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Was mein Leben reicher macht

Sandra Schadek, die mir mit ihrem Buch Ich bin eine Insel: Gefangen im eigenen Körper geholfen hat, die Diagnose ALS zu akzeptieren. Sie stieg vor 13 Jahren in einen Regionalzug, ich erwischte gleich den ICE.

Heino Aron Veldhoen, Strenglin, Schleswig-Holstein

 

Der Grantler

(nach Rainer Maria Rilke: Der Panther)

Sein Stimm’ ist vor Verzweiflung, Wut und Häme
so bös geworden, dass sie nicht gefällt.
Ihm ist, als ob es nur Probleme gäbe
und außer den Problemen keine Welt.

Sein enger Geist, beleidigt, stark beschnitten,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
zeigt Stagnation nur und Tristesse mitten
in der Welt, die bunt und lebhaft ihn umweht.

Nur manchmal bringt des Lebens laute Weise
ihm den Moment –, dann holt das Glück ihn ein,
verweilet einen Augenblick, ganz leise –
und hört doch augenblicklich auf zu sein.

Stephan Pickartz, Köln

 

Schlorre: Mein Wort-Schatz

Wenn in meiner Kindheit mal eine Schlorre hinter mir herflog, dann hatte ich meine Mutter wohl etwas geärgert. Es handelte sich dabei um einen Hausschuh, und diesen Begriff hatte sie aus ihrer Danziger Heimat mitgebracht.

Werner Müller, Berlin

 

Was mein Leben reicher macht

Frühmorgens aufwachen, liegen bleiben, nach dem Radioschalter tasten: NDR Kultur, Klassisch in den Tag. Dunkelheit, Augen schließen, ganz Ohr! Gute Musik, dazu die Stimme von Philipp Schmid, konzentrierter Hörgenuss, fast so schön wie im Konzertsaal. Nach einer Stunde ist Schluss, und ich starte froh gestimmt in den jungen Tag.

Ingrid Schöne, Wedel

 

Was mein Leben reicher macht

Enkeltochter, 11 Jahre, sich versonnen im Spiegel betrachtend: »Ich bin froh, dass ich so bin, wie ich bin.« Großmutter, 72 Jahre: »Du kannst auch froh sein, dass du so bist, wie du bist. Ich bin auch froh, dass du so bist, wie du bist. Ich bin auch froh, dass ich so bin, wie ich bin.« Enkelin: »Ich wäre froh, wenn ich so wäre wie du, wenn ich Oma bin.«

Hanne Nowak, Bochum

 

Triumphgemüse: Mein Wort-Schatz

Mein Beruf bringt es mit sich, dass ich am Ende eines Konzerts oft Blumengeschenke entgegennehmen darf. Dass auch ich als Mann so ein Triumphgemüse erhalte, ist heutzutage fast schon die Regel. Falls traditionsbewusste Veranstalter dennoch einen feinen Unterschied machen wollen, erhalten wir Sänger im Gegensatz zu unseren Kolleginnen eben »flüssige Blumen«. Wobei ich einen edlen Wachauer Smaragd-Riesling niemals als »Triumphgemüsesaft« bezeichnen würde!

Daniel Johannsen, Wien

 

Zeitsprung: Abgeschlagen

Im Jahr 1980 besuchten wir Hongkong, damals noch britische Kronkolonie. Vom höchsten Berg der Insel, dem Peak, hatten wir einen fantastischen Blick über die Insel Hongkong (im Vordergrund) und die Halbinsel Kowloon. Alles voller hoher Wolkenkratzer, die uns sehr beeindruckten. 2014 waren wir wieder da und sind natürlich auf dem Peak gewesen. Man konnte fast nichts wiedererkennen, die Häuser sind mittlerweile alle viel höher. Besonders gut sieht man das an dem Gebäude, welches 1980 das höchste war. Das Jardine-Haus ist knapp 180 Meter hoch. Schaut man genau auf das jüngere Bild, so ist dieses Haus im Zentrum des Bildes immer noch zu sehen, allerdings wirkt es wie ein Zwerg neben seinen Nachbarn, die teilweise mehr als doppelt so hoch sind. 1980 das höchste Gebäude, jetzt reicht es nur noch für Platz 150!

Klaus Liphard, Essen

 

Was mein Leben reicher macht

Den Geschichten meines Mannes zu lauschen, während er unsere Tochter wickelt. Und zu denken, dass ich diesen Menschen auch als Vater verdammt sexy finde.

Anna Frach, Hamburg

 

Stille Werden: Mein Wort-Schatz

Viel schöner als ein »Denk-Moratorium«, von dem heute gerne die Rede ist, empfinde ich die alte Formulierung aus meiner norddeutschen Heimat, perfekt natürlich nur mit dem Hannoverschen spitzen »St«: »Darüber muss ich noch mal stille werden«.

Annelen Ottermann, Mainz