Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Ein Spiel wie ein Album der Dire Straits

 

20:17 Moin, herzlich willkommen zum Live-Blog von ZEIT ONLINE. Heute erstes Halbfinale im DFB-Pokal, dem Lieblingswettbewerb vieler Fußballfreunde. Wollen wir hoffen, dass es ein spannendes Match wird, vielleicht mit Verlängerung. Was natürlich keine Selbstverständlichkeit ist, wenn ein Erstligist zuhause gegen einen Zweitligisten spielt.

ARD bringt New Order im Trailer. Hat DJ Mehmet seine Finger im Spiel? #Blauer Montag

Für die Hardcore-Fans die Aufstellungen:

Lerverkusen

Adler – Kadlec, Haggui, Friedrich, Henrique – Rolfes, Kroos, Vidal, Renato Augusto – Kießling, Helmes

Mainz

Wache – Löw, Noveski, Svensson, Hoogland – Pekovic, Amri, Feulner, Neustädter, Karhan – Bancé.

catenaccio bloggt auch live.

12′ Die Mainzer beginnen ganz brav, verteidigen mit elf Spielern – und wenn sie den Ball erobern, schlagen sie einen langen Ball auf ihren Stürmer, den es manchmal gar nicht gibt. Sieht manchmal aus wie das Trainingsspiel Abwehr gegen Angriff, bei dem Abwehr keine andere Aufgabe hat als an den Ball zu kommen. Bevor Angriff den Ball zurückerhält. Bislang geht es gut.

20′ Erste gute Chance im Spiel. Dimo Wache kann einen zweifach abgefälschten Schuss abwehren, was schwer genug gewesen ist, Patrick Helmes schaltet schnell, aber der Winkel ist ungünstig, sodass sein Nachschuss fast an der Eckfahne endet – und es dennoch nur knapp vorbei ist. Gute, weil schnelle Reaktion Helmes‘.

27′ Bo Svensson gewinnt den Zorro-aus-der-Lindenstraße-look-alike-Award. In der letzten Folge, die ich gesehen habe, war Zorro noch dabei. Inzwischen, erfahre ich beim googeln, soll er sein Comeback gegeben haben. Weiß jemand mehr?

35′ Wie ich höre, soll T-Mobile wieder da sein. Aber so wie es aussieht scheint die ARD die Fußballübertragung nicht für diese Nachricht zu unterbrechen. War ihr ja immerhin drei Minuten in der Tagesschau wert. Von 40 Millionen Kunden in Deutschland war die Rede.

Halbzeit 0:0 Das Spiel ist wie eine Scheibe der Dire Straits: technisch anspruchsvoll, aber sterbenslangweilig. Die Mainzer verteidigen schulmäßig: gutes Verschieben in die Breite, richtige Abstände in der Tiefe, wach bei langen Bälle, reaktionsschnell auf kurze Bälle – alles sehr solide. Den Leverkusenern fällt nichts ein, spielen querquerquer, Flanke und Standard zählen wohl nicht zu ihren Mitteln. Immerhin bewahrt das Ergebnis die Spannung. Vielleicht sollte ich mir die nächsten 75 Minuten sparen und mich beim Elfmeterschießen wieder einklinken.

DJ Mehmet legt Justin Timberlake als Pausenmusik im Stadion auf.

55′ Mit AC/DC ist Leverkusen in die zweite Halbzeit geschickt worden, doch wie lange reicht dieser Push? Das Bemühen um Tempo ist Bayer anzusehen, aber Mainz gelingt es geschickt, Leverkusen nicht in die Gefahrzone vordringen zu lassen. #Autobahn zur Hölle

66′ In den verkürzten Tagesthemen in der Pause war übrigens erneut der Netzausfall von T-Mobile eine der Top-Meldungen. Gibts denn nichts anderes zu berichten? Ist das gut getarnte, weil unauffällig wirkende, Schleichwerbung?

75′ Wenigstens auf den Rängen ist was los. Die Mainzer Ultras machen mehr Krach als die Heimfans, denen man aber zugutehalten sollte, dass sie nicht pfeifen. Und sogar die Mainzer Mannschaft hat eben zwei Minuten lang versucht anzugreifen.

81′ Schusschance Vidal, Wache pariert, Nachschuss Rolfes an den Pfosten, Abseitstor Kießling – in drei Sekunden mehr Action als im Rest des Spiels.

82′ Tor für Leverkusen 1:0 Angelos Charisteas Der eingewechselte Joker staubt einen Abpraller Waches ab, der einen harten, unplatzierten Schuss Renato Augustos nicht unter Kontrolle bringt.

88′ Tor für Mainz 1:1 Aristide Bancé Das wird ordentlich Zoff geben! Mainz macht den überraschenden Ausgleich, während Charisteas verletzt im eigenen Strafraum liegt. Mainz spielt einfach weiter, Schiedsrichter Weiner pfeift nicht ab. Leverkusen verteidigt nicht ernsthaft, Adler protestiert mehr, als dass er sich aufs Torhüten konzentriert. Fair Play geht anders. Oder hat Charisteas simuliert?

Zwischenstand nach 90 Minuten 1:1 Die letzten 15 Minuten haben es in sich, weil die Mainzer Kraft nachgelassen hat. Bis dahin ein Spiel ohne Höhepunkte. Bin gespannt, ob die Charisteas-Situation Adrenalin reinbringt.

92′ Tor für Leverkusen 2:1 Arturo Vidal Das ging schnell. Wieder ein Abpraller, nach Kießlings Schuss aus sieben Metern. Vidal fliegt in den hohen Ball. Ob sich Mainz noch was einfallen lässt?

97′ Leverkusen jetzt mit dem Willen, das Spiel zu entscheiden. Kießling vergibt die Chance zum 3:1.

104′ Tor für Leverkusen 3:1 Simon Rolfes Im Anschluss an eine Ecke köpft Friedrich aufs Tor, und aus kurzer Distanz hält Rolfes den Fuß hin. Zuvor lenkte Wache einen Kopfball Friedrichs über die Latte.

117′ Tor für Leverkusen Michael Kadlec 4:1 Mainz gibt den Widerstand nun seit Minuten auf. Kadlec darf sich den Ball einfach durchs Abwehrzentrum legen und Wache ausspielen.

Endstand 4:1 nach Verlängerung 75 Minuten lang verteidigt Mainz schulmäßig und fair, Leverkusen fällt nichts ein, bleibt aber geduldig und konzentriert. Das Motto: steter Tropfen höhlt den Mainzer Stein. Gegen Ende wird der Druck höher, und Charisteas‘ Tor scheint die Entscheidung. Doch Mainz kommt mit seiner einzig guten Chance zum Ausgleich. Die Verlängerung verläuft extrem einseitig. Leverkusen fährt nach Berlin, Berlin, wie sie gerade von ihren Fans erfahren. DJ Mehmet beweist derweil mit „So ein Tag, so wunderschön wie heute“ postmoderne Ironie.

Morgen dann das Nord-Derby HSV gegen Werder. Ich werde im Volkspark sein, hier wird wohl ein anderer live bloggen.

Wenn man den Twitterern glaubt, haben wir allerdings ein historisches Spiel verpasst: Liverpool und Arsenal trennen sich 4:4. 4 Tore Arshavin.

++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++

Vorbericht

In der Hinrunde bediente Bayer Leverkusen die Fußballliebhaber mit feinem, riskantem Spiel und galt bis zur 0:2-Heimniederlage gegen Bayern München Ende November als Mitfavorit auf den Titel. Noch immer spielt Bayer an guten Tagen, wie jüngst gegen Bremen und in Wolfsburg, schön, ist aber auf Rang 9 der Bundesliga abgerutscht. Die internationalen Plätze sind nur mit dem Fernglas zu erspähen, daher ist der DFB-Pokal der „Cup der letzten Hoffnung“ (in der SZ haben wir schon bessere Wortspiele gelesen).

Der Weg scheint frei, denn Bayer hat im ersten Halbfinale ein Heimspiel gegen einen Zweitligisten. Sollte der HSV morgen gegen Bremen gewinnen und sich im Mai für die Champions League qualifizieren, dürfte Leverkusen sogar das Finale verlieren. Und wäre dennoch für die Europa League qualifiziert, so heißt der Uefa-Pokal, der früher Messe-Pokal hieß, im nächsten Jahr. Im Exil Düsseldorf, wo Bayern seit der Rückrunde wegen Umbauarbeiten seine Heimspiele austrägt, gelang noch kein Bundesliga-Sieg. Aber vom Pokal-Viertelfinale, dem überaus ansehnlichen 4:2 gegen die Bayern, zehren die Fans noch heute. Die Vorzeichen stehen gut.

„Die glücklichen Umstände“, schreibt Philipp Selldorf (SZ), „machen aus Leverkusen aber keinen glücklichen Fußballklub.“ Denn der Abwärtstrend ernüchtert die Vereinsführung um Sportdirektor Rudi Völler und Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser zunehmend. Auch Trainer Bruno Labbadia, im Herbst noch als Tabellenführer gefeiert, kann sich internen Rügen nicht mehr entziehen. Man gewinnt den Eindruck, dass Holzhäuser seit Wochen von nichts anderem mehr spricht als vom „besten Kader, den Bayer je hatte“. Ein Wink mit dem Laternenpfahl. Extern hält sich die Kritik jedoch in Grenzen, „Labbadia hat das Glück“, fügt Selldorf an, „im ruhigen Leverkusen auf eine verhaltene öffentliche Meinung zu treffen und auf ein Publikum, das seinen Gefühlen weniger drastisch Ausdruck verleiht als etwa das in Köln, Schalke oder Stuttgart.“

Dem Gegner FSV Mainz 05 ergeht es ähnlich: gut spielen und verlieren. Am Anfang der Saison sah es so aus, als könnte Jörn Andersen den unersetzlich scheinenden Kulttrainer Jürgen Klopp ersetzen. In jüngster Zeit hingegen ist der Herbstmeister FSV auf Platz 3, den Relegationsrang, gefallen. Die letzten vier Heimspiele verliefen sieglos. Zudem wird Mainz seinen Spielmacher Markus Feulner in der kommenden Saison zu Klopps neuen Klub Borussia Dortmund ziehen lassen müssen. „Er ist seit langem eine der Stützen des Teams“, schreibt Uwe Marx in der FAZ. „Seine Eckbälle und Freistöße gelten als fußballerische Waffen.“ Außerdem erfahren wir, dass er sich von einer Dame in den Achtzigern Yoga beibringen lässt, um sich auf den Fußball einzustimmen. Den ganzheitlichen Ansatz verfolgt auch sein Klub, der heute mit einer Überraschung ins Pokalfinale einziehen will, um Mut für den Aufstiegskampf in die Bundesliga zu tanken.