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Serdecznie witamy w Gdansk!

 

Seit Montag Abend dieser Woche bin ich in Danzig, zum ersten Mal. Trotz hoher Erwartungen muss ich sagen, dass ich überrascht, wenn nicht gar überwältigt bin von der Schönheit dieser Stadt. Umso mehr, wenn man bedenkt, wer alles an Danzig in all den Jahrhunderten herumgezerrt hat und wie zerstört es nach dem Zweiten Weltkrieg war.

Die Rechtstadt, der historische Kern der ehemaligen Hansestadt, wurde von den Polen in der Fünfziger und Sechziger Jahren in einer beachtlichen Leistung in großen Teilen wieder originalgetreu rekonstruiert. Etwa der Königsweg, das Grüne Tor, das Krantor, das ehemalige Stadttor aus Backstein und Holz und bekannteste Wahrzeichen Danzigs.

Westlicher, gut sichtbar von der Stadtmitte, recken die alten Kräne der Danziger Werft ihre Buckel in den Himmel. Sie haben das gleiche Stehvermögen wie Lech Walesa, Elektriker und Friedensnobelpreisträger, auch wenn sie heute von einem ukrainischen Unternehmen gesteuert werden. In meinen Erinnerungen, meinen ersten politischen, kam Anfang der Achzziger keine Tagesschau ohne den kleinen Schnauzbartträger aus. Walesa war in (West-)Deutschland ein Held. Im heutigen Polen glauben manche den Enthüllungsgeschichten, er sei ein KGB-Agent gewesen.

Aber ich bin ja hier, um über Fußball zu berichten, in erster Linie über die deutsche Nationalmannschaft. Die hat sich hier in ihrem Lager in Oliwa im Danziger Westen naturgemäß gut abgeschottet. Manchmal dürfen Journalisten zwanzig Minuten beim Aufwärmen zuschauen, manchmal bekommt man kurz Gelegenheit, mit einem Spieler zu sprechen. Mit drei Kollegen saß ich diese Woche mit Holger Badstuber am Tisch. Also dem Innenverteidiger, von dem das Trainerteam so schwärmt, der ihrem Ideal durch seine Spieleröffnung so nahekommt.

Wie das gesamte Team macht Badstuber einen gelassen selbstbewussten Eindruck. Das gilt umso mehr für Joachim Löw. Die, die ihn näher kennen, trauen ihm durchaus zu, dass er Lars Bender heute als rechten Verteidiger aufstellt. Das wäre mal eine Trainerentscheidung, Bender hat diese Position noch nie gespielt. Und dann gleich gegen Ronaldo …

Am nächsten sind Anna, meine Kollegin aus dem Print, und ich gestern einem anderen Fußballtrainer gekommen: dem norwegischen Nationaltrainer Egil „Drillo“ Olsen, der für das TV kommentieren wird. Er fuhr mit uns im Taxi vom Stadion in die Innenstadt. Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich ihn nicht erkannte, dass ich nicht mal wusste, dass er seit drei Jahren wieder Trainer ist. Ich hatte ihn als Trainer der Neunziger in Erinnerung, obwohl er vor drei Jahren Deutschland mit seiner Elf in Düsseldorf 1:0 bezwang. Immerhin konnte ich einen der Torschützen des historischen 2:1-Siegs Norwegens gegen Brasilien (WM 98) nennen: Kjetil Rekdal. Anna und ich hoffen, dass wir mit der beglichenen Taxirechnung unsere Ignoranz wettmachen konnten, sind aber nicht sicher.

Heute fliege ich mit vielen anderen Journalisten nach Lemberg, das Danzig in nichts nachstehen soll. Ich melde mich von dort, werde vermutlich aber nicht viel von der Stadt sehen, weil der Rückflug auf 2 Uhr nachts terminiert ist. Schnell noch ein paar Eindrücke aus Danzig, auch darin das Krantor und das Denkmal der gefallenen Werftarbeiter, die Säule mit den drei Ankern und Kreuzen.