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Terror im übertragenen Sinne

William J.T. Mitchell © Foto: Amélie Losier

Klingt nach einem ungewöhnlichen Vortrag: Der Bildwissenschaftler William J.T. Mitchell referiert am HAU1 über das Konzept des historisch Unheimlichen.

Den Mittwochsvortrag des Zentrum für Literatur- und Kulturforschung übernimmt heute William J.T. Mitchell. Der hat das Konzept des historisch Unheimlichen an der Schnittstelle von Literatur und Geschichtsdiskurs untersucht. Er versteht darunter einen Grenzbereich von Realität und Fantasie. In der Literatur hat das historisch Unheimliche seinen festen Platz in Detektivgeschichten und dem fantastischen Roman. Die Geschichte aber bekämpft es – vorzugsweise mit dem Motiv der Wiederholung. Weiter„Terror im übertragenen Sinne“

 

Kleine Irritation

Jens Nordmann, 0123456789, 2011 © NH/Filter

Jens Nordmann hat das Kunstschaufenster Sox auf der Oranienstraße verbarrikadiert; Glasperlen funkeln in den Astlöchern des Holzes. Die Arbeit 0123456789 verwandelt die Vitrine in privaten Raum und lässt irritierte Passanten außen vor. Eine nette Unterbrechung im hektischen Treiben.

noch bis zum 26. Juni 2011 | Sox | Oranienstraße 175  |  Berlin Kreuzberg

 

Guter Skulpturbrei

Manfred Pernice, Ohne Titel (Strehla), 2010 (Detail) © NH/Filter

Der Bildhauer Manfred Pernice verwandelt den Kunstraum MD 72 in eine Ausstellungsinstallation.

Weil Kitty Kraus beim Ausstellungsbesuch in der Galerie Neu gerade nicht unter Strom stand, war es viel spannender den Mitarbeitern beim Auftürmen der Sockel von Manfred Pernice zuzuschauen. Die Objekte aus oft in ausgewaschenen Farben bemaltem Holz sieht man derzeit ziemlich häufig in Ausstellungen und auf Messen. Interessant daran ist, wie sie im Werk des Berliner Bildhauers funktionieren, etwa wenn sie eine tragende Rolle spielen. So zu sehen bei MD 72 in der Einzelausstellung Liquidation 2.2; Pernice hat den repräsentativen Altbau in eine Mischung aus Heimatmuseum und Trödelladen verwandelt. Weiter„Guter Skulpturbrei“

 

Spontandemonstration, noch jemand?

Der Bürgerinitiativengenerator in Aktion © NH/Filter

In einer halben Stunde von der politischen Idee zur funktionierenden Bewegung – der Bürgerinitiativengenerator machts möglich.

Wer den 1. Mai warum in Kreuzberg verbrachte, war nicht immer ersichtlich. Um das Kottbusser Tor ging es jedenfalls voll, laut und alkoholschwanger zu. Einzig beim Bürgerinitiativengenerator (BIG) herrschte konzentrierte Ruhe: Denn hier produzierte die Theorie- und Praxisgemeinschaft Dr. Fahimi Demonstrationen am laufenden Band. Weiter„Spontandemonstration, noch jemand?“

 

Ein letzter Blick auf Agathe Fleury

Agathe Fleury, o.T. (le tetraedre), 2011 (Detail) © Foto: Ludovic Jecker, Courtesy Galerie Kwadrat

Bei Kwadrat endet die Einzelausstellung La Division de Cassini – leider.

Die französische Künstlerin Agathe Fleury hat in Berlin mit einer ganz schön starken Einzelausstellung debütiert. Von den schwarzen Siebdrucken auf dunklem Grund über die Videoarbeit Dilemma bis hin zu den raffinierten Skulpturen – auf den ersten Blick zeichnet die Exponate kühle Präzision aus. Erst bei näherer Betrachtung zeigt sich die Zerbrechlichkeit, die im Titel La Division de Cassini mitschwingt. Denn Fleury spannt Münzen zu Bögen, türmt Luftgewehr-Kugeln zu Pyramiden oder zerstanzt Baustangen bis zum Funktionsverlust. Immer schwebt der drohende Zusammenbruch über den Objekten, die Anspannung ist buchstäblich greifbar.

17 Uhr | 25. April 2011 | Kwadrat | Adalbertstraße 20 | Berlin Kreuzberg

 

Kunst in allen Parzellen

Performance von Awst & Walther
Performance von Awst & Walther 2011 © NH/Filter

In der Kleingartensiedlung am Gleisdreck geht’s heute wild zur Sache: Dort mischt die Multi-Intervention A moveable Feast die Gruppenausstellung Stay Hungry #4 auf.

Nachdem die letzte Ausstellung buchstäblich ins Wasser fiel, kann heute gar nichts mehr schiefgehen – oder gibt’s was Verlockenderes als mit Kunst im Freien ins verlängerte Wochenende zu starten?

Zur vierten Eröffnung der Kleingarten-Ausstellungsserie Stay Hungry präsentieren die Kuratoren Theo Ligthart and Anna Redeker works in progress, unter anderem von den Künstlern Stella GeppertBernd Trasberger und Simon Wachsmuth. Die Arbeiten beziehen sich wie gehabt auf den besonderen stadträumlichen Kontext; sozusagen als Anti-Modell zur Kunst im öffentlichen Raum.

Um neun nimmt die Kontemplation von Stay Hungry ein jähes Ende. Dann brechen die Kuratoren Emilie Trice und Carson Chan mit A Moveable Feast in die Schrebergarten-Kunstidylle. Dabei handelt es sich um ein kuratiertes Durcheinander an Kunstperformances, Musikdarbietungen und Installationen von Musikern, Künstlern und jetzt das Beste: kreativen Umweltaktivisten. Zu dem Chaos tragen neben vielen anderen bei Manon Awst & Benjamin WaltherSantiago Taccetti CaBoume oder Iku Sakan.

21  Uhr | 21. April 2011 | POG Kleingärten am Gleisdreieck | Zugang Bülowstraße / Dennewitzstraße | Berlin Kreuzberg

P.S. Es war ein grandioser Abend: einfallsreiche Performances und gute Arbeiten in einem außergewöhnlichen Setting.

 

Glaubensfrage am HAU

© kallejipp / photocase.com

Das Gespenst des Kapitals: Der Literaturwissenschaftler Joseph Vogl und der Kunsthistoriker Beat Wyss unterhalten sich über Markt und Kunst.

Die Diskussion verspricht gehaltvoll zu werden. Denn Vogl hat mit Das Gespenst des Kapitals (2011) gerade den Essay der Stunde geschrieben. Darin entlarvt der Literaturwissenschaftler den Vernunftglauben der kapitalistischen Wirtschaft als frommen Wunsch.

Die Finanzkrise hat nicht nur unsere Abhängigkeit von der Ökonomie demonstriert, sondern auch unseren Glauben in die Wirtschaft erschüttert. Genau dieser Glauben ist laut Vogl das Problem. Besser wäre, wir wüssten Bescheid. Wir aber glauben der Wirtschaft und die Wirtschaftslehre glaubt einfach mal an einen Markt mit rationalen Agenten, der sich in einer wohlwollenden Weise reguliert – mit fairem Wettbewerb und so. Dass und warum die Finanzwirtschaft aber nicht mit rationaler Logik operiert, sondern mit „systemerhaltender Unvernunft“, erklärt der Essay ziemlich einleuchtend.

Ginge es nach Vogl, sollten wir jedenfalls schleunigst unsere Märkte differenzieren anstatt das gleiche Wettbewerbsprinzip auf alles anzuwenden. Was das für die Kunst bedeuten kann, klärt er im Gespräch mit Beat Wyss über Wertmaximierung und Kunst als Wertanlage.

19.30 Uhr | 18. April 2011 | HAU 1 | Stresemannstraße 29 | Berlin Kreuzberg

 

Der Körper als Schauplatz sozialer Ungerechtigkeit

Rotulo © Renata Marques

Das Festival Move Berlim präsentiert neuen brasilianischen Tanz.

Die eingeladenen Choreographen und Tänzer kommen aus den unterschiedlichsten Regionen Brasiliens. Zehn Tage zeigen sie am HAU neue Produktionen – und machen den Körper wahlweise zum Schauplatz sozialer Ungerechtigkeit oder zur Projektionsfläche für Schönheitsideale.

Die Kuratoren Wagner Carvalho und Björn Dirk Schlüter haben sich für  harte Themen entschieden. Die Stücke handeln von Armut und Bürgerkrieg, Sexualität und Behinderung. Nicht um der Sensation willen, sondern weil diese Direktheit den brasilianischen Tanz auszeichnet, erklären die Kuratoren. Aber darüber lässt sich bestimmt noch einmal bei einer der Podiumsdiskussionen streiten, die nach den Auftritten stattfinden. Ansonsten bleiben diverse Workshops und Performances, die andere Facetten der zeitgenössischen Tanzszene betrachten. Hier das Programm.

Erst einmal eröffnet der Choreograf Marcelo Evelin das Festival mit seinem Stück Mataduro (Schlachthof). Es basiert auf dem Roman Krieg im Sertao (1902) von Euclides da Cunha über den blutigen Kampf zwischen der herrschenden Klasse und ehemals versklavten Schwarzen im ausgehenden 19. Jahrhundert. Die Tänzer verkörpern das gewaltsame Kräftemessen zwischen Unterdrückern und Unterdrückten. Nackt.

Einen weniger rabiaten Einstieg bietet am Wochenende die Doppelperformance von Paula Carneira Dias und Charlene Sadd: In Para o Herói: Experimentos sem Nenhum Caráter – Corpo sobre Papel (Für den Helden: Experimente ohne jeglichen Charakter – Körper auf Papier) absorbiert die Performerin die Charaktere des Textes, über den ihr Körper gleitet. Dabei handelt es sich um den Roman Macunaíma (1928) mit dem Mário de Andrade gegen die Kolonialära anschrieb.

Und in der Performance Rotulo – As Impressoes do Corpo ( Etikett – die Eindrücke des Körpers) setzt sich Sadd mit dem Körper als Ware auf dem Markt des sozialen Zusammenlebens auseinander, dem Wert des Erscheinungsbildes sowie den Mechanismen der Vermarktung. Dabei stehen die ästhetischen Anforderungen an den weiblichen Körper im Vordergrund.

18 Uhr | 09. & 10. April 2011 | HAU 3 | Tempelhofer Ufer 10 | Berlin Kreuzberg

 

Films from the backstage

Im Kino Moviemento gastiert das Musikfilmfestival IN-EDIT.

Ursprünglich kommt das Festival aus dem spanisch-sprachigen Raum. Jetzt will In-Edit auch Berlin erobern. Vom 05. bis zum 10. April laufen im Moviemento daher allabendlich unterschiedlichste Musikdokumentationen, etwa über Feist und José Gonzáles, Hamburger Musikgeschichte, die Punkszene Pekings oder William S. Burroughs. In dem Programm mit den Sparten ‚Hidden Legends and Shiny Stars‘, ‚International Underground‘ und ‚Archive Gems‘ dürfte für jeden was dabei sein, der für das Genre was übrig hat. Sonderveranstaltungen und weitere Vorführungen finden außerdem im .HBC statt.

ab 18 Uhr | 05. April 2011Moviemento | Kottbusser Damm 22 | Berlin Kreuzberg

 

Lebensrettende Musik

Patrick Wolf feiert im Lido.

Der Londoner Patrick Wolf macht intelligenten Pop. Und weil der Komponist, Multiinstrumentalist und Sänger außerdem ein großartiger Entertainer ist, gibt es im Verkauf keine Karten mehr. Hartnäckige können es vor der Tür versuchen, für den Rest bleiben ein Interview mit ZEIT ONLINE sowie Wolfs Hymne gegen die Rezession und für die Liebe: The City ist eine Auskopplung aus seinem neuen Album Lupercalia.

21 Uhr | 05. April 2011 | Lido | Cuvrystraße 7 | Berlin Kreuzberg