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Sie hassen uns nicht

 

Jedenfalls nicht für das, was wir sind, sondern wenn schon, dann für das, was wir tun. Will eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Gallup herausgefunden haben, von der die WELT heute berichtet:
Die in diesem Umfang und auf diesem Feld beispiellose Untersuchung nahm ihren Anfang unmittelbar nach den Anschlägen vom 11.September und hat Überraschendes zutage gefördert. Etwa dies: Im Iran sprachen sich 85 Prozent der Befragten für die Gleichberechtigung von Mann und Frau aus, in Indonesien sogar 90 Prozent, und selbst im rigiden, patriarchalischen Wüstenstaat Saudi-Arabien waren es noch 61 Prozent.
Verehrung für technologischen Fortschritt und westliche Freiheiten
Oder dies: Muslime in zehn arabisch-islamischen Kernstaaten gaben zu Protokoll, was sie am „Westen“ am meisten verehrten: Technologischer Fortschritt steht da an erster Stelle, dicht gefolgt von der freien Meinungsäußerung, der freien Ausübung der Religion und der parlamentarischen Demokratie, die sich auf eine Verfassung stützt.
Interessant auch, dass die sieben Prozent der Befragten, die sich selbst als „politisch radikal“ einstufen, eine deutlich bessere Bildung aufzuweisen haben als die Mehrheit ihrer Glaubensbrüder. Sie verfügen über überdurchschnittliche Einkommen und über ein sehr waches politisches Bewusstsein, verfallen aber angesichts der trostlosen Lage der Bürgerrechte in ihren eigenen Gesellschaften öfter als ihre moderaten Zeitgenossen in Zynismus und eben Radikalität.
„Selbst die Sympathisanten des islamistischen Terrorismus hassen nicht unsere Freiheit, sie wollen unsere Freiheit, um sich selbst entfalten zu können“, sagt die Muslimin und Co-Autorin Dalia Mogahed über die sieben Prozent „politisch radikalisierter“ Muslime, die die Terroranschläge vom 11.September 2001 rechtfertigen.

Ihr Kollege Esposito sekundiert: „Sie hassen uns nicht für das, was wir sind, sondern für das, was wir tun.“ Antiamerikanismus speise sich nicht aus der Abscheu gegenüber westlichen Werten und Prinzipien, sondern aus dem, was die Muslime an konkreter US-Außenpolitik am eigenen Leib erführen. Konkret heißt das: Parteilichkeit im Nahost-Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern zugunsten Ersterer sowie die Unterstützung mehr oder weniger offen diktatorischer islamischer Regime wie Ägypten, Pakistan und Saudi-Arabien.
So sehr die Muslime offenbar westliche Werte schätzen, so wenig halten sie die westliche Leitmacht USA für einen vertrauenswürdigen Protagonisten des Werteexports. Lediglich die Hälfte aller befragten Muslime glauben, dass die Amerikaner tatsächlich demokratische Strukturen in der arabisch-islamischen Welt verankern wollen. 24 Prozent der Ägypter und Jordanier und gar nur 16 Prozent der Türken vertrauen in dieser Frage auf Washingtons Außenpolitik. 81 Prozent der befragten Radikalen und 67 Prozent der politisch Gemäßigten sehen die USA als aggressive Macht, verachten ihren „Unilateralismus“ und ihre „Arroganz“.