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Präsident forever? Guinea und Kongo

 

Was haben Joseph Kabila, Präsident des Kongo,  und Moussa Dadis Camara, Präsident von Guinea, gemeinsam?
Beide sind Armeeoffiziere und Staatschefs rohstoffreicher Nationen mit einer bitterarmen Bevölkerung.
Beide galten einmal als Hoffnungsträger. Kabila, weil er willens war, den horrenden Krieg in seinem Land zu beenden, Camara, weil er nach seinem Putsch im Dezember 2008  korrupte Regierungsmitglieder und Staatsbeamte an den Pranger stellte und versprach, sich nach demokratischen Wahlen aus der Politik zurückzuziehen.
Beide erweisen sich inzwischen für ihre Bürger als lebensgefährlich – vor allem für solche, die öffentlich ihre Grundrechte einfordern.

Camaras Soldaten haben am Montag in der Hauptstadt Conakry ein Massaker angerichtet, über 150 Menschen erschossen, erschlagen oder mit dem Bajonett erstochen, und über 1000 verletzt. Augenzeugen berichten von Frauen, die auf offener Straße von Soldaten vergewaltigt wurden. Die Opfer hatten auf einer Demonstration gegen Camaras Vorhaben protestiert, doch bei den Wahlen anzutreten. Führer, die sich an der Macht fest krallen – das kennt man in Guinea. Camaras berüchtigter Vorgänger Lansana Conté war 24 Jahre an der Regierung, Guineas erster Präsident Sekou Touré 26 Jahre.

50.000 Menschen waren dem Aufruf zur Demonstration gefolgt. 50.000, die trotz anhaltender Repression der Junta auf die Straße gingen. Das deutet auf eine wachsende und mutiger werdende zivile Opposition hin. Die wurde vorerst mit einem Blutbad gestoppt. Camara hat nun eine zweitägige Staatstrauer samt Ausgangssperre angeordnet. Das kann man als Gipfel des Zynismus sehen oder als Versuch, Zeit zu gewinnen. Oder beides.

Kongos Präsident Joseph Kabila, im Gegensatz zu Camara mehr oder weniger demokratisch gewählt, will sich offenbar auf scheinlegalem Weg eine lebenslange Option auf das Präsidentenamt schaffen. Nach Berichten des französischen Auslandssenders RFI, die inzwischen in Kinshasa bestätigt worden sind, soll eine Kommission an der „Reform“ der kongolesischen Verfassung arbeiten: geplant sei unter anderem, so RFI, die Beschränkung auf zwei Amtszeiten für den Präsidenten aufzuheben und die Unabhängigkeit der Justiz maßgeblich einzuschränken.

Von Protesten ist erst einmal nichts zu hören. Die Opposition im Parlament ist faktisch lahm gelegt (wozu, unbeabsichtigt, auch der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag mit seinem Haftbefehl gegen Kabilas Gegner Jean-Pierre Bemba beigetragen hat). Der Geheimdienst kehrt langsam zu alter Form zurück,  Militär-und Polizeigewalt gegen politische Gegner ist gängige Praxis. Attacken auf Journalisten und Menschenrechtler häufen sich – vor allem dann, wenn diese Korruption und dubiose Deals zwischen Regierung und Rohstoff-Firmen recherchieren. „Hier geht’s wieder zu wie unter Mobutu“, klagen Menschenrechtler. Militärs, die sich an der Macht festkrallen – das kennen die Kongolesen. Mobutu Sese Seko regierte 32 Jahre lang.

Und nun? Breite Wirtschaftssanktionen verhängen?

Schwierig bis unmöglich, weil oft kontraproduktiv und im UN-Sicherheitsrat vermutlich nicht durchsetzbar. Im Fall von Guinea könnte allerdings die politische Krise die Investoren nervös werden lassen. Guineas marode Wirtschaft hängt fast völlig vom Bauxit-Export ab. Bislang haben sich Konzerne wie Rio Tinto und UC RUSAL weder an der Repression unter Lansana Conté noch am erratischen Benehmen von Camara gestört. Das könnte sich ändern.

Was noch – außer Protestnoten zu formulieren?  Die Afrikanische Union (AU) spielt im Fall Guinea eine wichtige Rolle. Die AU ist zwar selbst alles andere als ein lupenreiner Club der Demokraten. Aber sie hat in den vergangenen Jahren den Trend weg vom Diktatorenunwesen hin zur Wahlkabine unterstützt und Putschisten in mehreren afrikanischen Ländern politisch abgestraft.

Gleich nach dem Militär-Putsch Ende vergangenen Jahres hatte die AU Guineas Mitgliedschaft suspendiert und dann Mitte September weitere gezielte Sanktionen gegen Junta-Mitglieder angedroht, sollte Camara tatsächlich bei den Wahlen kandidieren. ECOWAS, die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft, fordert inzwischen eine internationale Untersuchungskommission, um das Blutbad zu untersuchen. Vertreter aus diesen Institutionen werden – mit Unterstützung von EU und UN – jetzt versuchen müssen, zu vermitteln und zunächst das Schlimmste zu verhindern: weitere Gewalt gegen Zivilisten, einen Gegenputsch durch rivalisierende Fraktionen in der Armee, einen totalen Staatskollaps. Dann befände sich Guinea schnell in der Dauerkatastrophe eines failed state mit Bürgerkrieg, aus der seine Nachbarländer Liberia und Sierra Leone gerade mühsam heraus kriechen.

Der politische Druck zeigte Mitte der Woche erste Wirkung.  Camara ließ verkünden, er wolle nun eine Übergangsregierung unter Beteiligung aller Parteien – und eine Untersuchungskommission.

Im Kongo ist die internationale Gemeinschaft mit einem anderen Problem konfrontiert, das sie selbst mit geschaffen hat: Europa und die USA haben den Aufstieg Joseph Kabilas massiv unterstützt – und dann zähneknirschend hingenommen, dass der Mann im Umgang mit der Opposition eben jene  Schlagstöcke (und Schlimmeres) einsetzt, die von der EU für den Aufbau einer neuen Polizei gestiftet worden sind. Kabila ist, wenn man so will, der afrikanische Karzai des Westens: Strategisch zu wichtig, als dass man ihn fallen lassen könnte oder wollte. Die Vorteile seiner Hausmacht wiegen in Kriegszeiten – und die herrschen im (Ost)Kongo wie in Afghanistan – schwerer als seine politische Repression und sein zunehmend autoritäres Gebaren.

Also wieder die Frage: was tun? Zunächst einmal demokratische Oppositionelle und Bürgerrechtler schützen und unterstützen, was zum Teil auch geschieht. Die Justiz stärken: Menschenrechtsgruppen fordern schon länger „hybride Gerichte“ mit kongolesischen und internationalen Richtern , um die massiven Menschenrechtsverletzungen von Polizei und Armee zu verfolgen.

Mehr Hilfe für Provinzverwaltungen. Und schließlich internationales shaming and naming. Die Verfassung ist eine der wichtigsten Errungenschaften in der kongolesischen Nachkriegszeit. Die ganze internationale Buchstabensuppe von AU über EU bis UN und USA wird klar machen müssen, dass Kabila die Verfassung nicht auf dem Schleichweg klein „reformieren“ kann. Schon allein um des viel zitierten Friedens willen. Kabilas Macht ist gewachsen, seine Beliebtheit keineswegs, schon gar nicht in Kinshasa, wo er noch nie besonders populär war. Sollte er wirklich die „Mobutu-Option“ der lebenslangen Präsidentschaft anstreben, sind auch die Kinois womöglich irgendwann auf den Barrikaden.