Lesezeichen
 

Mein Wort der Woche

„Die Absicht ist die Frau vom Aus-Versehen.“

Ein Mädchen, vielleicht 4 Jahre alt, zu seinem Vater im Bus von Berlin nach Hamburg. Eingesandt von Nadja Bauer, Hamburg

 

In der Seele ein Cowboy

Ich war mit einer Freundin Rad fahren, am ersten warmen Tag. An einer Kreuzung hatten wir gehalten, um ein Foto zu machen. Da kam ein altes Männlein auf einem Elektro-Rollstuhl den Weg entlang. Schief saß es auf seinem ruckelnden Gefährt. Wir waren eigentlich völlig unverdächtig: zwei Frauen, mit Mountainbikes, Jeans, bestimmt gesunder Gesichtsfarbe. Wir standen einfach da, als der Mann seinen Rollstuhl neben uns stoppte. Er sah mit besorgter Miene an und fragte: „Kann ich Ihnen helfen?“ „Nein, danke“, sagten wir verlegen, und er zuckelte weiter. Unter seinem Sitz lagen zwei Aststücke, wohl für seinen Ofen zu Hause. Er war alt, aber in der Seele ein Cowboy.
Ein Gentleman.

Michaela Moritz, Lauf a. d. Pegnitz

 

Zeitsprung: Wiedergeburt des Baumes

1985

Blitzschlag oder Sturm hatten diese uralte Schwarzerle auf einer Viehweide in Holstein vor Jahren zerstört. Zurück blieb ein halb geteilter Baum mit wenigen Zweigen an den Spitzen und einer offenen Wunde im Stamm. Dieser war unten gut eineinhalb Meter breit und drei bis vier Meter hoch, ungeschützt durch jede Rinde.

1989

Durch Weidevieh und Witterung wurde er immer weiter reduziert, aber es bildete sich wieder Rinde; die wenigen Zweige formten sich von selbst zu einer schönen, neuen Krone. Im Lauf der Jahre wurde aus dem Baum-Torso wieder ein lebensfähiger, gut proportionierter Baum. Schon erstaunlich, wie die Natur sich regenerieren und erneuern kann!

Hans Walter Scheel, Itzehoe

 

Ausbruch

Asche am Himmel
Begraben liegt die Hektik
über den Wolken

Hannes Munzinger, Heidelberg

 

Liebe Amy Winehouse,

© Neil Mockford/Getty Images

mit Deinen Balladen rü̈hrst Du mich zu Tränen. Du singst den Soul wie keine Zweite, und ich bekomme jedes Mal eine Gänsehaut! Aber was die Drogen mit Dir machen, das erschüttert mich zutiefst. Amy, komm zurück! Janis Joplin ist auch schon tot. Tu mir das nicht an.

Christof Blumentrath, Düsseldorf

 

Das regt mich auf: „Hallo!“

Als Doppelbürgerin, nämlich als Deutsche (gebürtig) und Schweizerin (angeheiratet), fällt es mir immer wieder auf, und es macht mich inzwischen geradezu wütend: Von allen Seiten höre ich in Deutschland das fürchterliche, nichtssagende Wort „Hallo“.

Es gibt keine freundlichen Begrüßungen mehr, jeder sagt nur „Hallo!“. Unlängst erhielt ich sogar zum Geburtstag Briefe und Karten, die mit den Worten „Hallo Ingrid“ begannen. Von überall her schallt mir dieses unsägliche „Hallo“ entgegen!

Dieses Wort ist für mich nicht nur das (Un-)Wort der Woche, sondern offenbar das wichtigste Wort meiner deutschen Mitmenschen.

Ingrid Gutzwiller, Arlesheim bei Basel

Geht es Ihnen genauso? Diskutieren Sie mit!

 

Wiedergefunden: Titelmusik

Als ich noch ein Kind war, schauten meine Eltern häufig Die Sprechstunde mit Antje Kühnemann im Fernsehen an. Und ich war schon damals fasziniert von der Titelmelodie der Sendung. Aber ich wusste nie, um welches Stück es sich handelt oder gar, wer sie interpretiert. In den letzten Jahren dachte ich immer wieder mal an diese Melodie, bis ich auf die Idee kam, beim Bayerischen Rundfunk nachzufragen. Und tatsächlich schrieb man mir, es handle sich um die Pop-Fassung des Präludiums in C-Dur von Johann Sebastian Bach, interpretiert durch Raymond Lefèvre. Über das Internet fand ich einen Händler, bei dem ich die Platte antiquarisch kaufen konnte; es scheint keine CD-Version zu geben! Auch das Original-Präludium von Bach habe ich mir inzwischen gekauft, und beide Versionen haben mir ­ je nach Stimmung ­ schon viele Glücksmomente beschert. Die Sprechstunde nämlich hat mit ihrer Titelmelodie damals den Grundstein für meine Liebe zu klassischer Musik gelegt!

Katharina Zöller, Weilheim in Oberbayern

 

Natur?

Kreislauf der Natur
Die Henne frisst die Würmer
Der Mensch die Hühner

Marten Altenkamp

 

Lachend durch die Aschewolke

Er hat viel zu tun, die Fahrgäste nehmen den Trubel gelassen. © Andreas Rentz/Getty Images

Zugreise von Genf nach Berlin, in den Zeiten der Aschewolke. Da meine grüne Tochter mich gut erzogen hat, wollte ich von vornherein mit der Bahn fahren. Und ich bekam den Lohn der Tugend. Ausgeschlafen auf meinem guten Gewissen machte ich mich auf den Weg, und bis Basel war die Welt auch noch in Ordnung. Ja, und dann stürmten die Massen den Zug, all die bösen Flieger, die nun Bahn fahren mussten: Geschäftsleute auf Heimaturlaub, Leute, die ihr Kreuzfahrtschiff erreichen wollten.

Nur in Indien hatte ich Ähnliches gesehen. Nur, dass sich hier niemand außen dran hing, was beim ICE ja auch schlecht geht. Binnen Sekunden war jeder Sitzplatz besetzt, 1. Klasse hin oder her. In den Gängen standen die
Menschen nicht, nein: Wildfremde Leute saßen einer auf dem Schoß des anderen. Dann brach wegen Überbeanspruchung die Funktion aller Toiletten im nächsten Waggon zusammen. Passagiere kämpften sich mit zusammengekniffenen Beinen durch den Tumult zu den letzten funktionierenden Klos.

Und dann passierte etwas sehr Schönes: Die Mehrheit der Passagiere beschloss, das alles erstens als Party zu nehmen und zweitens einander zu helfen. Da wurde ein in der Zugtür eingeklemmter Teddy gerettet, ein weinendes Kind über alle Schultern hinweg seiner Mutter zugeführt, eine alte Dame zur Toilette geleitet. Es brach eine wunderbare Anarchie aus, einer überbot den anderen mit absurden Geschichten. Wann fuhr jemals ein lachender ICE durch die deutschen Lande?

Ingrid Lewis, Berlin