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CDU und SPD in NRW – Kopf an Kopf auch bei der Verständlichkeit

Noch eine Woche bis zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen – und das Umfrage-Rennen zwischen CDU und SPD ist knapper als je zuvor (siehe auch den Beitrag „Zeit für Kampagnen!“). Die Wahlentscheidung zwischen CDU, SPD und den drei kleinen Parteien ist – trotz des nicht zu unterschätzenden Kandidatenfaktors – v.a. eine Entscheidung zwischen den programmatischen Angeboten der Parteien. Doch: Wie verständlich vermitteln die Parteien ihren Wählern diese Programme? Gibt es Unterschiede zwischen Regierung und Opposition oder kleinen und großen Parteien? Welche Partei schafft es am besten, eine Sprache zu treffen, die nicht nur von Politikern, sondern auch von ganz normalen Bürgern verstanden wird?

Wie schon bei der Europa- und Bundestagswahl im letzten Jahr haben Kommunikationswissenschaftler der Uni Hohenheim in Kooperation mit dem Ulmer CommunicationLab die Verständlichkeit der Wahlprogramme zur Landtagswahl in NRW genauer unter die Lupe genommen. Betrachtet man die Ergebnisse der Forscher, so lässt sich zunächst feststellen: Trotz der negativen Ergebnisse des „Wahlprogramm-Checks“ zur Bundestagswahl hat die Verständlichkeit der Wahlprogramme seitdem insgesamt kaum zugenommen. Auf dem Hohenheimer Verständlichkeitsindex, der von 0 (kaum verständlich) bis 20 (sehr verständlich) reicht, erreichen die fünf untersuchten Parteien nach wie vor lediglich Werte zwischen etwa 6 und 12 Punkten.

Am besten schneidet hierbei die CDU mit einem Wert von 11,8 Punkten ab, am schlechtesten die FDP mit nur 5,8 Punkten. Letztere liegt damit nur knapp über der Verständlichkeit politikwissenschaftlicher Doktorarbeiten (4,3 Punkte). SPD (10,1 Punkte), Grüne (9,0) und Linkspartei (8,1) gruppieren sich zwischen diesen beiden Polen. Im Vergleich zur Bundestagswahl haben CDU und Linkspartei damit ihre Verständlichkeit erhöhen können, während die Programme von Grünen und FDP spürbar an Verständlichkeit eingebüßt haben. Die Grünen fallen deshalb von ihrem Spitzenplatz bei der Bundestagswahl auf den dritten Rang zurück und tauschen diesen dabei gleichzeitig mit der CDU.

Ein anderes Bild ergibt sich jedoch, wenn man die Kurzprogramme der Parteien betrachtet, die von einem deutlich größeren Teil der Wählerschaft gelesen werden dürften: Hier legt die SPD das mit Abstand verständlichste Programm vor (17,2 Punkte) und übertrifft dabei in der Einfachheit ihrer Sprache sogar einen durchschnittlichen Bild-Zeitungsartikel (16,8 Punkte). Auch Grüne (12,7 Punkte) und FDP (12,4 Punkte) kommunizieren in ihren Kurzprogrammen deutlich verständlicher als in den Langfassungen. Bei der Linkspartei führt die Kürzung ihres Programms hingegen – anders als noch bei der Bundestagswahl – zu einem Verlust an Verständlichkeit (7,8 Punkte). Die CDU schließlich, die mit 28 Seiten die mit Abstand kürzeste Originalfassung vorlegt, sieht diese offensichtlich zugleich auch als ihre Kurzfassung an. Ob sie damit die Leselust ihrer potenziellen Wähler überschätzt hat, könnte eines der Diskussionsthemen des nächsten Sonntagabends sein…

P.S.: Ab sofort beobachten die Hohenheimer Forscher die Verständlichkeit der Parteien auch kontinuierlich auf monatlicher Basis unter www.polit-monitor.de

Links:
– Wahlprogramm-Check der Uni Hohenheim: https://komm.uni-hohenheim.de/wahlprogramm-check.html
– PolitMonitor der Uni Hohenheim: http://www.polit-monitor.de

 

Wahlprogramme als Sprachtest? Die Verständlichkeit der Bundestagswahlprogramme im Vergleich (Teil 2: Die Kurzprogramme)

Nicht einmal mehr ganze drei Wochen sind es noch bis zur Bundestagswahl. Und mittlerweile haben alle im Bundestag vertretenen Parteien neben ihren regulären Wahlprogrammen auch Kurzfassungen dieser Programme vorgelegt. Dass dies keinesfalls eine Selbstverständlichkeit war, zeigt ein Blick auf vergangene Wahlkämpfe: Noch im Wahlkampf 2005 veröffentlichte lediglich die FDP eine Kurzversion ihres Wahlprogramms. Kommunikationswissenschaftler der Universität Hohenheim haben nun auch die Verständlichkeit dieser Kurz-Wahlprogramme untersucht, nachdem Sie vor zwei Monaten bereits die Langfassungen der Wahlprogramme einem Verständlichkeitstest unterzogen hatten.

Das wichtigste Ergebnis der Hohenheimer Studie: Im Vergleich zu den Langfassungen erhöht sich die Verständlichkeit bei den Kurzprogrammen bei allen Parteien. Am deutlichsten fällt dieser Befund allerdings bei der Linken aus: Hier schneidet das Kurzprogramm auf der Hohenheimer Verständlichkeitsskala von 0 (überhaupt nicht verständlich) bis 20 (sehr verständlich) fast 10 Punkte besser ab als die Langfassung. Dieser Befund führt zu dem Umstand, dass die Verständlichkeitsrangfolge der Parteien bei den Kurzprogrammen – wiederum im Vergleich zur Analyse der Langfassungen – durcheinander gewirbelt wird: Ganz vorne rangiert nun die Linke (die bei den Langfassungen noch am schlechtesten von allen Parteien abgeschnitten hatte), ganz hinten SPD und Union.

Kurzprogramme

Zusätzlich zu den Lang- und Kurzfassungen haben fast alle Parteien auch noch weitere Ausgaben ihrer Programme veröffentlicht. So bieten mit Ausnahme der FDP alle Parteien auch Wahlprogramme in „leichter Sprache“ (d.h. barrierefreier Sprache für Menschen mit Behinderungen) an. Diese erreichen auf dem Hohenheimer Verständlichkeitsindex zwar ausnahmslos die vollen 20 Punkte, über die Angemessenheit des hierbei vermittelten Informations- und Sprachniveaus wird jedoch zumindest bei der Linken bereits gestritten. Trotz dieser Problematik bleibt festzuhalten: Alle Parteien bemühen sich in diesem Wahlkampf ganz besonders auch um Wähler mit Behinderungen. So kann man sich die Programme von Union, SPD und FDP auch als Hörbuch bzw. Download anhören oder als Video in Gebärdensprache anschauen. Die Union bietet darüber hinaus sogar die kostenlose Bestellung eines Programms in Braille-Schrift für blinde Wähler an. Bei der Linken und den Grünen gibt es diese Angebote zwar nicht, doch findet sich hier zumindest das bereits erwähnte Programm in leichter Sprache. Auch Wähler mit Migrationshintergrund werden bei allen Parteien bis auf die Grünen mit Übersetzungen der Kurzprogramme angesprochen. Am internationalsten gibt sich hier FDP: Diese bietet ihr Kurzprogramm gleich in sieben weiteren Sprachen an, darunter chinesisch, russisch, türkisch und polnisch.

Fazit: Betrachtet man die Ergebnisse der Hohenheimer Forscher, so drängen sichvor allem zwei zentrale Feststellungen auf. Erstens haben mittlerweile alle Parteien Menschen mit Behinderungen und Bürger mit Migrationshintergrund als potenzielle Wähler entdeckt, auch wenn sie diese noch mit unterschiedlich starkem Engagement und teilweise fragwürdiger Kompetenz umwerben (hier überrascht insbesondere das vergleichsweise zurückhaltende Engagement der Grünen). Zweitens zeigt sich, dass sich die Funktion von Wahlprogrammen im Vergleich zu früheren Wahlkämpfen entscheidend gewandelt hat. Die Originalfassungen der Wahlprogramme scheinen heute vor allem ein Kommunikationsmittel zwischen parteiinternen und -externen Experten (Parteifunktionäre, -mitglieder, und Journalisten) darzustellen, während die Kurzprogramme nun offensichtlich die eigentlich zentralen Funktionen von Wahlprogrammen erfüllen sollen, nämlich die der (allgemein verständlichen) Werbung, Profilierung und Agitation.

 

Wer versteht die Bundesregierung? Die Webseiten der Bundesregierung im Verständlichkeitstest

Dass die Bedeutung der politischen Online-Kommunikation von Parteien und Politikern stetig zunimmt, dürfte heute als Konsens bezeichnet werden können. Dass diese Online-Kommunikation gerade in Wahlkampfzeiten aber besonders wichtig ist, hat nicht zuletzt der beeindruckende Wahlkampf und Wahlerfolg von Barack Obama in den USA gezeigt. Auch die deutschen Parteien haben auf diese Entwicklung reagiert und zur Bundestagswahl ausnahmslos aufwändige Kampagnen-Portale gestartet. Und die amtierende deutsche Bundeskanzlerin ist die erste Regierungschefin der Bundesrepublik, die einen regelmäßigen Video-Blog im Internet betreibt. Zweifellos scheint die Chance der direkten und ungefilterten Ansprache der Wähler über das Internet von der deutschen Politik erkannt worden zu sein. Doch schlägt sich diese Erkenntnis auch in einer angemessenen Ansprache der Zielgruppe nieder? Gelingt es der Politik, die Übersetzungsleistung der Medien zu kompensieren und sich bei der direkten Ansprache ihrer Wählerschaft verständlich zu machen?

Kommunikationswissenschaftler der Universität Hohenheim sind dieser Frage nun erstmals nachgegangen. Als Forschungsobjekt haben sie hierbei die Online-Auftritte der Bundesregierung unter die Lupe genommen. Denn: Keine andere politische Institution in Deutschland verfügt über mehr Ressourcen, um einen angemessenen Online-Auftritt zu realisieren, als Kanzleramt und Bundesministerien. Trotzdem stießen die Forscher bei ihrer Recherche schnell auf Wort- und Satzungetüme, die darauf schließen lassen, dass eine institutionalisierte Verständlichkeitsprüfung der veröffentlichten Webseiten-Texte in den meisten Berliner Ministerien keinesfalls Gang und Gäbe ist. Ein Beispiel gefällig? „Das Bundeskabinett hat heute den Entwurf einer Formulierungshilfe für einen Änderungsantrag zur Ausweitung der Schutzklausel bei der Rentenanpassung beschlossen.“ Nominalstil in Reinkultur, entnommen aus dem Info-Text „Schutz vor Rentenkürzungen“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.

Dass es auch anders geht, bewiesen die Hohenheimer Forscher ebenfalls: Alle untersuchten Texte wurden in ihrer Verständlichkeit optimiert. Aus dem obigen Satzbeispiel wurde so beispielsweise: „Die Bundesregierung hat heute den Entwurf zu einem Gesetz beschlossen, das die Höhe der Rente schützen soll.“ Diese optimierten Text-Versionen wurden ebenso wie die Original-Texte zwei Gruppen von Probanden zur Bewertung und zum anschließenden Ausfüllen von Verständnistests vorgelegt. Das Ergebnis dieses Experiments: Bei allen optimierten Texten konnte die subjektive Verständlichkeitsbewertung sowie das objektive Verständnis signifikant verbessert werden. Der Optimierungseffekt betrug hierbei teilweise bis zu 56 Prozent.

Quelle: Universität Hohenheim. Die Graphik kann durch Anklicken vergrößert werden.

Ein weiteres Ergebnis der Untersuchung sollte die Verantwortlichen in den Ministerien besonders hellhörig werden lassen: Alle untersuchten Wählergruppen, ob mit hoher oder niedriger Bildung, mit hohem oder niedrigem politischen Wissen, profitierten in ähnlicher Weise von den verbesserten Texten. Selbst die Stärke der Parteiidentifikation wirkte sich nicht systematisch und in der erwarteten Richtung auf den Optimierungseffekt aus. Im Gegenteil: Der Optimierungseffekt lag bei den stark Parteigebundenen in vielen Fällen sogar höher als bei den schwachen Parteianhängern und den Parteilosen. Eine Verständlichkeitsoptimierung politischer Webseiten wäre demnach keineswegs eine Nischen-Strategie für bestimmte Teilgruppen der User, sondern würde mit hoher Wahrscheinlichkeit der gesamten Nutzer-Gemeinde zugute kommen; eine Perspektive, die sicher nicht nur Demokratietheoretiker interessieren dürfte.

 

Wahlprogramme als Sprachtest? Die Verständlichkeit der Bundestagswahlprogramme im Vergleich

Am 28. Juni haben mit CDU und CSU die beiden letzten der im Bundestag vertretenen Parteien ihr Wahlprogramm für die Bundestagswahl vorgelegt. Wie schon bei der Europawahl haben Kommunikationswissenschaftler der Uni Hohenheim in Kooperation mit der Ulmer Kommunikationsberatungsagentur CommunicationLab nun die fünf vorliegenden Wahlprogramme genauer unter die Lupe genommen: Wie verständlich sind die Programme insgesamt? Welche Themen werden verständlicher behandelt, welche weniger verständlich? Und was sind die Gründe für mangelnde Verständlichkeit?

Im Vergleich zur Europawahl können die Programme der meisten Parteien erfreulicherweise als verständlicher bezeichnet werden. Nur die Verständlichkeit des Programms der Union fällt hinter die Verständlichkeit des CSU-Programms zur Europawahl zurück. Am verständlichsten ist das Bundestagswahlprogramm der Grünen (11,0 von möglichen 20 Punkten), dicht gefolgt vom Programm der SPD (10,5). Deutlich schlechter schneiden bereits die Wahlprogramme von Union (8,6) und FDP (8,4) ab, das mit Abstand unverständlichste Wahlprogramm legt jedoch die Linke vor (6,5). Betrachtet man die Verständlichkeit der einzelnen Themenbereiche, so fällt auf, dass bei fast allen Parteien Einleitung und Schlussteil sowie die Passagen zum Selbstverständnis am verständlichsten formuliert wurden. Unter den unverständlichsten Teilen hingegen finden sich besonders häufig die beiden Themen Gesundheitspolitik und Verteidigungspolitik.

Verständlichkeit der Bundestagswahlprogramme im Vergleich

Die Gründe für die mangelnde Verständlichkeit vieler Abschnitte der Wahlprogramme liegen v.a. in einer häufig zu hohen Wort- und Satzkomplexität sowie der Verwendung von Fachsprache. Die Folge: Leser mit niedrigerer Bildung und geringem politischen Vorwissen dürften bei der Lektüre der meisten Wahlprogramme nach Kurzem kapitulieren. Dies lässt sich anhand einiger Beispiele eindrucksvoll unterstreichen. So versucht die Union ihre potenziellen Wähler u.a. mit dem folgendem Argument zu überzeugen: „Für Kreditzusagen an eine nicht konsolidierte Zweckgesellschaft müssen grundsätzlich die gleichen Eigenkapitalvorschriften gelten wie für Aktiva vergleichbaren Risikos in der Bilanz.“ Ähnlich unverständliche Formulierungen finden sich auch bei der FDP: „Der konsequente Weg zur Aufdeckung von Ineffizienzen bei der Erhebung von Netzentgelten wird weiterverfolgt und eine weitergehende Entflechtung der Energienetze angestrebt.“ Beide Beispiele vereint auch eine weitere Gemeinsamkeit, die zu mangelnder Verständlichkeit füht: Klare Verantwortlichkeiten werden häufig durch die Vermeidung von „Wir“-Aussagen umgangen, stattdessen werden Passivkonstruktionen oder „Man“-Aussagen verwendet. Doch auch einzelne, nicht weiter erläuterte Fachbegriffe dürften einige Leser zur Verzweiflung treiben. So lobt die SPD die „britische Stempelsteuer“, die Grünen empfehlen ihr „Progressivmodell“, die Linke kritisiert „Agroenergie-Importe“ und die Union warnt vor „prozyklisch wirkenden Regeln“.

Auch bei den Bundestagwahlprogrammen besteht jedoch, wie schon bei den Europawahlprogrammen, Anlass zur Hoffnung: So planen fast alle Parteien die Veröffentlichung von Kurzversionen ihrer Programme (was angesichts eines Umfangs von über 200 Seiten insbesondere bei den Grünen eine gute Idee sein dürfte). Die SPD war dabei am schnellsten und präsentiert jetzt bereits die acht zentralen Ziele ihres Wahlprogramms. Deren Verständlichkeit legt die Messlatte für die Kurzprogramme der anderen Parteien hoch: Mit einem Wert von 16,3 auf dem Hohenheimer Verständlichkeitsindex kommt die SPD nahe heran an die durchschnittliche Verständlichkeit von Politik-Beiträgen der Bild-Zeitung (16,8). Ob damit auch der Informationsgehalt der Kurzprogramme auf Bildzeitungsniveau sinkt, soll in Folgestudien der Hohenheimer Forscher untersucht werden.

Weitere Informationen
Wahlprogramm-Check 2009 der Uni Hohenheim (auch Europawahl- und Kommunalwahl-Analyse)

Bundestag will sich in Zukunft bei Gesetzen von Sprach-Experten beraten lassen

Änderungsantrag der Grünen zur Verständlichkeit ihrer Wahlprogramme

CDU will Anglizismen bekämpfen

 

Wie verständlich sind unsere Wahlprogramme?

Morgen – am 7. Juni – sind die Bürgerinnen und Bürger in sieben deutschen Bundesländern aufgerufen, das europäische Parlament und die Gemeinderäte neu zu wählen. Die Wahlprogramme der Parteien können bei diesen Wahlen durchaus eine wichtige Entscheidungshilfe darstellen. In ihnen informieren die Parteien den Wähler darüber, welche Ziele sie in der nächsten Legislaturperiode verfolgen wollen. Doch: Kommunizieren die Parteien hierbei überhaupt so verständlich, dass der „normale“ Wähler sie verstehen kann? Diese Frage wurden nun in zwei Analysen der Uni Hohenheim (in Kooperation mit der Ulmer Kommunikationsberatungsagentur Communication Lab) untersucht.

Ausgangspunkt der beiden Studien war zum einen die Vermutung, dass die immer wieder kritisierte Bürgerferne und Komplexität der EU und ihrer Institutionen sich möglicherweise auch auf die Verständlichkeit der Europa-Wahlprogramme auswirkt. Im Gegensatz dazu sollten die Kommunalwahlprogramme aufgrund der unmittelbaren Alltagsrelevanz der Kommunalpolitik für den Bürger verständlicher formuliert werden können. Beide Vermutungen konnten durch die Analysen der Uni Hohenheim bestätigt werden: Die Verständlichkeit der Europawahl-Programme aller untersuchten Parteien fällt – mit Ausnahme der CDU – im Vergleich zu den Kommunalwahlprogrammen deutlich geringer aus (exemplarisch wurden die Wahlprogramme zur Stuttgarter Gemeinderatswahl untersucht). Die Programme der SPD und der Grünen erreichen hierbei eine (Un)Verständlichkeit, die sich mit politikwissenschaftlichen Dissertationen vergleichen lässt. Die einzige erwähnenswerte Ausnahme stellt das Wahlprogramm der CSU dar: Dessen Verständlichkeit liegt deutlich über den restlichen Parteien, wobei auch hier noch zahlreiche Verstöße gegen zentrale Regeln des verständlichen Schreibens zu verzeichnen waren.

Die Verständlichkeit der Wahlprogramme im Vergleich

Am besten lassen sich diese Defizite anhand einiger weniger Beispiele aus den Europawahlprogrammen demonstrieren. So versucht die SPD ihren Wählern die Bedeutung europäischer Politik mit folgendem Satzungetüm näher zu bringen: „Dort wo die Gestaltungskraft der Nationalstaaten in unserer zusammenwachsenden Welt mit neuen Abhängigkeiten und vernetzten Problemen an ihre Grenzen stößt, kann und muss Europa den Primat der Politik gegenüber den freien Kräften des Marktes behaupten und dem Wirtschaften im europäischen Binnenmarkt wie weltweit soziale und ökologische Regeln geben.“ Auch das verwendete Vokabular der Parteien dürfte so manchen Leser der Wahlprogramme zur Verzweiflung treiben: So finden sich neben dem „Primat der Politik“ im eben zitierten Satz auch zahlreiche weitere Beispiele in den Wahlprogrammen der Parteien. Begrifflichkeiten und Fachausdrücke wie „Lissabon-Strategie“, „prekäre Beschäftigung“, „effektiver Multilateralismus“, „EU-weite Einspeiseregelung“ werden immer wieder verwendet – und das vollkommen ohne erläuternden Kommentar oder Klammerzusatz. Spätestens hier wird der Anspruch, die Wahlprogramme richteten sich an den „normalen“ Bürger, äußerst fraglich. Die Stuttgarter Kommunalwahlprogramme schneiden im direkten Vergleich deutlich besser ab als die Europawahlprogramme. Allerdings kann man auch hier keineswegs von allgemeiner Verständlichkeit sprechen. Als Vergleichswert wurde die Verständlichkeit von Politik-Beiträgen aus der Bild-Zeitung herangezogen: Von diesen Werten, auch wenn sie einen zugegebenermaßen hohen Verständlichkeitsanspruch darstellen, sind alle Parteien meilenweit entfernt.

Trotz allem besteht durchaus Anlass zur Hoffnung: Denn zumindest die Grünen scheinen das Problem mittlerweile erkannt zu haben: Auf ihrer Bundesdelegiertenkonferenz Anfang Mai 2009 stellten einige Delegierte den Antrag, dass die grünen Wahlprogramme in Zukunft auch als leicht verständliche und bebilderte Kurzfassung erscheinen sollten. Es bleibt zu hoffen, dass die anderen Parteien diesem Beispiel folgen werden.