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Weiter Personaldebatte bei der SPD

Die Spekulationen um die Zukunft von SPD-Chef Franz Müntefering reißen nicht ab. Die Nachrichtenagentur dpa meldet, die Entscheidung im Parteivorstand wurde vertagt. Die „Rheinische Post“ aus Düsseldorf hingegen will wissen, dass Kanzlerkandidat Steinmeier auf dem Parteitag Mitte November in Dresden dessen Nachfolge an der Spitze der SPD antrete Olaf Scholz, Klaus Wowereit, Sigmar Gabriel, Andrea Nahles sowie Hannelore Kraft sollen demnach seine Stellvertreter werden.

 

Gebannte Erwartung bei der SPD

17.30h, Willy-Brandt-Haus. Es es gibt Currywurst, Bier und Rotwein. Bei den Gästen herrscht gebannte Erwartung. Skepsis überwiegt. Kein bekannte Sozialdemokrat hat sich bisher blicken lassen und die Mitarbeiter der Pressestelle laufen mit eher blassen Gesichtern herum.

 

Wer hat´s erfunden? – neue Töne im Streit um Steinmeiers Deutschlandplan

Seit fünf Tagen diskutieren die Wahlkämpfer aller Parteien mittlerweile über den Deutschlandplan von Frank-Walter Steinmeier und sein Versprechen, bis zum Jahr 2020 insgesamt vier Millionen Arbeitsplätze schaffen zu wollen. Inzwischen hat sogar die politische Konkurrenz das 67-seitige Papier gelesen und siehe da, von Häme und Spott ist gar nicht mehr viel zu hören. Im Gegenteil. Der SPD-Kanzlerkandidat hat offenbar einen Nerv getroffen und damit ist die politische Auseinandersetzung über seine Ideen in eine neue Phase getreten.

Vielleicht liegt Steinmeier ja doch gar nicht so falsch.

Nicht, dass die politische Konkurrenz plötzlich in Jubel ausgebrochen wäre, noch immer spricht CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla davon, der SPD-Kanzlerkandidat verspreche etwas, was er nicht schaffen könne. Arbeit für alle, das kann nur die Union. Natürlich hält der CDU-Politiker die eigenen Ideen für besser, wie sollte es auch anders sein. Selbstredend setzt er auf den Markt und nicht auf den Staat. Aber immerhin weiß Pofalla mittlerweile, Steinmeier habe das „richtige Thema“ angesprochen und wirft ihm gar geistigen Diebstahl vor.

Eben noch unseriös, jetzt geklaut, so funktioniert Wahlkampf.

Wesentliche Teile seines Deutschland-Plans habe Steinmeier schlicht aus dem Unions-Wahlprogramm übernommen, sagt Pofalla in einem Zeitungsinterview, ”das Copyright für Zukunftstechnologien liegt doch bei uns“. Und fügt dann hinzu, es sei doch ”ehrenwert, dass Herr Steinmeier einen Großteil unserer Ideen für richtig hält“.

Wer hat´s erfunden? Die CDU, die SPD oder etwa doch die Grünen?

Deren Spitzenkandidat Jürgen Trittin spricht von ”Produktpiraterie“ und wirft der SPD vor, sie habe ihren Vorschlägen für neue Jobs einfach ”kopiert“.

Wahlkampf als Urheberrechtsstreit? Den Arbeitslosen kann es nur recht sein.

Aber vermutlich rührt der neue Zungenschlag im Streit um Steinmeiers Deutschland-Plan auch daher, dass sich nach und nach Experten zu Wort melden, die dessen Ziele für gar nicht mehr so abwegig halten.

So hält es zum Beispiel die Unternehmensberatung Roland Berger Strategy Consultants für möglich, dass sich die Zahl der Beschäftigten im Umweltsektor auf mehr als zwei Millionen Arbeitsplätze verdoppeln lasse. Der gewerkschaftsnahe Konjunkturexperte Gustav Horn Institut für Makro-Ökonomie der Hans-Böckler-Stiftung hält sogar zwei bis drei Millionen Arbeitsplätze für möglich. Positiv haben sich auch Unternehmer wie der SAP-Chef Leo Apotheker oder Emanuele Gatti, Vorstandsmitglied von Fresenius Medical Care geäußert. Es zeigt sich also schon jetzt, dass es Unternehmen gibt, die hoffen von neuen staatlichen Anreizen oder gar Subventionen profitieren zu können

Nur die Forscher vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung gießen eine Menge Wasser in Steinmeiers neuen Wein. Denn sie glauben, dass sich ein solches Jobwunder nur mit Niedriglöhnen erreichen lasse. Aber das hört Steinmeier sicher nicht so gerne, schließlich verspricht er nicht nur Vollbeschäftigung, sondern auch flächendeckende Mindestlöhne.

 

Ach, hätte der Baron doch geschwiegen

Mit Hohn und Spott kommentierte die politische Konkurrenz am Wochenende den Vorschlag des SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier, bis zum Jahr 2020 vier Millionen Arbeitsplätze schaffen und das Ziel die Vollbeschäftigung nicht aus den Augen verlieren zu wollen. Von einem „unseriösen Versprechen“ spricht der CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach, und der Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) erklärte, „die Menschen sind es leid, immer zu Wahlkampfzeiten mit Versprechen überschüttet zu werden“.

Ach, wenn der Baron doch geschwiegen oder zumindest sein eigenes Regierungsprogramm für die Jahre 2009 bis 2013 gelesen hätte. Denn dort heißt es auf Seite 9 eindeutig und schwarz auf weiß: „Seit Ludwig Erhard gilt der Grundsatz ‚Wohlstand für alle‘. Für uns bedeutet das heute vor allem: Arbeit für alle, Leistungsgerechtigkeit und Generationengerechtigkeit“.

Arbeit für alle, heißt also ein gemeinsames Wahlversprechen von CDU und CSU im Wahlkampf. Was ist das anderes als Vollbeschäftigung? Nur einen Zeitpunkt, bis wann die Union ihr Ziel zu erreichen gedenkt, nennt sie nicht. Ist das seriöser? Sind es die Menschen weniger leid mit Versprechen überschüttet zu werden, von denen eine Partei nicht einmal sagt, bis wann sie diese zu erfüllen gedenkt. Die Menschen würden konkrete Vorschläge erwarten, sagt der Baron zu Guttenberg, davon sei bei der SPD bisher „wenig zu finden“.

Und bei der Union? Wie sie „Arbeit für alle“ schaffen will, das sagt sie in ihrem Regierungsprogramm: mit Steuersenkungen. Wann genau, der Bürger allerdings mit Steuerentlastungen rechnen kann, sagt sie freilich nicht, zumindest nicht konkret. Irgendwann in der nächsten Legislaturperiode und erst dann, wenn der Haushalt saniert ist. Denn „Haushaltskonsolidierung bleibt unser Ziel“, heißt es im Unions-Programm, „sie schafft Spielräume, um mit attraktiven steuerlichen Rahmenbedingungen die Grundlage für mehr Wachstum und Beschäftigung zu legen.“

Und noch einen „konkreten“ Vorschlag macht die Union, wie sie Arbeit für alle schaffen will: mit einer Bildungs- und Qualifizierungsoffensive. Im Wahlprogramm heißt es dazu: „Die deutsche Industrie, der Mittelstand, das Handwerk und die Freien Berufe, Arbeitnehmer wie Arbeitgeber, Besitzer von Arbeitsplätzen und Arbeitslose – alle in unserer Gesellschaft müssen ihren Beitrag leisten, damit Arbeitsplätze erhalten und geschaffen werden.“

Wenn Unionspolitiker nun Steinmeiers „Deutschland-Plan“ lächerlich machen, tun sie das im Grunde auch mit ihrer Kanzlerin. Bereits vor einem Jahr antwortete die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel in der Bundespressekonferenz auf die Frage, ob sich die Politik das Ziel Vollbeschäftigung setzen solle, mit den Worten: „Ja, man sollte es sich setzen“. Und auf die Nachfrage, ob es realistisch sei, antwortete sie: „Ich setze mir doch keine unrealistischen Ziele.“

Schon vor zwölf Monaten also hielt Angela Merkel Vollbeschäftigung und damit „Arbeit für alle“ für ein realistisches Ziel der Regierung. Und auch wenn Deutschland mittlerweile tief in einer Rezession steckt und die Zahl der Arbeitslosen wieder steigt, heißt es nun im Regierungsprogramm der Union für die Jahre 2009 bis 2013: „Wir halten Arbeit für alle für möglich und arbeiten für die Erreichung dieses Ziels.“

Wie sagte doch der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer am Wochenende zu den Vorschlägen des SPD-Kanzlerkandidaten: „Das ist doch Fantasialand“