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Corona-Protest mit rechter Hilfe

 

Bei einer Querdenken-Demonstration in Düsseldorf haben Neonazis mitgemischt – nicht zum ersten Mal. Zu rechten Positionen will die Bewegung keinen Abstand halten.

Von Dennis Pesch

Rechtsextreme Teilnehmer der Düsseldorfer Querdenken-Kundgebung © Dennis Pesch

„Wir sind hier, wir sind da, HoGeSa“, schallt es am Sonntagnachmittag über den Rheinpark in Düsseldorf. Rund 100 Anhänger der rechtsextremen Organisation Hooligans gegen Salafisten (HoGeSa) sind gesammelt zu einer Kundgebung der Initiative Querdenken gelaufen. Weil viele davon vermummt und schwarz gekleidet sind, glauben einige Demonstranten zunächst, es handle sich um Antifaschisten, die die Kundgebung stören wollen. Neonazis in den Reihen der Protestteilnehmer laufen auf die Gruppe zu. Erst im letzten Moment bemerken sie, dass sie ihresgleichen gegenüberstehen.

Wegen des Tumults distanzierte sich der Anmelder der Kundgebung, Michael Schele, von den Hooligans. Doch Distanzierungen sind bei der Corona-Leugner-Bewegung Querdenken ein rotes Tuch. Schele brachte Reichsbürger gegen sich auf, die seit Monaten bei Querdenken und anderen Initiativen mit ihm zusammenarbeiten. „Wir möchten hier niemanden vor den Kopf stoßen, der sich den Zielen von Querdenken anschließt“, sagte der Redner Marcel Wojnarowicz auf der Bühne im Versuch, die Wogen zu glätten.

Gewalt am Rande der Demo

Der Streit steht symbolisch für die Heterogenität in der Bewegung von Pandemieleugnern. Rund 3.500 Menschen nahmen an der Kundgebung am Sonntagnachmittag teil. Wochen zuvor hatte sich bereits abgezeichnet, dass sich reichlich Rechtsextreme der Demonstration anschließen würden. Bis zu 300 Anhänger von HoGeSa und Neonazis von Parteien wie Die Rechte und Der III. Weg demonstrierten mit.

Die Distanzierung vom Rechtsextremismus – für viele der angereisten Neonazis ein Affront. Große Teile entfernten sich zwischenzeitlich von der Kundgebung und probten den gewalttätigen Aufstand. 200 Rechtsextremisten versuchten, eine Polizeikette zu durchbrechen, um auf die Straße zu kommen. Die Beamten hielten sie auf.

Schon am Morgen hatten mehrere Angreifer einen Anreisepunkt antifaschistischer Gruppen in Duisburg attackiert. Nach Informationen von ZEIT ONLINE waren Dortmunder Neonazis beteiligt, darunter mindestens ein mutmaßliches Mitglied der inzwischen verbotenen rechtsterroristischen Organisation Combat 18. Von bis zu 60 Neonazis berichten Betroffene des Angriffes, mit denen ZEIT ONLINE am Sonntagnachmittag sprechen konnte.

Bühne für rechte Thesen

Die Beteiligung der extremen Rechten am Querdenken-Protest hat seit Langem System, wie mittlerweile durch Forschung belegt ist. „Für die verschiedenen Parteien und Gruppen der extremen Rechten ist die Frage des Grades der Gefährlichkeit von Covid-19 nicht zentral“, schreibt der Sozialwissenschaftler Fabian Virchow von der Hochschule Düsseldorf. Rechte Akteure fänden bei den Kundgebungen eine Bühne für ihre Themen. Und so geht es bei den Protesten längst nicht mehr nur um Masken und Kontaktverbote, sondern auch um Einwanderung, Nationalismus oder Globalisierungskritik. Besonders in Düsseldorf: Die Landeshauptstadt habe sich „zu einem Zentrum der verschwörungserzählenden Pandemieleugnung in Nordrhein-Westfalen entwickelt“, schreibt Virchow.

Dass sich am Rand der Demonstration Brutalität Bahn brechen würde, hatte sich bereits zuvor abgezeichnet: Hannes Ostendorf, Sänger der Rechtsrockband Kategorie C, hatte in einem Interview gesagt: „Es ist immer ein Unterschied, ob da 70 bis 80 Mann stehen, die sportlich gekleidet sind und einen durchsetzungsfähigen Blick haben, oder wenn da eine 65-jährige Frau mit ihrem 70-jährigen Ehemann mit Enkelkind durch die Gegend läuft“. An den Zusammenstößen mit der Polizei in Düsseldorf war Ostendorf beteiligt. Sein Gesprächspartner, der Holocaustleugner Nikolai Nerling, sprach die Ausschreitungen von Neonazis und rechten Hooligans bei der Querdenken-Demonstration in Leipzig vom November an: Diese hätten „vielleicht die Argumente der Querdenker verstärkt“.

Corona-Demo in Düsseldorf
Hannes Ostendorf, Sänger der Rechtsrockband Kategorie C © Dennis Pesch

Abstand ist die Ausnahme

Nerling hatte zuvor auf einem Mitte November veröffentlichten Lied von Ostendorf zur Corona-Krise mitgesungen. „Jetzt lassen wir uns die Meinung hinterm Maulkorb verbieten“, heißt es darin, und weiter: „Widerstand ist unser Recht, komm mit uns auf die Straße, auf zum letzten Gefecht.“ Der Song namens Widerstand wurde unter anderem im Telegram-Kanal des Verschwörungsideologen Xavier Naidoo verbreitet.

Immer wieder scheinen bei solchen Gelegenheiten die Verbindungen zwischen Querdenken und der extremen Rechten durch. Als verbindendes Element dienten der Bewegung besonders „Verschwörungserzählungen, die zu inhaltlichen und milieuübergreifenden Kooperationen von Esoteriker*innen, Impfgegner*innen, Reichsbürger*innen und Rechtsextremen geführt haben“, schreibt Sozialwissenschaftler Virchow.

Nur in Ausnahmefällen komme es zu konsequenten Ausschlüssen extrem rechter Positionen und Personen. Die Demonstration in Düsseldorf war kein Ausnahmefall. Anmelder Michael Schele distanzierte sich nur vom „martialischen Auftreten“ der Hooligans, die auf die Kundgebung gestürmt waren. Als Mitstreiter sind sie weiter willkommen.