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Falsches Signal: Mitschuld beim Radfahren ohne Helm

 

Erst kürzlich hat sich Verkehrsminister Peter Ramsauer ausdrücklich gegen die Helmpflicht für Radfahrer ausgesprochen. Jetzt versucht das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein sie mit einem Urteil durch die Hintertür einzuführen. Radfahrer tragen bei Unfällen eine Mitschuld, wenn sie ohne Helm unterwegs waren, der ihre Kopfverletzungen gemindert hätte, urteilte am Montag das OLG. Das ist ein falsches Signal an die Rad- und Autofahrer in Deutschland.

Es gibt ausreichend Studien, die Gegner wie Befürworter der Helmpflicht mit Argumenten füttern. Aber die sind gerade gar nicht gefragt. Fakt ist: Deutschland hat keine Helmpflicht. Trotzdem bestraft das OLG eine Radfahrerin dafür, ohne Helm gefahren zu sein. Indirekt trägt sie nun eine Teilschuld am Fehlverhalten einer Autofahrerin. Die klare Botschaft der Richter lautet: Radfahren ist gefährlich. Autos sind bei Zusammenstößen stärker. Wer das als Radler nicht einkalkuliert und sich entsprechend rüstet, ist selbst schuld und muss einen Teil der Kosten tragen.

In der aktuellen Situation ist das OLG-Urteil kontraproduktiv. Gerade erst entdecken Städte und Gemeinden den Radverkehr als wichtiges und nachhaltiges Verkehrsmittel der Zukunft. Allerorts ist es erklärtes Ziel, den Anteil der Radfahrer zu erhöhen. Verkehrsplaner verlegen die Velospuren auf die Straße und bemühen sich, durch Rücksicht-Kampagnen das Klima auf der Straße zu verbessern.

Das ist dringend notwendig. Nachdem jahrzehntelang der Rad- und Autoverkehr separiert verlief, teilt mancher Autofahrer nun nicht gern seinen angestammten Platz auf der Fahrbahn. Andere rechnen erst gar nicht mit Radfahrern auf ihrer Spur. Indem das OLG den pädagogischen Zeigefinger hebt und auf den Kopfschutz pocht, bestärkt es die Autofahrer in ihrer Wahrnehmung. Die Richter verzeihen ihnen potenzielle Fahrfehler und rauben im Gegenzug den Radfahrern die Entscheidungsfreiheit. Das geht zu weit. Noch darf jeder Radfahrer die Wahl für oder gegen den Helm selbstständig treffen. Dieses Recht umzusetzen, ist Aufgabe des Gerichts.

Noch schwerer wiegt, dass die Ursache des Problems in der Urteilsbegründung verschwimmt:

Sie [die Radfahrer] seien im täglichen Straßenverkehr einem besonderen Verletzungsrisiko ausgesetzt. Es sei unzweifelhaft, dass ein Helm vor Kopfverletzungen schütze, auch sei die Anschaffung wirtschaftlich zumutbar. „Daher kann nach dem heutigen Erkenntnisstand grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass ein verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens beim Radfahren einen Helm tragen wird“, schlussfolgerten die Richter.

Dass Radfahrer einem besonderen Verletzungsrisiko ausgesetzt sind, liegt nicht am fehlenden Helm, sondern an fehlender Achtsamkeit und Aufmerksamkeit seitens der Autofahrer. Auf diesen Umstand sollten sich die Beteiligten konzentrieren. In Amerika sind im vergangenen Jahr die Städte New York und Boston mit großen Kampagnen gegen die sogenannten Dooring-Unfälle vorgegangen – also Stürze von Radfahrern, weil ein unachtsamer Autofahrer plötzlich die Autotür geöffnet hatte. Eine Aktion war die Look-Kampagne, der Bericht darüber steht hier. Der ADFC hat in Deutschland erst kürzlich mit den hiesigen Taxifahrern nachgezogen, darüber haben wir hier auch berichtet.

Statt Radfahrern einen Helm aufzuzwingen, sollten Autofahrer sensibilisiert werden, stärker auf Fußgänger und Radfahrer zu achten. Das Mittel der Wahl kann nicht sein, sich als schwacher Verkehrsteilnehmer möglichst gut vor den stärkeren zu schützen, sondern dass alle Beteiligten wachsam und respektvoll miteinander umgehen, damit alle unversehrt ihr Ziel erreichen.