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Was mein Leben reicher macht

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Ein trüber Wintertag. Gestresst von der Arbeit und vom Kinderabholen, will ich noch schnell ein paar Pfannkuchen braten. Da lächelt mir auf einmal dieses freundliche Gesicht entgegen, als ob es zu mir sagen wollte: »Nimm’s nicht so schwer! Das Leben kann so wunderbar sein!« Die Wirkung hielt noch ein paar Tage an.

Wiebke Dierks, Kiel

 

Die Kritzelei der Woche

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Diese Kritzelei entstand, als eines Samstagabends (nicht zum ersten Mal in einem Zeitraum von sechs Monaten) meine Internet- und Telefonverbindung komplett zu funktionieren aufhörte und ich daraufhin den Kundenservice der Deutschen Telekom anrief. Und dann seeeehr lange in einer Warteschleife hing, um schließlich in die nächste Warteschleife weiterverbunden zu werden, bis ich endlich bei einer ausgesprochen höflichen Dame landete, die mich bat, an einem Werktag wieder anzurufen, da sie nicht kompetent sei, mein Problem zu lösen.

Eva Schielke, Berlin

 

Was mein Leben reicher macht

Im Interregio-Express von Schaffhausen nach Basel. Der Zugbegleiter begrüßt uns »…mit meiner zärtlich-melancholischen Stimme«. Und verabschiedet uns später mit den Worten: »Zu meiner großen Begeisterung und sicher auch zu Ihrer Freude erreichen wir den Bahnhof Basel Badischer Bahnhof mal wieder ganz pünktlich. Vergessen Sie das Lächeln nicht, und lassen Sie sich von niemandem ärgern! Und wenn Sie noch einen Motivationsschub brauchen: Noch ein Mal schlafen, dann ist Wochenende!« Alle lächeln, viele klatschen.

Heike Hengstenberg, Halle (Westfalen)

 

Finn Guck-in-die-App

(nach Heinrich Hoffmann: Die Geschichte vom Hanns Guck-in-die-Luft)

Wenn der F i n n zur Schule ging,
Stets sein Blick am Smartphone hing.
Und nach Menschen, Autos, Ampel
Schaut er nicht, der kleine Trampel.
Vor die eignen Füße dicht,
Nein, da sah der Bursche nicht.
Auch nicht, wenn ein jeder rief:
»Finn, das geht noch einmal schief!«

Kam ein Hund dahergerannt;
Finn, der schaute unverwandt
Starren Blickes auf die App.
Jemand rief: »Pass auf, du Depp!
Finn, gib acht, der Hund ist nah!«
Doch er hört nichts. Was geschah?
Rumms und krach! Da lagen zwei!
Finn und Smartphone nebenbei.

Dann ging er am Wegesrand
Mit dem Tablet in der Hand.
Lud ein neues Foto hoch,
Schaut ganz schnell ein Video noch.
Also dass er kerzengrad
Immer mehr zum Fluss hin trat.
Und die Fische in der Reih’
War’n erstaunt sehr, alle drei.

Noch ein Schritt! Und plumps!
Der Finn Stürzte in die Brühe rin! –
Die drei Fischlein, sehr erschreckt,
haben sich zuerst versteckt.

Und zum Glück da kamen zwei
Männer aus der Näh’ herbei.
Und die haben Finn mit Stangen
Aus dem Wasser aufgefangen.

Seht! Nun stand er triefend nass!
Au! Das war ein schlechter Spaß!
Wasser lief dem armen Wicht
Aus den Haaren ins Gesicht,
Aus den Kleidern, von den Armen;
Und es fror ihn zum Erbarmen.

Doch die Fischlein alle drei,
Schwammen hurtig gleich herbei.
Streckten’s Tablet aus der Flut,
Lachten voller Übermut.
Filmten frech den armen Finn,
Schickten es zu YouTube hin,
Traten’s noch per Twitter breit;
Im ganzen Fluss herrscht’ Heiterkeit.

Wolfgang Britz, Düren

 

Was mein Leben reicher macht

Mein Mann hüpft zwei Stunden eher als ich aus den Federn. Und in der kalten Jahreszeit friere ich natürlich, wenn das Bett plötzlich leer ist. Deshalb legt er mir eine Wärmflasche als »Micha-Ersatz« ins Bett.

Susanne Kistler, Ulm

 

Das Glasauge

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Im Jahr 1944 ging mein geliebter Teddybär mit mir auf die Flucht von Königsberg gen Westen. Obwohl ein Jahr jünger als ich – nämlich fünf – war er bereits ein wenig ramponiert: Ein Auge war beim Spiel verloren gegangen und blieb unauffindbar. So wurde Ersatz gestickt.
Mehr als 50 Jahre später war es mir möglich, nach Königsberg, nunmehr Kaliningrad, zurückzukehren. Unsere ehemalige Wohnung in der früheren Zeppelinstraße wurde gerade umgebaut, mancherlei Fundstücke aus »unserer Zeit« hatte jemand in einer Bonbondose gesammelt, und ich durfte in den Schätzen kramen: ein Knopf vom Sommerkleid, ein Spielsoldat, eine Wäscheklammer, ein Zopfhalter. Und dann schaute mir plötzlich das Glasauge entgegen, das verlorene. Es hatte seine Farbe – bis auf die Pupille – fast vollständig verloren, die Halterung war total verrostet. Ich habe es voller Freude mit nach Hause genommen und vorsichtig an dem Bauch- verband befestigt, den mein Teddy inzwischen braucht.

Ute Gerull, Reppenstedt, Niedersachsen

 

Was mein Leben reicher macht

Es ist schon dunkel, und ich liege im Bett. Mein Mann kommt ins Schlafzimmer. Das Licht schaltet er jedoch nicht ein. Dafür funzelt er mit seiner neuen Taschenlampe im Dunkeln herum. Dann fragt er: »Was bin ich?« Ich: »Ein Armleuchter?« Er, schwer beleidigt: »Ein Glühwürmchen!«

Trude Berg, Heidesee, Brandenburg