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Schlafover: Mein Wort-Schatz

In unserer Familie ziehen wir uns für die Nacht den Schlafover an. Abgeleitet vom Pullover (das »over« auch so ausgesprochen), beschreibt dieses Wort das in der Regel kuschelige und zum nächtlichen Wohlfühlen geeignete Kleidungsstück um einiges besser, als es der »Schlafanzug« könnte.

Falk Hübner, Potsdam

 

Springerle

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Springerle zu backen gehörte zu den schönsten Dingen, die ich mit meiner Oma erlebt habe. Jedes Jahr holte sie voller Andacht die alten Model hervor, zeigte mir begeistert die Schnitzereien und zelebrierte sorgsam das kunstvolle Formen der Plätzchen, die in keinem bunten Teller fehlen durften. Am liebsten war ihr die »Spinnerin« mit der Spindel und dem dünnen Faden. Nach Omas Tod gingen die kostbaren Formen auf mich über. Sie sind unverwüstlich, und hin und wieder erfreue ich die Familie mit dem erinnerungsträchtigen Gebäck. Je älter ich werde, desto sentimentaler werde ich beim Backen und umso dankbarer für die wunderbaren Stunden an Omas Küchentisch.

Christiane Boltz, Wathlingen, Niedersachsen

 

Was mein Leben reicher macht

Komme beim Spaziergang über die nahe gelegene Autobahnbrücke. Als Kind stand ich hier sehr oft und habe den Autofahrern zugewinkt. Jetzt, 62-jährig, stehe ich wieder mal an dieser Stelle und denke an meine Kindheit zurück. Auf einmal winkt mir ein Autofahrer von unten zu.

Gisela Bauer, Flörsheim

 

Darauf besinnen: Mein Wort-Schatz

»Wie schön, dass du dich darauf besinnen kannst«, sagten meine Großeltern, wenn ich von frühen Kindheitserlebnissen berichtete. Wie viel aussagekräftiger ist dieses Verb, das tatsächlich alle Sinne mobilisiert! Der Duft frisch gekochter Himbeermarmelade, der durchdringende Ton der Sirenen, das unvergleichliche Gefühl, ein frisch geschlüpftes Küken berühren zu dürfen, und der Geschmack eines Stücks Zuckerrübe direkt vom Blech werden so aus langem Schlummer erweckt. Dagegen wirkt »erinnern« blass, fast steril.

Margrit von Sarnowski, Markdorf

 

Täglich

Als ich vor Jahren begann, mit einem Lauf durch die Umgebung in den Tag zu starten, verliebte ich mich in diesen Baum. Unzählige Male habe ich die Manna-Esche fotografiert. Alle Jahreszeiten sind mir vertraut. Jeder Monat bringt etwas Neues, selbst täglich verändert der Baum sich.

Waltrudis Silomon-Pflug, Bensheim

 

Was mein Leben reicher macht

Meine Mutter, 88 Jahre alt und durch ihre Parkinsonerkrankung sehr beeinträchtigt, hat meinem veganen Sohn einen veganen Stollen gebacken, obwohl sie seine Lebensentscheidung nicht recht verstehen kann. Aber: »Der Junge muss ja auch was essen an Weihnachten.«

Renate Casey, Schöneck, Hessen

 

Gewerbchen, Rumbosseln: Mein Wort-Schatz

Es gibt Momente, da gehen Männer ihrer Ehefrau lieber aus dem Weg, etwa wenn sie noch nicht fertig ist zum Ausgehen. Mein Schwiegervater, aus Sachsen stammend, machte sich dann gerne ein Gewerbchen: Er tat irgendwas Unwichtiges, um die Wartezeit nicht ganz nutzlos abzusitzen. Mein schwäbi- scher Vater besann sich in gleicher Lage aufs Rumbosseln. Auch das bestand im Rumhantieren mit Kleinigkeiten, konnte aber, mit unbestimmtem Ziel, auch beliebig ausgedehnt werden, um mal eine Weile ganz für sich zu sein.

Birgit Dietrich, Sindelfingen

 

Was mein Leben reicher macht

Auf dem Weihnachtsmarkt erhalte ich per Telefon die Zusage zu meinem ersten (Traum-)Job. Meine Freunde jubeln so laut, dass sich die umstehenden Personen irritiert zu uns umdrehen. Schade, dass ich diese Freunde nun bald hier zurücklassen muss – aber mit vielen wunderbaren Erinnerungen im Gepäck.

Katharina Weber, Göttingen

 

Hinter ihm Himmel und Meer

Die Schwester unserer spanischen Freundin Blanca hat ein Gedicht über ihren Nachbarn in Südspanien verfasst. Es zeichnet ein wunderbar eingängiges Bild von einem Mann, der demenzkrank ist. Ich riet Blanca, sie solle sich zusammen mit Carmen, ihrer Schwester, an eine deutsche Ü bersetzung machen. Das haben die beiden nun getan und über zwei Monate daran herumgedrechselt. Hier sind beide Varianten:

El verano que observé

Un día sintió la necesidad
de sentarse al revés
detrás quedaban mar y cielo
delante, la mirada fija
en las losas verdes del salón

dentro no ocurría nada
sin embargo él habia decidido
sin más, dar la espalda al horizonte.

El verano que observé que José María no era el mismo

Der Sommer, als ich sah

Eines Tages verspürte er den Drang,
sich andersherum zu setzen.
Hinter ihm Himmel und Meer,
vor ihm, fest im Blick,
die grünen Fliesen des Salons.

Drinnen geschah nichts,
und dennoch hatte er entschieden,
dem Horizont den Rücken zu kehren.

Der Sommer, als ich sah, dass José María nicht mehr er war.

Carmen de Castillo-Elejabeytia

Wolfgang von Renteln-Kruse, Hamburg