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Amerikanisches Krisentagebuch VII

 

Starbucks schließt 600 Läden in Amerika. Der Profit ist im Vergleich zum Vorjahr um 97 Prozent gefallen. 1000 Angestellte werden entlassen. Zugleich berichtet McDonalds, dass sein Premium-Kaffeprogramm dem Konzern neue Gewinne bringt. Hier bekommt man den Latte deutlich günstiger als bei Starbucks. Die gut verdienende Mittelschicht fängt an, bei den kleinen Freuden des Lebens zu sparen.

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In der Kirche, deren Gottesdienst ich besuche, wird an diesem Sonntag nach der Wahl bei den Fürbitten für diejenigen gebetet, die „vom Wahlausgang verbittert und verzweifelt zurückgelassen worden sind“. Auch das gehört zum Verhältnis von Religion und Politik in Amerika: Es muss  keineswegs immer auf erbitterten Kulturkampf herauslaufen. Religion kann eine zivigesellschaftliche Resource für Zusammenhalt sein.

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General Motors und zwanzig andere größere Firmen haben begonnen, die Zahlungen für die betriebliche Alterversorgung (401(k)) auszusetzen. Seit dem 11. September hat es das nicht mehr gegeben. Die Menschen haben ohnehin schon Verluste zu verkraften, weil die Pensionspläne meist in den Aktienmarkt investiert sind. Jetzt wird der Arbeitgeberanteil schlichtweg nicht mehr eingezahlt. Man kann sich ungefähr ausmalen, was das für die Konsumbereitschaft der Leute vor Weihnachten bedeuten wird.

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Die Konsumgesellschaft konsumiert nicht mehr. Einer der größten Elektronikhändler, Circuit City, ist bankrott. General Motors steht vor dem Bankrott und verlangt sofortige Geldspritzen aus dem „Bailout-Fund“ der Regierung, der eigentlich das Finanzsystem stützen sollte. Autoverkäufe sind im dritten Quartal (!) um 32 Prozent gefallen. Die Ausgaben der Konsumenten werden im nächsten Jahr voraussichtlich zum ersten Mal seit 1980 zurückgehen, und zwar um die größte Summe seit dem Jahr 1942. Ob daraus Konsequenzen für die amerikanische Mentalität erfolgen? Vielleicht wird sich alles wieder umkehren beim ersten Zeichen, dass die Krise doch nicht so tief geht und so lange dauert wie befürchtet. Aber vielleicht ist es diesmal anders.

Roger Cohen schreibt in der Times: „It would be an exaggeration to say people are happier now that we have less money, but accurate to say there’s a surfacing of shame about the extent of our spend-spend-spend excesses.

The check on this shopping spree stands at $2.6 trillion in American personal debt. That’s a staggering sum.

You can’t wish away debt with a magic wand. The toll for all those home-equity paid Disney vacations will be heavy. Yet I would resist the temptation to say that economic crisis defines our times. No, as Bill Clinton might have said, “It’s the culture, stupid.”

The culture that said the most patriotic act was to shop. The culture that sent the best and the brightest to Wall Street to concoct toxic securities. The culture that said there was no need to balance individual rights and community needs. The culture that replaced thrift with thrills and hope with hype. The culture that said a country at war is not a country that needs to pull together in sacrifice.

Goodbye to all that.“