(nach Matthias Claudius‘ Abendlied »Der Mond ist aufgegangen«)
Der Tag hat sich erhoben,
Am Himmel ganz weit oben
Glüht rosagoldner Schein;
In morgenkühler Ferne
Verlöschen letzte Sterne,
Bald schwebt die Sonnenkugel ein.
Auf Wassern liegt ein Flimmer
Von sanftem Tagesschimmer,
Tanzt hell und wunderbar;
Lautlose Federschwingen,
Die frühen Vögel singen
In feinem Nebel unsichtbar.
Wind geht durch Gras und Bäume,
Weht über Land und Träume,
Licht weckt die Schläfer auf;
Tau lächelt unter Tränen,
Ich spür ein tiefes Sehnen,
Und meine Seele geht mir auf.
Langsam, ganz langsam gleitet unser großes Schiff in den Geirangerfjord. Steile, himmelhohe Felswände, schäumende Wasserfälle in der Ferne. Auf den Ausguckdecks drängen sich die Menschen in leisem Gespräch. Da sind zarte Flöten-, dann Oboentöne zu hören: Über die Bordlautsprecher erklingt Edvard Griegs Morgenstimmung. Fünf Minuten andächtiger Stille.
Mit meinen fast achtzig Jahren fange ich endlich an, aufzuräumen. Dabei fiel mir mein uraltes Postsparbuch in die Hände. Ich blätterte darin, und ich entdeckte: Nach der Einzahlung von drei Mark im Juli 1953 hob ich nur wenige Tage später zwei Mark wieder ab! Was bewog mich damals dazu? Was war für zwei Mark so Wichtiges anzuschaffen? Oder wollte ich nur dem Postbeamten die Macht des Besitzenden demonstrieren? Ich weiß es nicht mehr. Aber wundern tut es mich heute noch!
Diese Kritzelei entstand während meiner letzten Schulwochen in der zehnten Klasse. Diese Zeit war geprägt von der Vorfreude auf die Sommerferien, aber nach und nach mischte sich auch ein bisschen Wehmut dazu: Mit dem letzten Schultag würde unsere gemeinsame Zeit als Klasse enden. Für die Oberstufe werden wir im nächsten Schuljahr in Kurse aufgeteilt. Während ich das Bild malte, lieferten mir meine Klassenkameraden immer wieder Anregungen, was man noch hinzufügen könnte. So verbinde ich bestimmte Teile des Bilds mit bestimmten Menschen oder Momenten.
Mein fünfeinhalbjähriger Enkel fragt mich: »Hast du schon immer Opa werden wollen?« Natürlich antworte ich mit »Ja!«. Er: »Da hast du aber Glück gehabt, dass ich gekommen bin.«