„Besatzer“, „Kriegstreiber“ und „Folterknechte“ nennen die Jungen Nationaldemokraten (JN) die amerikanischen Streitkräfte: ausgerechnet am 65. Jahrestag der Befreiung vom NS-Faschismus wollte der Bundesvorstand der NPD-Jugendorganisation in der Wiesbadener Innenstadt gegen ein „Hegemonialstreben der USA“ demonstrieren. Ziel des Protestes von rechts ist die Verlegung des europöischen Headquarters der amerikanischen Landstreitkräfte in den Wiesbadener Vorort Erbenheim. Nach dem Verbot der ursprünglichen Route ruft die JN nun zum genhmigten Aufmarsch am eigentlichen Brennpunkt auf.Mit Hinweis auf die unverhältnismäßigen Auswirkungen auf die Bewohner und Besucher von Wiesbaden hatte die Stadt die ursprünglich von der JN geplante Route bereits kurz nach ihrer Anmeldung verboten.
Die JN hatten zwar die Frist für Rechtsmittel nicht eingehalten, dürfen am nun aber in Sichtweite des von ihnen gehassten Objektes aufmarschieren Wie der Leiter des Ordnungsamtes, Winnrich Tischel, in der vergangenen Woche erklärte, soll die Veranstaltung der JN am 8. Mai in Erbenheim selbst stattfinden, es werden etwa 300 Rechtsextreme erwartet. An ihrem Sammelpunkt in dem östlichen Vorort von Wiesbaden soll am 8. Mai um 11.00 Uhr die erste von insgesamt vier Kundgebungen unter dem Motto „Gegen Folterknechte und Kriegstreiberei“ stattfinden. Die Bahnlinie im Ort soll den Aufmarsch von den geplanten Gegenprotesten trennen, denn auch die unter dem Dach des „Rhein-Main-Bündnis 8. Mai gegen den Nazi-Aufmarsch in Wiesbaden“ vertretenen Nazigegener mobiliseren nach Erbenheim und erwarten dazu rund 3.000 Personen. Eine Vielzahl von Initiativen, Gruppen und Einzelpersonen unterstützt die u.a. vom Wiesbadener Bündnis gegen Rechts initiierten Proteste, die jetzt in den Vorort der Landeshauptstadt verlegt werden sollen. Bereits drei Stunden vor dem Beginn der JN-Auftaktkundgebung wollen sich die Gegendemonstranten in Erbenheim sammeln.
Auf scharfe Kritik in den Reihen der Nazigegner stößt das ursprünglich von der Stadt verhängte Demonstrationsverbot für die Wiesbadner Innenstadt. Das Bündnis gegen Rechts spricht von einem „angeblichen Verbot“ und bezeichnet das Vorgehen der Stadtverwaltung als „gezielte Falschmeldung“ und „unfassbaren Affront“. Das Verhalten sei ein fatales Signal der schwarz-gelben Mehrheit in Wiesbaden: „Solange das Einkaufen am Samstag nicht gestört ist, dürfen Neonazis in Wiesbaden marschieren“, heißt es in einer Mitteilung des Bündnisses. Wiesbaden laufe damit Gefahr, künftig eine bevorzugte Adresse für Naziaufmärsche zu werden. Die Motto der Proteste „Alles muss man selber machen“ gelte jetzt erst recht: „Wir bieten der brutalen Intoleranz der Nazis die Stirn und gehen an den Ort des Geschehens“.
Als Aufhänger für ihre geschichtsrevisionistischen Aufmarsch am 8. Mai dient den JN die Verlegung des Hauptquartiers der US-Landstreitkräfte von Heidelberg nach Wiesbaden. Neben dem Ausbau der Infrastruktur muss dazu die bisherige Fläche des Erbenheimer Flughafens um rund 40 Hektar erweitert werden. In diesem Rahmen sollen in und um Wiesbaden rund 150 Bauprojekte entstehen, darunter das Kommando- und Führungszentrums auf dem Paradeplatz des Airfields sowie Wohnsiedlungen für Soldaten und deren Familienangehörige.