren oder Nachdenken. Sie folgen keinem Plan und sind deshalb völlig zufällig. Ihre einzige Gemeinsamkeit ist die Farbgebung. Ich benutze einfach Stifte mit den Farben Blau, Rot, Grün und Schwarz sowie den Bleistift, die alle auf meinem Schreibtisch greifbar sind.
Sonnenblumen, ein Geschenk der Vögel, die die Samen vom Nachbargrundstück in unseren Garten trugen. Täglich erfreuen wir uns an den fünf prächtigen Pflanzen mit ihren zahlreichen Blüten. Inzwischen hat für die Vögel die Erntezeit begonnen. Welche Freude, ihnen dabei zuzusehen!
Beim Wühlen in alten Fotokisten fiel mir diese Eintrittskarte in die Hände. 1985 war ich mit meiner großen Schwester in Amerika gewesen. Sie zeigte mir die große, weite Welt, und staunend blickte ich die mächtige Glasfassade des World Trade Center empor. Eine Fahrt hinauf zur Aussichtsplattform war damals ein fester Programmpunkt jedes New-York-Besuchs. Nie werde ich die Aussicht von den Twin Towers vergessen, die nur 16 Jahre später in sich zusammenkrachen sollten, nie diese Urlaubswochen, nie die Zeit mit meiner großen Schwester, die vor ein paar Wochen starb. Wenn ich diese Eintrittskarte betrachte, wird mir klar, wie vergänglich doch alles noch so Große und Erstaunliche ist – und alles noch so Geliebte und Verehrte.
Wir haben Besuch von Verwandten aus der Normandie. Ich möchte ihnen etwas Schönes bieten, und wir zuckeln mit dem Panoramazug durch das romantische Lahntal von Bad Ems bis Limburg. Doch von Station zu Station schäme ich mich mehr: über den Zustand der Bahnhöfe in unserem Land, die ich als Autofahrerin seit vielen Jahren nicht mehr wahrgenommen habe. Einst waren es schmucke Gebäude, oft architektonische Kleinode. Es gab Blumenkästen vor den Fenstern, kleine Zäune, frisch gewaschene Gardinen. Vorbei! Auch die wuchtigen Bauwerke des 19. Jahrhunderts, oft nur gebaut, weil der Kaiser einmal zu Besuch kam: Alle sind sie verkommen, verdreckt, Fenster und Türen mit Brettern vernagelt, verhökert von der Bahn. Ein Bild des Elends. Hie und da tut hinter einer schiefen Jalousie und einem seit Jahren nicht mehr geputzten Fenster noch ein unsichtbarer Mensch seinen trostlosen Dienst. Ein handgeschriebener Zettel, mit vergilbten Klebestreifen hinter der Scheibe befestigt, macht darauf aufmerksam, dass es Fahrkarten woanders zu kaufen gibt. Wir sollten öfter das Auto stehen lassen, um zu bemerken, wie es in diesem Land inzwischen aussieht. Die Autobahnen blitzen vor neuem Blech– und entlang den
Bahnstrecken sieht es so schrecklich aus.
Das obere Bild zeigt mich im Jahr 1936 als Dreijährigen: sonntäglich gekleidet, an der Hand meines Großpapas, des Pfarrers Richard Lauxmann. Wir hatten ihn in Stuttgart besucht. Und genau 65 Jahre später, 2001, war ich, jetzt selber Opa, zu Besuch bei meiner Tochter, die mit ihren Kindern im Haus ihres Urgroßvaters wohnt.
Da hatten wir die Idee, das Bild von damals nachzustellen, diesmal mit meinem Enkel Balduin an meiner Hand. In der anderen Hand halte ich das Foto von damals. Und: Ich bin vom Herumtoben mit den Kindern ein wenig zerzaust, wie ich erst feststellte, als ich das neue Foto selbstkritisch betrachtete.
Der Spätsommer daheim: Das Mittelmeer kann wieder ein paar Monate warten, man spürt das Herbstlicht, ohne es schon zu sehen, und dennoch ist die Zeit, Rilkes Herbsttag aus dem Bücherregal zu nehmen, noch nicht gekommen.
Ich schaue aus dem Fenster und beobachte die Kolibris, wie sie, übergroßen Insekten gleich, selbst noch bei Nieselregen von Blüte zu Blüte schwirren. Tief in den Blütenkelchen lockt köstlicher Nektar, den sie mit ihrem Schnabel heraussaugen. Ein Anblick, der mich auch nach sechzehn Jahren noch mit Staunen und Freude erfüllt!