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Der IS und der Krieg der Bilder

 

Ja, das Video, das die Terrorgruppe „Islamischer Staat“ gestern veröffentlicht hat, ist der reine Horror. Es zeigt, wie der vom IS gefangene jordanische Pilot Muas al-Kasasba in einem Käfig bei lebendigem Leib verbrannt wird. In Nahaufnahme. Es ist fürchterlich. Es ist schwer auszuhalten.

Viele Medien scheinen sich einig zu sein, dass dieses Video eine Art Höhepunkt der IS-Gräuelvideos darstellt. CNN schreibt, es sei „das bisher brutalste“; Spiegel online schreibt: „Möglicherweise hat der IS nun auf eine neue grausame Mordmethode gesetzt, um eine größere Schockwirkung zu erzielen“; stern.de zitiert Intel Center, ein US-Unternehmen, das Terrorbotschaften analysiert, folgendermaßen: „Dies ist das erste Mal, dass die Gruppe eine Geisel verbrannt hat, die große Beachtung in den Medien gefunden hat … Dies zeigt, dass die Gruppe fortlaufend ihre Methoden weiterentwickelt, um die größte Publicity zu erzielen.“

Am deutlichsten führt diesen Gedanken der Kollege Sascha Lehnartz bei welt.de aus: „Der IS verfolgt bei der Inszenierung seiner Taten eine Strategie der kontinuierlichen Eskalation … Maas al-Kassasbeh wurde bei lebendigem Leibe verbrannt, um größtmögliche Schockwirkung zu erreichen.“

Lehnartzs Stück ist in vielerlei Hinsicht lesenswert. Aber ich finde, an dieser Stelle gilt es trotzdem, einen Schritt zurückzutreten. Denn es ist zwar klar, dass die Terroristen ihr neuestes Video als eine Eskalation gedacht haben – aber ist es das wirklich? Finden wir tatsächlich, dass die Verbrennung des Piloten grausamer ist als die Massenerschießungen, die der IS ebenfalls gefilmt und verbreitet hat? Oder als die Steinigungen von Frauen, die aufgezeichnet wurden? Finden wir wirklich, dass diese Bilder erschütternder sind als die Szenen, die zeigen, wie der IS angeblich schwule Männer von Hochhäusern wirft? Geht es uns wirklich näher als die Bilder von Enthauptungen? Von Enthauptungen, die manchmal minutenlang andauern?

Ich stelle diese Frage deshalb, weil ich finde, dass der IS gar nicht noch brutaler werden kann, als er schon seit Langem ist. Die Eskalation beschränkt sich in Wahrheit darauf, dass der IS erstens seine Videos immer aufwändiger produziert und sie zweitens, je nach zur Verfügung stehenden Geiseln, zielgenauer adressiert. Das kann man beschreiben und analysieren. Aber bei einem Ranking der Brutalität von Mordmethoden, zu dem der IS uns ja im Grunde auffordert, will ich nicht mitmachen.

Natürlich müssen wir damit rechnen, dass der IS weiterhin versuchen wird, uns zu erschüttern. Denkbar, dass es den Terroristen auch gelingen wird. Irgendeine Methode, auf die wir noch nicht gekommen sind. Die wirken wird, wie aus einem finsteren Psychothriller entlehnt. Aber spielen wir das dreckige Spiel nicht mit! Versauen wir dem IS wenigstens dieses PR-Kalkül, wenn wir sonst schon nichts tun können: Unsere Abscheu vor euren Taten lässt sich schon lange nicht mehr steigern!