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"Honeymoon" is over

 

Für die Medien ist es ein gefundenes Fressen: Gesundheitspolitik in der Krise, Umfragetief für die FDP, Einbußen für die wichtigsten Regierungspolitiker. Im Politbarometer der vergangenen Woche erhält die schwarz-gelbe Regierung erstmals negative Beurteilungen, im Deutschland-Trend der ARD gaben Befragte in den vergangenen Tagen an, die jetzige Regierung sei schlechter als die Vorgängerregierung. Die Koalition, so scheint es, befindet sich in einer echten Krise. Tatsächlich?

Fakt ist, dass es in der Regierung noch nicht rund läuft. Einiges ist durch den Regierungswechsel bedingt. Selbst Wunschkoalitionen müssen sich erst einmal finden. Man denke zurück an den Regierungsantritt von Rot-Grün 1998: Von Dezember 1998 an ging es mit der Unterstützung für die neue Regierung bergab. Ein erster Schock war die verlorene Landtagswahl in Hessen am 7. Februar 1999, die auch die Mehrheit im Bundesrat kostete. Es folgte ein Stimmungstief im März 1999, der absolute Tiefpunkt im September 1999, und erst die CDU-Spendenaffaire (Winter 1999/2000) führte zu erheblichen Verbesserungen der Bewertungen für Rot-Grün.

Insofern ist das, was derzeit in Berlin passiert, nicht neu. Und es ist durchaus typisch für die erste Phase einer Legislaturperiode. Neu gewählte Regierungen erhalten in der Regel kurz nach einer Wahl die besten Bewertungen, was Bestätigungseffekt im „Honeymoon“ genannt wird. Doch Flitterwochen dauern nie lange. Im Anschluss muß dann nicht mehr nur – wie im Wahlkampf und während der Koalitionsverhandlungen – geredet, sondern regiert werden. Und die ersten wichtigen und für Teile der Bevölkerung harten Politikentscheidungen müssen früh, wenn auch nicht sofort getroffen werden. Am Ende einer Legislaturperiode ist dies weitaus schwieriger, denn da muss der Souverän wieder gewonnen und keinesfalls vergrätzt werden.

Doch wie steht es im Lichte dieser Erfahrungen um die Lage der Koalition im Februar 2010? Gemessen an den ersten Monaten der letzten Regierungen, geht es Schwarz-Gelb „den Umständen entsprechend“. Das bedeutet, dass man nicht von einer Krise der Regierung sprechen kann, auch wenn die Holperer doch recht zahlreich sind. Aus der Perspektive einer ganzen Legislaturperiode hat die Regierung noch genug Zeit, in Tritt zu kommen. Ein wenig problematisch ist allerdings der Wahltermin in Nordrhein-Westfalen. Geht es „normal“ weiter, also für Schwarz-Gelb bis auf weiteres nach unten, dann wird es für Union und FDP schwierig werden, die Landtagswahl im größten deutschen Bundesland am 9. Mai 2010 zu gewinnen.

Landtagswahlen weisen allerdings ein paar Spezifika auf, die schwer kalkulierbar sind. Es wird vor allem darum gehen, welche Lager und Parteien ihre Klientel bei einer vermeintlich weniger wichtigen Wahl besser moblisieren können. Ist der Bundestrend für Schwarz-Gelb weiter negativ, dann sind Mobilisierungsdefizite für Union und FDP sehr wahrscheinlich, zumal die Regierungskonstellation im Bund und in NRW die gleiche ist. Allerdings werden Landtagswahlen auch von landesspezifischen Faktoren beeinflusst. Hier wird es um die Zufriedenheit der Bürger NRWs mit den Politikergebnissen, mit ihrem Ministerpräsidenten und um politische Alternativen gehen. Letzteres könnte zum Problem für die Opposition werden. Rot-Grün liegt derzeit klar hinter Schwarz-Gelb zurück und hat damit keine eigene Machtperspektive. Insofern wird es spannend werden: Wer „könnte“ mit wem, zu welchem Zweck und vor allem mit welchen Erfolgsaussichten? Wird es zu bunt und unübersichtlich, bliebe der Rückgriff auf ein bekanntes, bestenfalls auch bewährtes Koalitionsmodell.