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Die breite Blutspur des Rechtsextremismus

 

Vor etwas mehr als einem Jahr hat die ZEIT in Zusammenarbeit mit dem Tagesspiegel eine Liste der Opfer rechtsextremistischer und rassistischer Gewalt seit der Wiedervereinigung veröffentlicht. In der Liste, die auf Polizeistatistiken und Zeitungsmeldungen beruht, waren 137 Opfer aufgehzählt. Nun ist die Liste von der Stern-Redaktion „Mut gegen rechte Gewalt“ und der Amadeu Antonio Stiftung aufgrund neuer Recherchen aktualisiert und ergänzt worden – auch um die Opfer des „Zwickauer Trios“. Sie umfasst bisher 182 Ermordete.

Die Bundesregierung erkannte bisher aber nur 47 Opfer als Folge „politisch motivierter Kriminalität“ an.

In einer Pressemitteilung des Bundestages vom 13. Oktober 2011 antwortet die Bundesregierung auf eine Anfrage der LINKEN zum Thema:

„Die Tatsache, dass ein Täter oder Tatverdächtiger aus dem rechten Milieu stammt, reicht aus Sicht der Bundesregierung allein nicht aus, um ein Delikt als rechtsextremistisch motiviert zu bewerten und entsprechend als Fall ‚Politisch motivierte Kriminalität‘ (PMK) zu klassifizieren.“

Hm. Sicher. Wenn der Rechtsextreme einen Versicherungsbetrug begeht, dann ist das nicht notwendiger Weise PMK. (Außer er verwendet das Geld für poltische Zwecke.)

Aber die etwas schnoddrige Kleinrechnerei der Opferzahlen rechtsextremer Gewalt fasst einen dieser Tage merkwürdig an: Irgendwie habe ich das Gefühl, die Aussage der Regierung führt zum Kern des Aufklärungsproblems der Mordserie, die wir gerade debattieren.

Wenn es zu den Überzeugungen des „rechten Milieus“ gehört, dass türkische Einwanderer (oder solche, die man dafür halten könnte) per se kein Lebensrecht haben und es – „Taten statt Worte“- an der Zeit ist, danach zu handeln, ist das dann etwa nicht „politisch motivierte Kriminalität“? Vielleicht nicht im gleichen Sinn wie bei der RAF, die niemals um längliche, wortreiche Rechtfertigungen verlegen war.

Aber es ist hier doch eine politische Einstellung, die Mord und Totschlag rechtfertigt. Dasselbe gilt übrigens für die zahlreichen Taten an Obdachlosen, Sozialhilfeempfängern oder Dunkelhäutigen.
Ich zitiere hier mal ein paar Fälle aus dem Jahr 2000 aus der Liste, nur um die schockierende Breite der Gewaltspur zu dokumentieren:


115. Bernd Schmidt, 52 Jahre, obdachloser Glasdesigner

Er wurde in seiner Baracke in Weißwasser (Sachsen) von zwei 15-jährigen und einem 16-jährigen Jugendlichen über einen Zeitraum von drei Tagen zu Tode geprügelt. Sie wollten 900 DM für ein Moped erpressen, doch Bernd Schmidt konnte diese nicht zahlen. Er starb am 31. Januar 2000 an Hirnblutungen und einer Lungenentzündung, die er sich durch das Einatmen von Blut zugezogen hatte.

116. Helmut Sackers, 60 Jahre

Am 29. April 2000 wurde er von einem Neonazi im Treppenhaus eines Plattenbaus in Halberstadt (Sachsen-Anhalt) erstochen, weil er sich über das laute Abspielen von Nazimusik, unter anderem des Horst-Wessel-Liedes, beschwert und die Polizei verständigt hatte.

117. Dieter Eich, Sozialhilfeempfänger

Am 25. Mai 2000 wurde er von vier rechten Jugendlichen, die „einen Asi klatschen“ wollten, in seiner Wohnung in Berlin-Pankow zusammengeschlagen und erstochen.

118. Falko Lüdtke, 22 Jahre

Er wurde am 31. Mai 2000 in Eberswalde (Brandenburg) von einem Angehörigen der rechten Szene vor ein Taxi gestoßen und überfahren.

119. Alberto Adriano, 39 Jahre (A)
Er wurde am 11. Juni 2000 in der Nähe des Stadtparks in Dessau (Sachsen-Anhalt) von drei rechten Jugendlichen bewusstlos geschlagen und getreten, in den Park geschleift und weiter geschlagen, bis die Polizei kam. Drei Tage später starb er an seinen Verletzungen.

120. Thomas Goretzky, 35 Jahre, Polizist
Am 14. Juni 2000 erschoss der Neonazi Michael Berger in Dortmund und Waltrop (Nordrhein-Westfalen) die drei Polizisten Thomas Goretzky (35 Jahre), Yvonne Hachtkemper (34 Jahre) Matthias Larisch von Woitowitz (35 Jahre) und anschließend sich selbst. Der im Auto sitzende Täter eröffnete während einer Kontrolle plötzlich das Feuer, tötete Goretzky und auf der Flucht Hachtkemper und von Woitowitz. In seiner Wohnung fand die Polizei später weitere Schusswaffen und Mitgliedsausweise der DVU und Republikaner.

121. Yvonne Hachtkemper, 34 Jahre, Polizistin
Am 14. Juni 2000 erschoss der Neonazi Michael Berger in Dortmund und Waltrop (Nordrhein-Westfalen) die drei Polizisten Thomas Goretzky (35 Jahre), Yvonne Hachtkemper (34 Jahre) Matthias Larisch von Woitowitz (35 Jahre) und anschließend sich selbst. Der im Auto sitzende Täter eröffnete während einer Kontrolle plötzlich das Feuer, tötete Goretzky und auf der Flucht Hachtkemper und von Woitowitz. In seiner Wohnung fand die Polizei später weitere Schusswaffen und Mitgliedsausweise der DVU und Republikaner.

122. Matthias Larisch von Woitowitz, 35 Jahre, Polizist

Am 14. Juni 2000 erschoss der Neonazi Michael Berger in Dortmund und Waltrop (Nordrhein-Westfalen) die drei Polizisten Thomas Goretzky (35 Jahre), Yvonne Hachtkemper (34 Jahre) Matthias Larisch von Woitowitz (35 Jahre) und anschließend sich selbst. Der im Auto sitzende Täter eröffnete während einer Kontrolle plötzlich das Feuer, tötete Goretzky und auf der Flucht Hachtkemper und von Woitowitz. In seiner Wohnung fand die Polizei später weitere Schusswaffen und Mitgliedsausweise der DVU und Republikaner.

123. Klaus-Dieter Gerecke, Obdachloser (HM)

Er wurde in der Nacht zum 24. Juni 2000 in Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern) von einem der rechten Szene zuzuordnenden 21-jährigen Mann und zwei Frauen zu Tode geprügelt. Eine der Begleiterinnen hatte dem Täter zugerufen: „Da ist der Assi, klatsch ihn tot“.

124. Jürgen Seifert, 52 Jahre, Obdachloser (HM)

Am 9. Juli 2000 wurde er von fünf Rechtsextremisten in einem Abrisshaus in Wismar (Mecklenburg-Vorpommern) mit Schlägen und Tritten so schwer misshandelt, dass er wenig später seinen Verletzungen erlag.

125. Norbert Plath, 51 Jahre, Obdachloser (RT und HM)
(A)
Am 27. Juli 2000 wurde er in Ahlbeck (Mecklenburg-Vorpommern) von vier jungen Rechtsextremisten zu Tode geprügelt, weil sie ihn für „asoziale[n] Dreck“ hielten.

126. Enver Şimşek, 38 Jahre

Am 9. September 2000 wurde Enver Şimşek in Schlüchtern (Hessen) nach aktuellem Kenntnisstand von der terroristischen Neonazivereinigung „“Nationalsozialistischer Untergrund““ an seinem mobilen Blumenstand mit acht Schüssen aus zwei Pistolen angeschossen. Er erlag zwei Tage später an seinen schweren Verletzungen.