Das ist doch kein Vorbild: Ein Mädchen, das die Zeit umkehrt, nur um noch mehr Schulfächer besuchen zu können, als sie ohnehin schon in ihren übervollen Stundenplan gepackt hat. Man mag Hermine Granger mögen, aber das geht zu weit. Obwohl: Ein Zeitumkehrer, wie ihn Harry Potters beste Freundin um den Hals trägt, wäre sicherlich ein Verkaufsschlager. Denn was fehlt uns mehr als Zeit?!
Unser Leben ist zu einer Art Leistungssport geworden. Wir wollen ein möglichst perfektes Leben. Ständig arbeiten wir an uns, um noch schneller, effizienter, leistungsfähiger, einfach besser zu werden. Dauernd kämpfen wir darum, Arbeit, Freizeit, Partnerschaft und Familie ins Lot zu bringen. Dabei sollen wir dann auch noch gesünder und glücklicher sein als zuvor. Irgendwem gelingt das auch. Jedenfalls treffen wir immer wieder auf Leute, die davon schwärmen, wie zufrieden sie mit ihrem Leben sind. Andere allerdings brechen unter den gewaltigen Anforderungen zusammen. Der große Rest? Kämpft sich irgendwie durch. Nie war der Wunsch so groß, sich selbst zu verwirklichen.
Wie konnte es dazu kommen? ZEIT ONLINE geht dieser Frage in der Themenwoche „Perfektes Leben“ nach. Sieben Autoren haben versucht, das Geröll aus Therapeuten-, Soziologen- und Psychologensprech zur Seite zu räumen, das die Debatte beherrscht. Dahinter fanden sie ein Bündel von Idealen, die unsere Gesellschaft prägen. Sie etablieren Normen, denen wir folgen, oftmals ohne uns ihrer bewusst zu sein: die ideale Kindheit; die romantische Liebe; Berufung; Selbstoptimierung; Pflichtbewusstsein; Leidenschaft; Genügsamkeit.
Alle diese Begriffe entwerfen Muster einer vollkommenen Welt. Doch wer sie zu erreichen sucht, gerät schnell in eine Falle. Der Zeitgeist hat uns eingebläut, dass wir alles erreichen können, wenn wir uns nur genug anstrengen. Bei Idealen ist das jedoch unmöglich. Zumal sie nicht alle zueinander passen. Einige arbeiten sogar gegeneinander. Wir müssen uns deshalb damit auseinandersetzen, welche Hoheit über unsere Lebensgestaltung wir diesen Idealen zugestehen. Sieben Texte sollen entschlüsseln, wie sie uns antreiben, herausfordern, überfordern. Und wie wir lernen können, angemessen mit ihnen umzugehen.