Wegen versuchter Körperverletzung und Nötigung hat das Amtsgericht in Wolfsburg am Donnerstag, d. 19. August, den Vorsitzenden des NPD Unterbezirks Gifhorn Wolfsburg zu einer Geldstrafe von insgesamt 990 Euro verurteilt. Der Richter folgte damit dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die dem 1977 geborenen Lars S. ursprünglich gemeinschaftliche Körperverletzung vorgeworfen hatte. Der Richter sah es als erwiesen an, dass der NPD-Politiker am Rand einer rechtsextremen Veranstaltung in Wolfsburg im Juli 2009 einen Journalisten „mit nicht unerheblichem Kraftaufwand“ angerempelt hatte, um ihn vom Fotografieren abzuhalten.
Am 4. Juli wollte der inzwischen verstorbene NPD-Vize Jürgen Rieger in einem ehemaligen Möbelhaus in Wolfsburg den Trägerverein für sein Museum zu Ehren des „Kraft durch Freude Autos“ gründen. Zu diesem Anlass war eine Gruppe von knapp 30 Neonazis aufmarschiert, aus der heraus sich drei Personen lösten und den Journalisten attackierten. Die Ereignisse wurden gefilmt, das Kameramaterial diente in der Verhandlung als Beweismittel. Auf dem Video ist der mit einem Tuch vermummte Lars S. zu sehen, wie er den Fotografen anrempelt, kurz darauf wurde der 20-jährige von zwei weiteren Neonazis geschlagen. Von einer gemeinschaftlich begangenen Körperverletzung war im Prozess schnell nicht mehr die Rede; eine vorherige Absprache ließ sich in der Aufzeichnung nicht erkennen. S. sagte aus, er habe auf dem Weg zu der Veranstaltung bloß die Straße überqueren wollen, wegen der räumlichen Enge sei es dabei zu einem „unbeabsichtigten Zusammenstoß“ mit dem Journalisten gekommen. S. berief sich auf das Recht am eigenen Bild: er habe einen Missbrauch der Bilder befürchtet und sich mit seinem Halstuch vermummt. Doch schon wenig später nach Fragen des Staatsanwaltes erklärte der gelernte Maler den Fotografen bewusst angerempelt zu haben,um eventuelle Aufnahmen unbrauchbar zu machen. Dies unterstrich auch der Journalist: gezielt habe S. ihn und seine Kamera weg gedrängt. „Das ist nicht aus Platzgründen passiert“, sagte der 20-jährige. Auch die anderen zwei beteiligten Neonazis brachten kein Licht ins Dunkel: sie verweigerten die Aussage, weil sie in derselben Sache Berufung gegen ihre eigenen Verurteilungen eingelegt haben. Die 20- und 21-jährige Neonazis waren Anfang des Monats vor dem Amtsgericht Hannover wegen gemeinschaftlich begangener Körperverletzung zu Bewährungsstrafen verurteilt worden.
Für den Staatsanwalt ist die Tat eine Form der „Selbstjustiz und Maßregelung“, um unliebsame Bilder zu verhindern: in seinem Plädoyer beschuldigte er den Angeklagten der Körperverletzung und der Nötigung. Falsch, argumentierte der Verteidiger des NPD-Politikers: der 20-jährige habe gar nicht mehr genötigt werden können, um das Fotografieren zu verhindern, denn er hatte kurz zuvor bereits aufgehört zu knipsen. Der Anwalt war nach eigenen Angaben auf Antifa Seiten im Internet auf „zielgerichtet angefertigte Portraits für Steckbriefe in Stasi Manier“ gestoßen. Das Verhalten seines Mandanten sei deshalb nicht rechtswidrig, sondern „Selbsthilferecht“.
Diese Wertung stieß bei dem Richter auf scharfe Kritik. In seinemUrteil erklärte er, mit seinem Handeln habe der NPD-Politiker Verletzungen des Journalisten billigend in Kauf genommen. Nur durch Zufall sei nichts Schlimmeres passiert. Er dürfe auch nicht davon ausgehen, dass die Bilder ihm schaden sollten, schließlich habe er nicht um die vermeintliche Haltung des Fotografen gewusst. Wer entsprechende Veranstaltungen besuche, müsse damit rechnen fotografiert zu werden, sagte der Richter. Dagegen mit Gewalt vorzugehen, sei verwerflich und nicht zu akzeptieren. Gegen das Urteil können Rechtsmittel eingelegt werden.