Lesezeichen
 

Unter denselben Sternen

Mit fünfzehn anderen jungen Menschen aus sieben verschiedenen Nationen nehme ich derzeit an einem dreiwöchigen internationalen Jugend-Workcamp teil. In der zweiten Woche kam ein neuer Teilnehmer zur Gruppe. Er brachte seine Gitarre mit. Seitdem ist nichts mehr wie vorher. Wenn wir abends zusammen singen, brechen alle Grenzen, und man merkt: Wir alle leben unter denselben Sternen.

Nina Sofie Wagner, Großweingarten

 

Kassen-Knigge

Ich bin achtzig. Vor einigen Tagen war ich im Aldi zum Einkaufen. Vor mir an der Kasse hatte sich eine lange Schlange gebildet, alle Einkaufswagen waren ziemlich voll. Meiner auch. Hinter mir bemerkte ich einen älteren Herrn, der nur ein Paar Pantoffeln und ein blaues Hemd bezahlen wollte. Ich forderte ihn auf, sich vor mir einzureihen, da er gewiss viel schneller fertig sei als ich. Er bedankte sich und winkte mir noch einmal zu, als er bezahlt hatte. Ich winkte zurück. Es winkt einem ja nicht alle Tage jemand zu. Als ich zur Kasse kam, sagte die Kassiererin: „Die beiden Rosensträußchen, die Sie dabeihaben, hat der Herr vor Ihnen gerade bezahlt.“ Den ganzen Tag war ich beschwingt und froh. Vielen Dank, lieber Unbekannter!

Agi Wegener, Mandelbachtal

 

Heine bringt die Welt in Ordnung

Meine Zeitungszustellerin hat Urlaub. Ihre Vertretung hat mich – wie sich herausstellte – nicht auf ihrer Liste. Was soll ich mit einem Donnerstag ohne ZEIT anfangen? Und erst mit dem Wochenende, für das ich mir meist das Zeitmagazin und den Feuilletonteil aufhebe? Zum Glück hatte ich mir gerade das Buch Mein Heine von Marcel Reich-Ranicki gekauft. Da war meine (kleine) Welt wieder in Ordnung. Und der Urlaub meiner Zeitungszustellerin bald zu Ende.

Brigitte Reul, Freital
„Mein Heine“ ist bei Hoffmann und Campe erschienen

 

Kritzelei: Schizophrenie

Diese Kritzelei stammt von Dora Baumann, einer Studierenden an unserer Berufsfachschule für Arbeitserziehung. Sie entstand während des Unterrichts im Fach Psychiatrie und Neurologie, als es gerade um Schizophrenie ging. Ich bin Dozent an der Schule, und als ich dieses Beispiel für Alltagskunst entdeckte, habe ich Frau Baumann auf „Die ZEIT der Leser“ angesprochen. Sie hat gerne eingewilligt, die Zeichnung für Ihre Seite zur Verfügung zu stellen

Willi Rutenfranz, Waiblingen

 

Fado auf dem Pflaster

Fadoklänge an einer Großbaustelle:Ein portugiesischer Bauarbeiter singt voller Inbrunst, während er Pflastersteine verlegt.

Christiane Abele, Freiburg im Breisgau

 

Lebenszeit geraubt!

Haben Sie das auch schon erlebt? Da haben Sie eine Dreiviertelstunde oder länger gewartet und sind endlich dran – beim Arzt, bei der Steuerberaterin. Oder Sie sitzen gerade in einem netten Gespräch bei Ihrer Nachbarin. Und dann klingelt das Telefon. Die Person, die gerade mit Ihnen geredet hat, greift zum Hörer. Und Sie scheinen plötzlich nicht mehr zu existieren. Der Arzt beginnt ein Beratungsgespräch, und es handelt sich um keinen dringenden Fall, wie Sie unschwer erkennen. Nach fünf Minuten: ein ganz ähnlicher Vorgang. Oder: Die Steuerberaterin vertieft sich mit ihrem neuen Gesprächspartner in ein schwieriges Problem, bei dem sie auch noch eifrig den Computer zurate zieht. Oder: Ihre Nachbarin hat sich ins Nebenzimmer zurückgezogen und ist völlig absorbiert von den Neuigkeiten, die sie am Telefon erfährt. Bin denn ich, die ich hier leibhaftig sitze, plötzlich nichts mehr wert im Vergleich zu der Person, die sich per Technik dazwischengedrängt hat? Darf man denn nicht erwarten, dass der oder die Angerufene sich des guten alten Grundsatzes erinnert „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“? Warum wird die Anruferin oder der Anrufer nicht höflich, aber bestimmt in die richtige Reihenfolge eingewiesen? Möglichkeiten dazu gibt es zur Genüge: Anrufbeantworter, Umschaltung ins Vorzimmer, eine Bitte um Rückruf. Auch die Bitte um Entschuldigung hört man selten. Und selbst wenn sie denn käme: Man hat mir wertvolle Lebenszeit geraubt!

Margot Vogelmann, Villa de Mazo, La Palma

 

Wunderbare Bücher

Mit vier weiteren literatur- und lesebegeisterten Leuten haben wir einen privaten Leseclub gegründet. Nun treffen wir uns alle sechs bis acht Wochen in der Wunderbar (einer wirklich wunderbaren Bar) und sprechen über Bücher, die wir gelesen haben und empfehlen können – oder auch nicht.

Dörte Sternberg, Güstrow

 

Hundstage

Zeh auf dem Balkon
Finger auf der Landkarte
Ich reise stressfrei

Erika Scheer, Kelheim

 

Zeitsprung: Nürnberger Ludwigsbahnhof

1898

Zwischen den beiden Fotos, die den Ludwigsbahnhof in Fürth zeigen, liegen mehr als 100 Jahre. Das Archivfoto bildet das tatsächlich von 1866 bis 1938 auf einem der zentralen Plätze der Stadt befindliche Gebäude ab, auf dem aktuellen Foto sieht man eine detailgetreue Rekonstruktion des Ludwigsbahnhofs im August 2010 – allerdings nicht aus Sandstein und Holz, sondern aus Gerüststangen und 1600 Quadratmetern Plane.

2010

Die Fürther feiern derzeit rund um dieses imposante Bauwerk das Jubiläum „175 Jahre deutsche Eisenbahn“. Der legendäre „Adler“ dampfte nämlich am 7. Dezember 1835 erstmals von Nürnberg in die Nachbarstadt Fürth – unter großer Beteiligung der Bevölkerung. Der Ludwigsbahnhof war das zweite Bahnhofsgebäude in der Geschichte der Stadt. Er wurde 1938 von den Nationalsozialisten abgerissen. Schön, dass es mit der heutigen Technik möglich ist, Geschichte auf diese Art – zumindest zeitweise – greifbar zu machen.

Sabine Kramer-David, Fürth