Fußballnationalspielerin Kim Kulig könnte als eine der besten Spielerinnen bei der Weltmeisterschaft glänzen. Der KinderZEIT hat sie erzählt, wie sie Profi wurde
Von Alex Westhoff
Buck war ein besonderer Trainingspartner für Kim – aufmerksam, schnell, zweikampfstark. Buck ist der Hund der Familie Kulig, und er hatte immer Lust, im Garten zu kicken. »Ich habe ihn oft getunnelt«, sagt Kim Kulig und lacht. Heute tunnelt (das bedeutet zwischen den Beinen durchschießen) die 21-Jährige ihre Gegnerinnen bei Spielen der deutschen Frauenfußballnationalmannschaft. Und Buck ist inzwischen alt und langsam geworden. Ohnehin ist Kim nur noch selten zu Hause bei ihrer Familie in Schwaben, wo die KinderZEIT sie im Mai traf. Denn die Fußballerin ist ein richtiger Star geworden, macht Werbung, gibt Interviews, posiert für Fotos. In den letzten Monaten hat sie sich mit der Nationalmannschaft auf die Weltmeisterschaft vorbereitet, die an diesem Sonntag in Deutschland beginnt. Für Kim ist es die erste WM, und Fußballexperten glauben, dass sie eine der besten Spielerinnen bei dem Wettkampf sein wird.
Ihr Gesicht kennen schon jetzt viele. Die junge Spielerin mit den wilden Locken macht Werbung für Sportartikel, Shampoo, Katzenfutter, Elektrogeräte. Eine Bäckereikette in Süddeutschland hat sogar eine »Kim-Kulig-Kruste« im Angebot, ein Roggenmischbrot mit Sonnenblumenkernen. Weil sie für die Werbung Geld bekommt, muss Kim Kulig neben dem Fußball keinem weiteren Beruf nachgehen. Das ist sehr selten. Viele Profifrauen müssen zusätzlich arbeiten. Denn anders als die Männer können Fußballerinnen von ihrem Sport oft nicht leben, weil sie keine Millionenverträge fürs Kicken bekommen.
In der nächsten Saison spielt Kim für den 1.FFC Frankfurt, der als Bayern München des deutschen Frauenfußballs gilt. Jetzt zählt aber erst einmal nur die WM. »Klar, unser großes Ziel ist es, Weltmeister zu werden«, sagt Kim. Als zentrale Mittelfeldspielerin hat sie eine wichtige Position. Sie soll als Bindeglied zwischen Abwehr und Angriff das Spiel lenken.
Dabei war Kim früher immer Stürmerin. Und Fußball war ursprünglich auch nur Kims dritte Sportart. Mit vier Jahren fing sie mit Leichtathletik an und wurde schon wenig später Kreismeisterin mit einer Rekordpunktzahl. Kim, so erzählen es ihre Eltern, habe sich immer viel bewegen wollen. Und sie hatte viel sportliches Talent. Neben Laufen, Springen und Werfen begann Kim, BMX-Rennen zu fahren – und war sofort wieder eine der Besten.
Zum Fußball kam sie durch Zufall. Die Jungs aus ihrem Dorf gingen nachmittags zum Training und nahmen Kim eines Tages einfach mit. »Ich bin heimlich hingegangen«, sagt Kim. Ihre Eltern fanden nämlich, dass zwei Sportarten nun wahrlich genug seien. Doch der Trainer vom Verein SV Poltringen war so begeistert von Kim, dass er schließlich bei den Kuligs zu Hause anrief und sagte: »Ich brauche Kim in der Mannschaft. Sie ist mein bester Mann auf dem Platz!«
Fußball wurde fortan zu Kims liebster Beschäftigung. Sie kickte mit Tennisbällen auf dem Schulhof – »das ist gut für die Technik« –, mit den Nachbarjungs auf der abschüssigen Straße vor der Haustür, mit Buck im Garten, mit der Mannschaft auf dem Rasenplatz des SV Poltringen, und abends nahm sie einen Fußball statt eines Teddys mit ins Bett. »Dass ich das einzige Mädchen in der Mannschaft war, hat mir einen Riesenspaß gemacht«, sagt Kim. Die Nationalspielerin empfiehlt allen Mädchen, so lange wie möglich mit und gegen Jungs zu spielen. Mit Jungs sei das Spiel viel schneller, und man lerne, sich durchzusetzen.
Das lernte sie auch zu Hause – Kim ist das vierte Kind von sechs Geschwistern. »Ich habe als Einzige alles: eine ältere und eine jüngere Schwester, einen älteren und einen jüngeren Bruder«, sagt sie. Sich behaupten zu können war wichtig auf dem Platz, aber auch, durchzuhalten und diszipliniert zu sein. Mal keine Lust auf Training? Nicht bei Kim Kulig. Sie trainierte immer hart und fleißig. Mit 13 Jahren wechselte sie zum VfL Sindelfingen und schaffte dort bald den Sprung in die Frauenmannschaft der Zweiten Bundesliga. In einer Saison schoss sie einmal 25 Tore.
Spätestens nach diesem Erfolg wurde Kim in der Fußballszene als großes Talent gehandelt. Sie spielte in den Jugendnationalmannschaften und sorgte auch hier mit ihrem kraftvollen Spiel und ihrer guten Technik für Aufsehen. Kims Vater Alfons hat alle Pokale, Medaillen und Autogrammkarten seiner Tochter aufgehoben und im Keller säuberlich aufgereiht. Wie in einem kleinen Museum sieht es hier aus.
Als Kim 18 Jahre alt wurde, kam das Trikot des Hamburger SV dazu. Endlich Erste Bundesliga! Kim hatte Angebote von vielen Vereinen bekommen. »Beim großen HSV kannte ich den Trainer. Auch die Stadt fand ich cool«, sagt Kim. Allerdings hieß beim HSV zu spielen auch, von heute auf morgen in einer eigenen Wohnung zu leben, weit weg von zu Hause. Es war ein Schnellkurs im Erwachsenwerden. Neben dem Training machte Kim in Hamburg das Abitur. Sie schaffte den Abschluss, obwohl sie wegen der vielen Reisen zu Spielen häufig in der Schule fehlte. Den Stoff holte Kim auf den langen Busfahrten nach. Bei großen Turnieren der Juniorennationalmannschaft reiste häufig auch ein Lehrer mit.
Nach ihrem ersten Jahr in Hamburg wurde Kim von Bundestrainerin Silvia Neid in die A-Nationalmannschaft berufen und schaffte es in den Kader für die Europameisterschaft 2009. Ihr bisher bedeutendstes Spiel war das EM-Finale: Gegen England fällt ihr im Strafraum der Ball vor die Füße, sie zieht ab – Tor! »Ich dachte, ich träume«, sagt Kim. »Das war voll krass!« Denn Deutschland gewann und wurde Europameister.
In den nächsten Wochen wollen die deutschen Fußballfrauen den Weltmeistertitel verteidigen. Bestimmt wird Kim Kulig auch bei diesem Turnier glänzen, sie hat nämlich eine besondere Stärke: Sie schießt mit beiden Füßen fast gleich gut. Und das hat sie auch dem Training mit Familienhund Buck zu verdanken.
Einen Überblick über alle Spielerinnen der deutschen Fußballnationalmannschaft findet Ihr hier.