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Wenn die Sarazenen kommen

 

Mit meinem Nachnamen sollte man ja eher vorsichtig sein, wenn es um Namenswitze geht. (Was habe ich nicht schon gelitten seit Grundschultagen!) Aber jetzt muss ich doch noch mal was zum Namen Sarrazin loswerden.
Es wirkt jafast ein bisschen bizarr, dass der Mann, der die „Eroberung durch Geburtenrate“ zum Thema gemacht hat, den Namen jenes Volksstammes trägt, der im Mittelalter zum Inbegriff der christlichen Islampolemik wurde: der Sarazenen nämlich. Einem Schriftsteller würde man eine solche Erfindung nicht durchgehen lassen: zu dick aufgetragen, mein Lieber!

Erhard_Reuwich_Sarazenen_1486

Auf dieser Abbildung aus dem Jahr 1486 sieht man die Tracht der männlichen und weiblichen „Sarazenen“, inklusive Burka und Turban, wie sie von Erhard Reuwich dargestellt wurde.

In Wikipedia gibt es zum Begriff zu lesen:

„Die Bedeutung wurde seit der Spätantike sukzessive erweitert, zuerst auf die übrigen arabischen Stämme der vorislamischen Zeit (Eusebius, Hieronymus), und dann im Laufe der kriegerischen Auseinandersetzungen mit maurischen und arabischen Armeen in Europa auf die islamischen Völkerschaften schlechthin. In dieser erweiterten Bedeutung wurde das Wort seit der Zeit der Kreuzzüge aus dem Griechischen und Lateinischen auch in die europäischen Volkssprachen übernommen.

Der Gebrauch im christlichen Schrifttum war hierbei geprägt von einer die bezeichneten Völker abwertenden, gelehrten Volksetymologie. Bereits bei Hieronymus und Sozomenos, also in vorislamischer Zeit, erscheint die Worterklärung, dass die Agarener (oder Hagarener), die Nachfahren der Hagar, der verstoßenen Sklavin und Nebenfrau Abrahams, sich fälschlich als „Sarazenen“ bezeichnet hätten, um sich als Abkömmlinge der Sarah, der Freien und Ehefrau Abrahams auszugeben und sich dadurch aufzuwerten. Diese Worterklärung, die die Sarazenen als verkappte Agarener, und damit in Anknüpfung an die paulinische Deutung des alttestamentlichen Themas (Gal. 4,21-31) als Angehörige eines von Gott heilsgeschichtlich verstoßenen Volkes deutete, wurde bei den christlichen Autoren des Mittelalters seit dem Aufkommen des Islam zu einem anti-islamischen Topos, der in der europäischen Literatur über die Kreuzzüge und den Islam weitere Verbreitung erlangte.“

Irgendwie doch verdammt lustig, diese Koinzidenz: Der Mann trägt den Namen, mit dem man abwehrend und abwertend die dunkelhäutigen Muslime bezeichnete, die im Zuge des Eroberungsfeldzugs der Mauren nach Europa kamen.

A propos Eroberung durch Geburten: Deutsche in Berlin haben eine Geburtenrate von 1,2 Kindern, Araber und Türken in der Hauptstadt eine Rate von 2 Kindern pro Familie. Die Kollegen vom Stern weisen in ihrer morgen erscheinenden, exzellenten Ausgabe darauf hin, dass die Sarazenen, wenn dies so bleibe, mehrere hundert Jahre für ihr Projekt bräuchten.

Der Stern hat die wesentlichen Aussagen Sarrazins einem Faktencheck unterzogen. So viel kann ich verraten: es bleibt nicht viel übrig. (Vielleicht stellen die Kollegen die Sache ja auch mal online?)