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Was mein Leben reicher macht

Peter, der den Rat meiner Ä rzte ignoriert und mir den schönsten, größten und schokoladigsten Adventskalender schenkt, den er finden konnte.

Isabelle Spegel, Böblingen

 

Behaust

Mein Freund, der Baum

Normalerweise erhellt der Anblick von toten Bäumen nicht unbedingt meine Stimmung. Stumm und kahl geben sie Zeugnis ihrer einstigen Pracht. Dieser Baum hingegen zauberte während unseres Urlaubs auf Bornholm allen Familienmitgliedern ein Lächeln auf die Lippen. Und irgendwie fällt es einem fast schwer, ihn als tot zu bezeichnen. Mehr Angebot für Leben geht nun wirklich nicht.

Leonhard Peters, Itzehoe

 

Was mein Leben reicher macht

Die bunten Blätter des wilden Weins an unserem Haus fallen in Mengen. Und beim Fegen unter dem Küchenfenster fand ich meine seit Juni vermisste Geldbörse – leicht schimmelig, aber gefüllt! (Da ich meine Einkäufe immer direkt aus dem Fahrradkorb auf die Fensterbank packe, muss die Börse hinter den Weinstock gefallen sein.)

Gudrun Keller, Höchst im Odenwald

 

Fatal

(nach Ludwig Tieck, »Herbstlied«)

Hirnwärts schlug es bei mir ein,
Es zuckten Finger, Arm und Bein.
Mir sang’s in unheimlichem Ton:
Ade, du fliegest nun davon
Weit! Weit!
Reist du noch heut.

Ich horchte bang in mich hinein:
Sollt’ das die letzte Botschaft sein?
Mit grauem Schmerz, mit trüber Lust
Stieg wechselnd bald und sank die Brust,
Herz! Herz!
Brichst du in dumpfem Schmerz?

Auf einmal Ärzte um mich rum,
Da wusst ich: Ach! das Klinikum.
Neurologen, Radiologen,
Kommen um das Eck gebogen,
Und eh’ ich kann’s verwehren,
Steck ich in den Röhren.

Von rückwärts kam ein Assistent
Ziemlich locker angerennt.
Er sah mein tränend Angesicht
Und sagte: Mann, verzweifle nicht
Nein! Nein!
Es ist banal –
nur ein leichter Schlaganfall!

Lothar Rehfeldt, Lübeck

 

Illern: Mein Wort-Schatz

Wenn der Weihnachtstag endlich nahe rückte, trauten wir Kinder uns manchmal, ganz heimlich durch das Schlüsselloch der Feststube zu illern – um da drinnen vielleicht irgendein glitzerndes Geheimnis zu entdecken. Illern, das war der eigentlich verbotene, heimliche Blick, der konnte sich auch bei der Klassenarbeit in der Schule auf das Heft des Banknachbarn richten.

Joachim Krause, Schönberg, Sachsen

 

Was mein Leben reicher macht

Beim missmutigsten aller Berliner Verkäufer immer wieder die prächtigsten Blumensträuße der Stadt kaufen und innerlich grinsen, wenn die Miene des Mannes wieder den perfekten Kontrast zu seinen schönen Blumen bildet.

Jenny Sturm, Berlin

 

Zeitsprung: Kindergesicht

Um das Jahr 1620 herum hat Peter Paul Rubens seinen Sohn gezeichnet, im Jahr 2010 fotografierte ich meine Enkelin. Fast vierhundert Jahre liegen dazwischen. Nun könnte man darüber philosophieren, dass sich Kindergesichter über die Jahrhunderte hinweg kaum veränderten, oder darüber, wie meisterlich Rubens das typisch Kindliche in den Konturen seines Sohnes herausarbeitete. Und trotzdem, trotzdem bleibt die Ähnlichkeit frappierend.

Regina Hilsberg, Hann. Münden, Niedersachsen

 

Was mein Leben reicher macht

Ich eile durch Bonn, als mich ein Rollstuhlfahrer anspricht. Er müsse dringend auf die Behindertentoilette und bräuchte dabei Unterstützung. Dort angekommen, will ich mich verabschieden. »Nein, Sie müssen mit reinkommen. Allein geht es nicht.« Ich atme tief durch. »Sie müssen mir auch die Hosen runterziehen.« So setze ich ihn also auf den Thron. »Aber abwischen müssen Sie alleine«, sage ich. »Ja, das kann ich.« Als ich ihn danach noch zur U-Bahn fahre, höre ihn sagen: »Ach, geht es mir gut. Gott sei Dank!«
Ich bin Priester im Ruhestand und denke mir, wie man einen Menschen heutzutage doch zu einem Gebet animieren kann!

Wolfgang Teichert, Meiningen, Thüringen