Von unserem Autor in NRW, Lenz Jacobsen:
Erst eine Minute lief das TV-Duell von Hannelore Kraft und Norbert Röttgen am Montagabend, da verkündete die Junge Union in Nordrhein-Westfalen schon der ganzen Welt, wer in ihren Augen bereits gewonnen hatte: „Röttgen jetzt schon Sieger beim TV-Duell!“, twitterte sie um 20 Uhr und 16 Minuten, die Anmoderation war kaum beendet. Als Beobachter wusste man nicht, ob man gähnen oder schmunzeln sollte über so viel selbstgefällige Eigen-PR.
Der NRW-Wahlkampf findet, wie so ziemlich jeder andere Aspekt des öffentlichen Lebens, natürlich auch in den sozialen Medien statt. Doch besonders bei den Hauptereignissen wie eben dem TV-Duell der beiden Spitzenkandidaten wird deutlich, dass viele Parteipolitiker die Kanäle falsch, unbedarft oder langweilig nutzen.
Wer unter dem etablierten Suchbegriff „nrw12“ oder „tvduell“ verfolgen wollte, wie die Twitter-Nutzer den Schlagabtausch von Kraft und Röttgen begleiteten, ging unter in einer Flut von Partei-Eigenlob und ermüdenden Grabenkämpfen. „Röttgen wird nervös und erzählt Unwahrheiten“, freute sich da der SPD-Blogger Christian Soeder, und der Landeschef der Jungen Union, Sven Volmering, meinte beobachtet zu haben: „Frau Kraft reagiert sehr schnippisch und genervt. Nicht souverän.“
So strickten beide Seiten an ihrer Version der Geschichte. Für den interessierten Zuschauer war das denkbar uninteressant. Zusätzlich twitterten die Lager im Sekundentakt Zitate aus dem Duell mit, versehen mit faden Beifallsbekundungen wie „Bravo!“ oder „BAM!“.
Dass im Internet theoretisch unendlich viel Platz ist, verleitet viele Politiker und Parteianhänger leider dazu, nicht darauf zu achten, ob ihre einzelnen Beiträge wirklich interessant sind. Die sozialen Medien werden so zu nur noch einem weiteren Kanal, durch den man seine Partei-PR pusten kann.
Das ist aus zwei Gründen bedauerlich: Zum einen gehen darin die Meinungsäußerungen „normaler“ Zuschauer ohne Parteiamt unter, die vielleicht ein repräsentativeres und spannenderes Stimmungsbild zum Duell hätten zeigen können. Zum anderen verstärken viele twitternde Politiker im Wahlkampf so eher den Frust der Bürger über politische Rituale und Formulierungsschablonen, anstatt ihn abzubauen. Dabei könnten genau dazu die sozialen Medien eigentlich ein Mittel sein.