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Ein Fahrrad für Genussfahrer

 

Velotraum: Ein Fahrrad für Genussfahrer
In der Ausstattung mit XTR-Shimano-Kettenschaltung und hydraulischen Scheibenbremsen kostet der Finder etwa 2.800 Euro. © Reidl

Die erste Fahrt auf einem neuen Rad ist immer spannend. Schließlich ist ein Fahrrad mehr als die Summe seiner Teile. Je besser es technisch und ergonomisch zu seinem Fahrer passt, umso mehr Spaß macht es dem Nutzer. Bei dem neuen Finder von Velotraum war die Spannung besonders groß. Schließlich hat sich das Team um Stefan Stiener etwas Neues ausgedacht: ein Zwischending zwischen Fatbike und Reiserad. Ich habe es ausprobiert.

Der Himmel ist blau, die Bäume sind bunt und es ist windstill. Ideales Wetter zum Radfahren. Wir sind zu fünft bei dieser Ausfahrt und wollen ins Gelände. Der Finder macht ab den ersten Metern Eindruck. Er fährt sich butterweich. Das liegt an den breiten Reifen, die etwa eine Nummer kleiner sind als die breiten Fatbike-Reifen. Im Gegensatz zu einem Fatbike fährt sich der Finder eher wie ein wendiges Reiserad. Trotz der dicken Super-Moto-X-Mäntel von Schwalbe rollt es extrem leicht über den Asphalt.

Das glatte Profil ist für Fahrten durchs Gelände nicht perfekt. Aber wir sind in der Heidelandschaft eher auf Sandpisten unterwegs, und hier schlägt sich der Finder auch mit glattem Profil erstaunlich gut.

Vor allem ist das Rad komfortabel. Seit ich vor zwei Jahren einen Bandscheibenvorfall hatte, ist Fahrkomfort für mich sehr wichtig. Normalerweise fahre ich ein 29er Mountainbike, das Unebenheiten im Gelände bereits gut ausgleicht. Der Finder erhöht für mich den Fahrspaß nochmal. Das Rad ist sehr agil, puffert aber die kleinen Stöße ab, die sonst jede Abfahrt begleiten. Dieses eher weiche Fahrgefühl gefällt sicherlich nicht jedem. Für mich ist es ein Pluspunkt. Ich kann mit dem Rad bedeutend länger im Gelände schmerzfrei unterwegs sein als mit meinem Mountainbike.

Auch bergauf kann ich im leichten Geröll und auf Wurzelpassagen in der Gruppe gut mithalten – trotz mangelndem Profil. Hier zeigen sich die Vorteile der neuen 27,5-Zoll- oder auch 650B-Plus-Bereifung. Diese neue Reifengröße war ein Highlight der Eurobike 2015. Sie ist die Weiterentwicklung der Reifengröße 650B, die vor einigen Jahren für Mountainbikes als guter Kompromiss zwischen 26- und 29-Zoll-Laufrädern modern wurde.

Reifenformat 650B-Plus: So breit wie ein Trinkflaschendeckel © Reidl
Reifenformat 650B-Plus: So breit wie ein Trinkflaschendeckel © Reidl

Mountainbikes mit 650B-Laufrädern sind insgesamt wendiger als 29-Zoll-Laufräder, was vielen Radfahrern für den Fahrspaß wichtig ist. Zugleich haben sie aber mehr Grip als die kleinere Version. In der Plus-Version wird der 650B-Durchmesser kombiniert mit bis zu 50 mm breiten Felgen und drei Zoll breiten Reifen. So kann man sie noch bei einem sehr niedrigen Luftdruck unter 1,0 bar fahren. Der Vorteil: Die Reifen haben eine bedeutend größere Auflagefläche. „Das neue Reifenformat hat zirka 26 Prozent mehr Volumen im Vergleich zu Reifen mit 2,15 bis 2,3 Zoll Breite“, erklärt Velotraum-Chef Stefan Stiener.

Auf der Straße wiederum, mit prall gefüllten Mänteln, ist der Finder das perfekte Reiserad. Man kann mit ihm gut Tempo machen, und die Reifen ersetzen die fehlende Federgabel. Mit Gepäck war ich auf dem Finder vom Gefühl her fast genauso schnell unterwegs wie auf meinem Reiserad mit 28-Zoll-Laufrädern. Der Unterschied: Der Finder ist komfortabler.

© Reidl
© Reidl

 

© Reidl
© Reidl

Sein blauer Rahmen erinnert an ein Stück Himmel. Die Farbe hat sein Besitzer ausgewählt, Walter Lauter. Er ist Viel- und Extremfahrer, gern abseits von ausgefahrenen Wegen unterwegs. Für einige Wochen hat er auf sein Rad verzichtet, damit ich es testen konnte. Allerdings mit leicht modifizierter Ausrüstung. Statt mit Rohloff-Schaltung und Stollenreifen war ich mit einer XTR-Shimano-Kettenschaltung, hydraulischen Scheibenbremsen und den Super-Moto-X-Reifen unterwegs. Schließlich wollte ich überwiegend auf der Straße fahren und nicht querfeldein, was mit dem Rad und Stollenreifen durchaus geht.

Mein Fazit nach zwei Wochen: Mit dem Finder würde ich auf Weltreise gehen. Es ist ein Sorglosfahrrad, das sich über weite Schotterpisten ebenso komfortabel fährt wie über Asphaltstraßen.

Allerdings muss man das Fahrgefühl mögen. Der Finder fährt sich sehr weich, sehr komfortabel, sehr relaxed. Es ist ein Rad fürs entschleunigte Reisen. Ein Fahrrad für Genussfahrer. Wer schnell ankommen will, wird mit ihm wahrscheinlich nicht glücklich.

Schutzbleche gibt es für diese Reifenbreite noch als  Serienmodell © Reidl
Schutzbleche gibt es für diese Reifenbreite als Serienmodelle © Reidl