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Warum Ägypten besser keine Demokratie werden sollte

 

Seit das lachhafte Wahlergebnis in Ägypten bekannt wurde, stelle ich mir auch diese Frage, die Leon Wieseltier jetzt in der New Republic offen angeht: Haben wir das Konzept Demokratie für Ägypten aufgegeben?

Anders lässt sich ja kaum erklären, dass dieser Wahlbetrug, der ebenso dreist ist wie der iranische  im letzten Jahr, bei uns keine Schlagzeilen macht.

Der Unterschied liegt auf der  Hand: In Ägypten hält ein säkulares Regime (na ja…) die Muslimbrüder unter der Knute. Im Iran hat ein klerikalfaschistoides Mullahregime eine Opposition unterdrückt, die eine Öffnung des Systems wollte (wenn auch viele in der Grünen Bewegung eben nicht die Abschaffung des Regimes wollten).

Also im Klartext ist unsere Haltung mittlerweile so: Demokratie nicht für alle im Nahen Osten, sondern nur dort, wo wir sicher sein können, dass sie nicht Islamisten an die Macht bringt. Auch aus Amerika war zu den Wahlen in Ägypten merkwürdig wenig zu hören. Hier hat von Bush zu Obama eine kuriose Wandlung stattgefunden. Bushs Demokratieagenda hatte Mubarak dazu gezwungen, die Wahlen so weit zu öffnen, dass 88 Muslimbrüder erstmals ins Parlament gewählt werden konnten (wobei sie natürlich als „Unabhängige“ kandidierten, um den Anschein zu wahren). Bush war gut für die Muslimbrüder.

Obama aber hat die Demokratieagenda stillschweigend aufgegeben. Nicht einmal angesichts der iranischen „Wahlen“ ließ er sich sehr laut vernehmen. Und dadurch fühlt sich nun Mubarak berechtigt, seine Unterdrückung der MB knallhart durchzuziehen wie in alten Zeiten. Das ist natürlich auch Vorbereitung für den Machtwechsel. Sein Sohn soll bei der Wahl im nächsten Jahr das Zepter übernehmen. Und die Opposition weiß jetzt schon mal, wie das laufen wird. Ironie: Obama, mit seiner Politik der offenen Hand, ist schlecht für die Muslimbrüder.

Das ist die Lage. Ich muss sagen, dass es mir schwer fällt, prinzipiell dagegen zu argumentieren. Ich fürchte mich vor einem Ägypten, das von der MB regiert wird, genau wie Leon Wieseltier.

The authoritarian immobilism of the Mubarak regime lacks all legitimacy. But in view of the alternative, does it lack all utility? The question is not cynical. The parliamentary elections last week were preceded by a repression: Mubarak’s National Democratic Party cracked down on the Muslim Brotherhood, arresting 1,200 of its supporters and barring some of its candidates from running. Then came the election, in which the Muslim Brotherhood, which had 88 members in parliament, discovered that its number of seats had been reduced to zero. This wild fraud is a premonition of what awaits Egypt in its presidential election next year. The outrage is obvious. But so is the complication. In standing up for the opposition, for the victims of the dictator, we are standing up for the Muslim Brotherhood. Consider the consequences of its ascension to power. There can be no doubt about the undemocratic uses that the Muslim Brotherhood has for democracy: Egypt will have been opened up to be shut down. I know that the smart thing to say about these religious radicals (and about others in the Middle East) is that they are sophisticated and pragmatic and themselves agents of a kind of modernization—this view made its appearance many decades ago in the conclusion of Richard P. Mitchell’s extraordinary study The Society of the Muslim Brothers, where, pointing to the Brothers’ “Western-type suits” and their acceptance of science and technology, he declared that they represent “an effort to reinstitutionalize religious life for those whose commitment to the tradition and religion is still great, but who at the same time are already effectively touched by the forces of Westernization”—but this is an anti-modern modernity; an adaptation, not a transformation. Political theology has always been a mixture of inflexibility in beliefs and flexibility in tactics. The effects of a Muslim Brotherhood regime upon Egypt’s relations with Israel, and therefore upon the stability of the entire region, may also be devastating. Israel already endures two borders with hostile Islamist theocrats. Should it endure a third such border, and with the largest Arab state? The incommensurability of values, indeed. This seems like a choice between democracy and peace.

Andererseits: Das undemokratische islamische Regime  Saudi-Arabiens hat uns den modernen Terrorismus im Namen des Islams beschert. Von dort kommen die meisten Attentäter, von dort kommt immer noch das meiste Geld für den Terror.

Ägypten ist unter Mubarak eine Hölle, was die Menschenrechte angeht. Und die Islamisierung des Landes hat schon mit Duldung des „säkularen“ Regimes begonnen. Es ist also nicht so, dass man in Mubarak einen Garanten der Zivilität hat. Gut möglich, dass dieser Pharao auf westlicher Payroll mit seiner Repressionspolitik auf lange Sicht einen zweiten Iran schafft.