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Judenhass verbindet

 

Was die Demonstranten eint: der Antisemitismus
Das Fronttransparent der Neonazi-Demonstration in Dortmund | © Christian Martischius

In Dortmund demonstrierten am Samstag rund 600 Neonazis. Die Rechten hatten Gäste aus ganz Europa zu Besuch. Kein Wunder: Die örtliche Szene ist auf dem Kontinent bestens vernetzt. Was Russen, Bulgaren, Deutsche und Franzosen eint: der Antisemitismus.

Von Sebastian Weiermann

„Seit 1945 haben noch nie so viele Reichsfahnen in einer deutschen Stadt geweht“, verkündet Michael Brück stolz, als sich seine rechten Gesinnungsgenossen für ihren Marschzug durch Dortmund formieren. Brück, Vorsitzender der neonazistischen Kleinstpartei Die Rechte und Dortmunder Stadtrat, dürfte damit recht haben. Fast jeder Teilnehmer des Aufmarsches unter dem Titel Europa erwache trägt eine schwarz-weiß-rote Fahne. Die einzigen Fahnen, die sonst wehen, sind die Symbole von ausländischen Neonazi-Gruppen. 600 Neonazis zogen nach Polizeiangaben am Samstag durch Dortmund.

Über Monate hatte Die Rechte den Aufmarsch vorbereitet. Zu einem Kongress Anfang November im benachbarten Schwerte kamen Neonazi-Gruppen aus ganz Europa, die sich mit den deutschen Kameraden vernetzen sollten. Wie am Samstag waren schon damals Rechte aus Bulgarien, Ungarn, Russland und Frankreich zu Gast. Beim Aufmarsch gesellten sich noch Gleichgesinnte aus Norwegen und Belgien dazu.

Reden gegen „Überfremdung“ und Islamisierung

In Dortmund gibt es seit den frühen Achtzigerjahren eine Neonazi-Szene, die mittlerweile stark ausdifferenziert ist und viele Extrema hervorgebracht hat. So den Nationalen Widerstand Dortmund, eine Radikalvereinigung, die 2012 verboten wurde. Mit dem Verbot fiel auch der von Kameraden veranstaltete Nationale Antikriegstag weg – aber nicht die Sogwirkung der Dortmunder Veranstaltungen auf die europäische Rechte.

Nationalistische Gruppierungen als Musterfälle der europäischen Völkerverständigung? Auf den ersten Blick ein Widerspruch. Doch die Neonazis haben auch gemeinsame Interessen. Zum Beispiel die Angst vor der angeblichen Islamisierung, die alle Redner bei einer Kundgebung anprangern. Die einheimische Bevölkerung sei kurz davor, in Reservaten zu leben, sagt der ungarische Redner Incze Béla von einer Vereinigung namens 64 Gespanschaften (Hatvannégy Vármegye Ifjúsági Mozgalom). Ausdrücklich lobt Béla den Regierungschef Victor Orbán, der dafür gesorgt habe, dass Ungarn keine „Überfremdung“ wie den westeuropäischen Staaten drohe.

Weiteres Element des rechten Schulterschlusses: der offene Antisemitismus. Die Redner postieren sich vor einem Plakat, das den ehemaligen iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad zeigt, überschrieben mit dem Spruch „The world without Zionism“. Ein Abgesandter aus Norwegen spricht vom Ziel der „Herrschenden“, aus den Völkern Europas „“degenerierte Massen“ zu machen, deren oberster Lebensinhalt der Konsum sei. Ein russischer Redner doziert, dass die „Globalisten“ die „weißen Völker zerstören“ wollten.

„Europa, ein Konzentrationslager“

Am deutlichsten wird Zwezdomir Andronow vom Bulgarischen Nationalbund (BGNS). Er erklärt, mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges hätten „dunkle Mächte“ das Ruder in Europa übernommen, die den „Bolschewismus“ vorantrieben. Der Kontinent sei heute „ein Konzentrationslager mit dem Ziel, unsere völkische Identität zu zerstören“.

Bulgarische Neonazis beim Marsch in Dortmund | © Christian Martischius

Für Andronow ist es nicht der erste Besuch in der Ruhrgebietsstadt. Beim Antikriegstag 2007 war er erstmals aufgetreten. Zwischen Dortmund und der bulgarischen Hauptstadt Sofia funktioniert die Vernetzung besonders gut. Seit mehreren Jahren besuchen Dortmunder Neonazis den Lukow-Marsch, bei dem bulgarische Nationalisten dem 1943 von kommunistischen Partisanen erschossenen Faschistenführer Christo Lukow gedenken. Nach jedem Besuch in Bulgarien folgen Berichte, in denen die Dortmunder von der Größe der nationalistischen Bewegung vor Ort schwärmen. Neben Bulgarien sind auch Griechenland und Ungarn regelmäßige Reiseziele der Ruhr-Rechten.

Wie sich die Dortmunder Rechten vernetzen

Nicht nur bei Aufmärschen betreiben die Dortmunder Kontaktpflege. Marko Gottschalk, Sänger der bereits 1995 gegründeten Rechtsrockband Oidoxie, hatte mehrere Jahre lang in Schweden gelebt. Seit drei Jahren ist er zurück. Neben Gottschalks Skandinavien-Connection gibt es noch gute Verbindungen zu britischen Aktivisten der terroristischen Gruppe Combat 18. Deren Gründer Will Browning war vor zwei Jahren beim Tag der deutschen Zukunft an der Ruhr zu Gast.

Auch die jüngere Generation ist nicht untätig, wenn es darum geht, internationale Beziehungen aufzubauen. Der Mixed-Martial-Arts-Kampfsportler Timo K. zum Beispiel entstammt der neonazistischen Szene in Dortmund. K. tritt bei Events der rechten russischen Kampfsportmarke White Rex auf und verfügt über beste Kontakte in die russische Hooligan-Szene.

Wiederholung nicht ausgeschlossen

Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Deswegen wundert es ein wenig, wer alles nicht am Aufmarsch teilgenommen hat. Die griechische Gruppe Goldene Morgenröte fehlte, ebenso Neonazis aus Tschechien und von der italienischen neofaschistischen Bewegung CasaPound – obwohl zu den Gruppen schon seit Jahren Kontakte bestehen.

Doch das lässt sich ja in der Zukunft noch ausbügeln: Gut möglich, dass Europa erwache in Dortmund zum regelmäßigen Event wird. Seit dem Wegfall des Antikriegstags sucht die Szene nach einer neuen Veranstaltung. Ein Aufmarsch, der die Stadt zur Bühne für europäische Nationalisten macht, könnte der perfekte Ersatz sein.