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Goldgräber am rechten Rand

Erst bringen sie Verschwörungstheorien unters Volk – dann Goldbarren: Ein Netzwerk von Edelmetallhändlern und Influencern verdient Geld mit rechter Hetze.

Von Dominik Lenze

Verschwörungstheoretiker verdienen gut am Verkauf von Gold und Silber (Symbolfoto).
© dpa/Sven Hoppe

In Sachen Politik hat Thorsten Schulte ein ziemlich pessimistisches Weltbild. „Deutschland steht im Zentrum der Fremdbestimmung“, poltert er auf seinem Telegram-Kanal und spricht von einer „großen Täuschung“. Die Corona-Pandemie: alles geplant, Politiker: nichts weiter als Marionetten – so lesen sich die Botschaften, die der 48-Jährige unter dem Pseudonym Silberjunge regelmäßig an seine 45.000 Follower schickt. Anders als viele andere Verschwörungstheoretiker, die sich dort tummeln, bringt Schulte allerdings auch konkrete Ratschläge unters Volk: Wer sich sorgt, der solle sich mit Silber eindecken.

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Umsturzträume am rechten Rand der Union

Der Chef der konservativen WerteUnion steht AfD und Querdenken nahe. Zudem pflegt er Kontakte zu einem Netzwerk von Verschwörungstheoretikern aus der Finanzbranche.

Von Dominik Lenze

WerteUnion-Chef Max Otte © Wolfgang Borrs/​NDR/​dpa

Für einen Ökonomen hat Max Otte, der neue Vorsitzende des CDU-Netzwerks WerteUnion, ein ungewöhnliches Faible für Protestmusik: Auf seinem YouTube-Kanal covert er Klassiker wie Marius Müller-Westernhagens Grüß mir die Genossen. Das Lied handelt von Hausdurchsuchungen bei Linken in den Siebzigerjahren. In Ottes Version sind die besungenen “Genossen” allerdings Rechtsradikale wie der Identitäre Martin Sellner und der zeitweise vom Verfassungsschutz beobachtete AfD-Politiker Petr Bystron.

Inzwischen tritt Otte selber als Protestsänger auf – und zwar bei der Querdenken-Bewegung. Ende April sprach er auf einer Demonstration in Aachen und spielte ein Trinklied auf seiner Gitarre. Auf der Bühne sagte er: “Wir sind nicht in der Opposition, wir sind im Widerstand. (…) Und Widerstand ist nicht immer lustig.” Ein bemerkenswerter Ausspruch für ein Mitglied der Regierungspartei CDU.

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Querdenker auf Journalistenjagd

Aktivisten aus dem Milieu der Corona-Leugner verbreiten Privatinformationen von Journalisten. Dabei helfen ihnen rechte Influencer, die sich selbst als Reporter ausgeben.

Von Dominik Lenze

Journalisten auf einer Münchner Querdenken-Demonstration im Mai 2020 © Felix Hörhager/dpa

Sarah Müller hat in ihrem Leben schon Tausende Rechtsradikale fotografiert. Seit rund zehn Jahren dokumentiert sie Demonstrationen, Kundgebungen und Konzerte der Szene. All die Jahre haben die Neonazis wenig, eigentlich gar nichts über sie gewusst. Bis jetzt: Medienaktivisten aus dem Umfeld der Querdenken-Bewegung haben persönliche Informationen über sie im Internet verbreitet. Erst ihr Gesicht samt vollem Namen, später Angaben über sie, ihre Jobs, ihre Auftraggeber. Manches davon falsch, manches richtig.

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„Ich befürchte, dass es zu Gewalt kommt“

Nach den Mythen um das Coronavirus verbreiten Verschwörungstheoretiker neue Angstszenarien. Die Folgen könnten unkontrollierbar werden, vermutet Beobachter Michael Blume.

Interview: Dominik Lenze und Bana Mahmood

Ein aufgebrachter Demonstrant bei einer Corona-Demonstration in Amsterdam © dpa/ANP/Robin Van Lonhuijsen

Die Pandemie hat die Weltwirtschaft zerstört: Freie Märkte gibt es nicht mehr, nur den weltweiten Sozialismus. Statt Regierungen herrscht eine globale Öko-Diktatur, geleitet vom Weltwirtschaftsforum, das all das geplant hat. Was sich liest wie der Klappentext eines dystopischen Romans, ist die feste Überzeugung vieler Verschwörungstheoretiker: Corona sei nur Vorwand für den Great Reset, den großen Neustart. Der Begriff entstammt dem Titel eines Buchs, das der Chef des Weltwirtschaftsforums, Klaus Schwab, geschrieben hat.

Religionswissenschaftler Michael Blume hat als Erster auf die Gefahr des neuen Mythos hingewiesen. Als Antisemitismus-Beauftragter von Baden-Württemberg beobachtet er die Szene der Verschwörungstheoretiker seit Jahren und meint: Die Erzählung werde nach der Corona-Krise deutlich an Fahrt gewinnen – und ihre Anhänger mit allen Mitteln kämpfen.

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Die Furcht vorm großen Neustart

Verschwörungstheoretiker schüren die Angst vor einem geplanten Wirtschaftskollaps. Der Mythos wurde in der Pandemie erdacht – dürfte aber noch deutlich länger kursieren.

Von Dominik Lenze und Bana Mahmood

Auf einer Demonstration in Wien warnt ein Banner vor dem Great Reset. © Reuters/Lisi Niesner

„Stoppt den Globalistendreck“, steht auf einem Transparent, prominent platziert am Brunnen auf dem Heldenplatz in Wien. Darüber die Schlagworte „Großer Austausch, Great Reset“. Vor dem verschwörerisch-raunenden Banner stehen Anfang Januar dicht gedrängt Demonstranten. Sie schwenken ein Meer aus Österreich-Flaggen. So zeigt es ein Video, das Rechtsextreme auf YouTube und Telegram verbreitet haben. Mitten in der österreichischen Hauptstadt verbreiten Tausende einen Verschwörungsmythos.

Die Theorie, Great Reset genannt, ist mittlerweile weit verbreitet, sie kursiert unter Reichsbürgern, Neonazis und Würdenträgern. Auch die Nachfolger der rechtsextremen Identitären Bewegung greifen sie auf. Demnach ist die Corona-Pandemie ein Vorwand, um die gesamte Weltwirtschaft zu zerstören und eine weltweite sozialistische Diktatur zu errichten. Dahinter stecke das Weltwirtschaftsforum. Dessen Direktor Klaus Schwab ist unfreiwillig zum Namensgeber des Mythos geworden: Er veröffentlichte im Sommer 2020 ein Buch mit dem Titel The Great Reset – zu Deutsch: „Der große Neustart“. Darin beschreibt er die Pandemie als Chance für einen grüneren und sozialeren Kapitalismus. Zwischenzeitlich sah sich Schwab sogar genötigt, seine Pläne öffentlich von dem Verschwörungsmythos abzugrenzen.

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Das Netzwerkbeben

Die sozialen Medien haben Donald Trump erst verbannt, als es gar nicht mehr anders ging. Muss die Politik die Demokratie besser vor Gefahren aus dem Netz schützen?

Ein Gastbeitrag von Maik Fielitz und Holger Marcks

Anhänger von Donald Trump bei einer Rede des Präsidenten im Dezember 2020
© Reuters/Jonathan Ernst

Nun also doch. Nachdem Twitter und Facebook jahrelang Ex-Präsident Donald Trump hofiert haben, verwiesen sie ihn nach dem Sturm seiner Anhänger auf das Kapitol von ihren Plattformen. Dieser Schritt war überfällig – und doch ist er umstritten. Das spiegelt sich in den ambivalenten Reaktionen auf die Abschaltung von Trumps Twitter-Konto und anderer Hetz-Accounts. Einerseits löste die konzertierte Aktion allgemeine Erleichterung aus, andererseits führte sie zu kontroversen Diskussionen über die Macht der Techunternehmen. Unklar ist dabei noch, ob dieses digitale Beben eine Neuordnung der sozialen Medien nach sich zieht und wie sich das auf die politischen Möglichkeiten im rechten Lager auswirkt. Aber Schritt für Schritt.

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So rechtsextrem war 2020

Das schicksalhafte 2020 hat Neonazis Aufwind gegeben: Sie haben Corona für Propaganda missbraucht. Zugleich stand das Jahr im Zeichen großer Rechtsextremismusprozesse.

Teilnehmende einer Demonstration stürmen im August die Treppe des Reichstags.
© Reuters/Christian Mang

Die Corona-Pandemie hat das Jahr 2020 bestimmt. Für die rechtsextreme Szene gilt das genauso. Versammlungsverbote und Maskenpflicht verlitten ihnen erst große, aufmerksamkeitsstarke Aufmärsche – dann gaben die Maßnahmen ihnen Aufwind: Seite an Seite mit Verschwörungstheoretikern verbreiteten sie auf teils riesigen Demos staatsfeindliche Parolen, spannten auch Anhängerinnen anderer Ideologien für ihre Zwecke ein.

Zugleich ist der Staat rechten Aggressoren selbstbewusst gegenübergetreten: Zwei wichtige Prozesse um Terrorangriffe mit neonazistischer Motivation haben in diesem Jahr begonnen. Vor Gericht mussten sich der mutmaßliche Mörder von Walter Lübcke und der mutmaßliche Attentäter von Halle verantworten. Es sind Fälle, die in Erinnerung rufen: Die Bedrohung durch Neonazis ist allgegenwärtig. Wie sehr, das zeigt unser Rückblick auf 2020 hier im Rechtsextremismus-Watchblog Störungsmelder.

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„Jemand sagte zu mir: ‚Ihr seid keine Menschen.'“

Gewaltdrohungen, Beschimpfungen – und immer wieder Verschwörungstheorien: Reporter von Spiegel TV haben den Wahnsinn der Corona-Demos dokumentiert und abbekommen. Warum tun sie sich das an?

Interview: Tom Sundermann

Teilnehmende einer Querdenken-Demonstration im September in München
© [M] ZEIT ONLINE. Sachelle Babbar/imago images
Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen sind gruslige Veranstaltungen. Neonazis marschieren neben Verschwörungstheoretikern, Pöbler gehen auf Polizisten los, Rechtsextreme stürmen den Reichstag in Berlin. Nebenbei läuft die Verschwörungsmaschinerie heiß: Anhänger der Querdenken-Bewegung behaupten, die Pandemie gebe es nicht, die Einführung einer Diktatur stehe kurz bevor, sekundiert von einer willfährigen Propagandapresse.

Für Journalisten vermintes Gebiet. Dennoch berichtet Spiegel TV immer wieder von den Protesten. Markenzeichen: die Konfrontation von Corona-Leugnern und Rechten. Viele Beiträge sind eine Parade der schrägsten Teilnehmer – und Zeugnisse eines tiefen Misstrauens gegen den Staat. Die Reporter Marie Groß und Adrian Altmayer mussten sich während ihrer Einsätze auf den Demos schon oft anschreien und als Vertreter der Lügenpresse bezeichnen lassen. Im Interview erzählen sie von besonders unangenehmen Situationen – und warum sie trotz brenzliger Situationen immer wieder hingehen.

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Der Hass aus unserer Mitte

Die Wurzeln von rassistischem Terror liegen mitten in der Gesellschaft, meint Historiker Wolfgang Benz. Ein Aufruf an uns alle, die Ursachen eben dort zu bekämpfen.

Von Sebastian Lipp

Rechtsterrorismus
Gedenken an die Opfer des Anschlags von Hanau im Februar 2020 © dpa/Nicolas Armer

Charleston 2015, München 2016, Pittsburgh 2018, Christchurch, Kassel und Halle 2019, Hanau 2020: Hinter den Schlagworten verbergen sich Terroranschläge aus rassistischen und antisemitischen Motiven. Die Zahl der Taten nimmt zu, weltweit und auch in Deutschland steigt die Zahl ihrer Todesopfer.

Auch das Profil der Täter verändert sich: Den 80er-Jahren entstammen Rechtsterroristen aus Wehrsportgruppen, in den 90ern politisierten sich die Neonazi-Skinheads des NSU in der Rechtsrockszene. Ein relativ neuer Typus sind äußerlich unscheinbare, in den Resonanzkammern des Internets scharf gemachte Täter. Das zeigt eine Studie des Historikers Wolfgang Benz: Vom Vorurteil zur Gewalt. Benz, langjähriger Professor an der Technischen Universität Berlin, hat die schwersten Hassverbrechen der vergangenen Jahrzehnte und ihre Urheber analysiert. Er will eine Antwort finden, wie die Gesellschaft den Taten begegnen kann.

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Terrordrohung im Rap-Lied

Neonazirapper Chris Ares bringt ein neues Album heraus. In seinen Liedern schürt er Angst vor Migranten und verherrlicht rechten Terrorismus.

Von Timo Büchner

Eine Demonstration der Identitären Bewegung 2017, der Rapper Ares nahesteht © dpa/Paul Zinken

Im Juli 2019 präsentierte der rechtsextreme Rapper Chris Ares seiner Fangemeinde ein neues Lied per YouTube-Video. Zum Film einer Fahrt auf der Autobahn läuft der Song, an dessen Anfang zu hören ist, wie jemand eine Pistole lädt. Dann beginnt Ares zu rappen: „Du redest davon, dass wir tolerant sein sollen und weltoffen. Die Türen unseres Landes stehen jetzt für die ganze Welt offen.“ In Verbindung mit dem Waffengeräusch ist klar, wie diese Worte gemeint sind.

Aggressivität ist in den Texten von Ares Programm. Der Rapper, bürgerlich Christoph Zloch, ist der wohl erfolgreichste Musiker der rechtsextremen Szene und steht der Identitären Bewegung nahe. Im vergangenen Jahr stand sein Album 2014–2018 zwischenzeitlich auf Platz eins der iTunes-Charts, sein Track Neuer Deutscher Standard auf dem ersten Platz der Amazon-Charts. Im kommenden Monat veröffentlicht er sein neues Album Ares.

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