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Piraten schieben die Regler hoch

22 Uhr. Die Piraten kappen die Fernsehübertragung. Der DJ im Berliner „Astra-Kulturhaus“ schiebt die Regler hoch, der Bass hämmert. In den Polstern der Lobby durchforsten unermüdliche Freaks das Netz nach den besten Wahlkreisergebnissen. Im Saal streifen farbige Lichtkegel über die Tanzenden. Im Zwei-Prozent-Rausch lassen sich Piraten auch nicht mehr vorschreiben, wo sie rauchen und wo nicht. Die Frauenquote im Publikum scheint leicht gestiegen, ganz im Gegensatz zur Krawattendichte.

 

Piraten hoffen auf 2013

Die Wahl ist durch, die etwa 300 Besucher der Berliner Wahlparty nehmen via TV am Sterben der bisherigen Regierungskoalition teil. Das SPD-Ergebnis wird mit Jubel quittiert. Durch die Reihen des Feiervolkes im „Astra-Kulturhaus“ des Szenebezirks Friedrichshain sickert durch: zwei Prozent für die Piratenpartei. Jubel, als es Parteichef Jens Seipelbusch mit seinem Team von der Bühne verkündet. „Riecht nach Einzug in den Bundestag 2013!“, twittert Pirat lexey4. Viele hier im Saal wollen die Liberalen in den nächsten vier Jahren an ihren Versprechungen in Sachen Bürgerrechte messen. Krawattenquote: stabil bei null Prozent.

 

Wahlcountdown bei den Piraten

2000 Quadratmeter Szeneclub im Berliner Szeneviertel Friedrichshain. Orangefarbenes Licht erhellt den Raum auf Halbdunkel, die Wände dekoriert großformatig das Parteilogo. Die Leinwand auf der Bühne zeigt das Bild von ARD und ZDF. Zum Soundcheck läuft Queen. Schwarz behemdete Helfer verlegen mit Klebeband Stromverteilsteckdosen. Krawattenquote: null Prozent.

Am Wlan werde noch gearbeitet, heißt es. „Wären wir an der Regierung, hätten wir längst flächendeckendes Netzwerk“, beteuert einer im Piraten-T-Shirt.

In der Spätsommersonne vor dem „Astra Kulturhaus“ trinkt man Astra-Bier aus Hamburg (höchster Piratenanteil im Volk) oder Carlsberg aus Dänemark (Ursprungsland der Piratenbewegung). Bei Twitter wird zum Autokorso aufgerufen, falls die Piraten fünf Prozent schaffen.

 

Merkel und ihre Partei

Bei der Lektüre der Samstagszeitung fällt der Blick auf eine Wahlwerbeanzeige der CDU. Die Kanzlerin in lichtgrün, die Hände in Wort-zum-Sonntag-Haltung. Der Text: „Wer Angela Merkel stärken will, muss CDU wählen.“

Wie jetzt? Das hätten wir nun aber nicht gedacht. Angela Merkel wollen… CDU wählen… Ja, wen denn sonst?

Zugleich kommen Selbstzweifel auf: Haben wir in den Analysen den vergangenen Wochen eine Konstellation übersehen, eine mögliche Wahltaktik ignoriert, wonach auch eine Stimme für SPD, Grüne, Linkspartei die Kanzlerin stärken würde, weil…

Wer FDP wählte, würde Merkel zumindest nicht schaden, was eine mögliche künftige Koalition betrifft. Denn beide haben sich bereits zueinander bekannt.

Insofern erinnert der christdemokratische Last-Minute-Slogan in seiner Schlichtheit an die Schieflage von Steinmeiers „Arbeit für morgen“. Vergessen blieb dabei, was er den Arbeitslosen von heute bietet. Parallelen kamen auf zu dem Spruch, den Kneipenwirte an den Biertresen hängen, um den Anschein von Hoffnung und Zuversicht zu verbreiten: „Morgen Freibier!“.

Morgen ist nun erst einmal Wahl.