Seit Jahren wird Dominik Zerbin von einem Neonazi bedroht. Immer wieder lauert der rechtsextreme Lokalpolitiker ihm auf. Von den Behörden fühlt er sich im Stich gelassen.
Von Dennis Pesch
„Jetzt zittere ich immer noch“, sagt Dominik Zerbin am Telefon gegenüber ZEIT ONLINE. Vor wenigen Minuten stand plötzlich der Neonazi Henry Schwind vor der Supermarktkasse, an der Zerbin gerade einen Kunden bediente. Schwind richtete seinen Blick auf Zerbin, warf ihm ein leichtes Kopfnicken zu und verließ den Laden. Das Nicken – eine Botschaft: Ich weiß, dass du hier arbeitest. Zerbin flüchtete von seinem Arbeitsplatz, einem Biomarkt im Gelsenkirchener Stadtteil Buer. Eine Kollegin übernahm für ihn. Es ist nicht die erste Heimsuchung: Immer wieder soll Schwind in den vergangenen Jahren im Geschäft aufgetaucht sein, berichteten Zerbins Arbeitskollegen. Nach Lebensmitteln suchte er nicht. Nach dem jüngsten Vorfall im Januar rief Zerbin seine Anwältin Sabrina Kimmeskamp an, dann den Reporter von ZEIT ONLINE – und gar nicht erst die Polizei.
Wer behauptet, sich im Ausland befunden zu haben, als er den Holocaust im Internet leugnete, kam bislang straflos davon. Das ändert sich ab dem 1. Januar 2021.
Von Dennis Pesch
Der Holocaustleugner Henry Hafenmayer saß im September 2020 wieder einmal vor Gericht. Er war in einem Berufungsverfahren vor dem Duisburger Landgericht angeklagt worden, weil er auf seiner Website den Holocaust geleugnet, Hakenkreuze hochgeladen und antisemitische Ressentiments verbreitet haben soll. Das Amtsgericht Oberhausen hatte ihn dafür bereits im März 2020 in erster Instanz zu 14 Monaten Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt. In drei von sechs Punkten allerdings hatte das Amtsgericht Hafenmayer damals freigesprochen. „Mein Mandat hat sich in die Niederlande begeben, um die Posts dort hochzuladen“, hatte der Szeneanwalt André Picker als Verteidigung angeführt.
Bei einer Querdenken-Demonstration in Düsseldorf haben Neonazis mitgemischt – nicht zum ersten Mal. Zu rechten Positionen will die Bewegung keinen Abstand halten.
Von Dennis Pesch
„Wir sind hier, wir sind da, HoGeSa“, schallt es am Sonntagnachmittag über den Rheinpark in Düsseldorf. Rund 100 Anhänger der rechtsextremen Organisation Hooligans gegen Salafisten (HoGeSa) sind gesammelt zu einer Kundgebung der Initiative Querdenken gelaufen. Weil viele davon vermummt und schwarz gekleidet sind, glauben einige Demonstranten zunächst, es handle sich um Antifaschisten, die die Kundgebung stören wollen. Neonazis in den Reihen der Protestteilnehmer laufen auf die Gruppe zu. Erst im letzten Moment bemerken sie, dass sie ihresgleichen gegenüberstehen.
In der Bewegung gegen die Corona-Politik geben Reichsbürger und Verschwörungstheoretiker den Ton an. Auf einer Demonstration in Düsseldorf zeigt sich: Von Distanzierung halten die Veranstalter wenig.
Von Dennis Pesch
„Ungechipt und ungeimpft“ steht auf einem gelben Stern an der Brust eines Mannes. Er spricht vor über 2.000 Menschen auf einer Bühne an den Düsseldorfer Rheinwiesen. Hier haben sich am Sonntag die Teilnehmer einer Demonstration der Querdenken-Bewegung gegen die Corona-Schutzmaßnahmen versammelt. Die Anlehnung an den Judenstern ist Ausdruck eines Opfergedankens – und ein unverhohlener Vergleich der Regierung mit den Nationalsozialisten. Zumindest Teile von Querdenken tummeln sich zugleich in der Szene von Rechtsextremen und Reichsbürgern.
Hat die Essener Polizei ein Problem mit systemischem Rassismus? Ihr Chef glaubt: Nein. Doch Beamten seiner Behörde werden immer wieder schwere Verfehlungen vorgeworfen.
Von Dennis Pesch
Am 18. Juni dieses Jahres steht der psychisch erkrankte Adel B. im Essener Stadtteil Altendorf auf der Straße. Er versucht, sich mit einem Messer das Leben zu nehmen. Polizeibeamte rücken an, richten Waffen auf ihn. Irgendwann geht Adel B. nach Hause, die Polizisten folgen ihm. Als er sein Haus betritt, rennt ihm ein Polizist hinterher und erschießt ihn durch die Tür. Der 32-Jährige stirbt.
Die Polizei behauptete, B. sei mit dem Messer auf die Beamten zugestürmt. Sie hätten ihn in Notwehr erschossen. Das Video eines Anwohners zeigt, dass das so nicht stimmt. Die Mutter des Getöteten fragt sich bis heute: „Wäre mein Sohn auch gestorben, wenn er Thomas geheißen hätte? Hätte er psychologische Hilfe bekommen, statt von der Polizei erschossen zu werden?“
Die NPD hat einen Duisburger und dessen Frau für die Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen nominiert – gegen deren Willen. Es ist nicht die einzige Unregelmäßigkeit in diesem Jahr.
Von Dennis Pesch
Es ist Mitte August, als Martin Sahl und Alexandra Schuster aus Duisburg erstmals auf ihre scheinbare Beteiligung an der Kommunalwahl angesprochen werden. Wenn am Sonntag in Nordrhein-Westfalen neue Stadträte und Bürgermeister gewählt werden, treten sie an – für die rechte NPD. „Ich war geschockt“, sagt Sahl gegenüber ZEIT ONLINE. Er engagiert sich gegen die rechtsextreme Bewegung Pegida. „Viele meiner ausländischen Freunde haben gedacht, dass ich jetzt ein Nazi bin“, sagt er. Auch Schuster, seine Ehefrau, konnte gar nicht begreifen, was da passiert ist.
Teilnehmende der Berliner Corona-Demo haben versucht, den Reichstag zu stürmen. Dokumente belegen: Viele von ihnen sind Covid-19-Leugner, radikalisiert unter Aufsicht von Reichsbürgern.
Von Dennis Pesch
„Wir müssen vom Reichstag die bundesrepublikanische Fahne runterholen. Da muss eine schwarz-weiß-rote Fahne hingehängt werden“, sagt der Reichsbürger Manfred H. Mitte August in einer WhatsApp-Sprachnachricht. H. spricht über die Großdemonstration, die gut zwei Wochen später in Berlin geplant ist: „Erst mal müssen wir mit den Fahnen vor den Botschaften auftauchen!“
In Düsseldorf sind Demos von Corona-Leugnern bestens besucht – trotz zunehmender Lockerungen. Manche Teilnehmer kommen zum Feiern, andere radikalisieren sich.
Von Dennis Pesch
Schlagzeugsound aus Musikboxen peitscht über den Düsseldorfer Burgplatz, mitten in der Altstadt. Rund 600 Menschen wedeln an einem Samstag Mitte Juli mit Fahnen und tanzen zur Musik. „Jetzt geht es los zum Spaziergang“, ruft Bernd Bruns ihnen zu. Er hat die Versammlung der sogenannten Corona-Rebellen angemeldet. Die Teilnehmer demonstrieren seit rund drei Monaten wöchentlich für „Freiheit“ – was für sie bedeutet: gegen Maskenpflicht, Kontaktbeschränkungen und Abstandsregeln. Andere wollen eine vermeintlich drohende Impfpflicht verhindern, manche von ihnen leugnen, dass überhaupt eine Pandemie grassiert.
Neonazis nutzen den Protest gegen Motorrad-Fahrverbote für ihre Zwecke: Sie demonstrieren im Schulterschluss mit Bikern, um rechtsextreme Parolen zu verbreiten.
Von Dennis Pesch
„Wir sind Hools und werden uns ewig jagen, gegenseitig auf die Schnauze schlagen“, schallt es über das Messegelände von Essen im Ruhrgebiet. Rund 60 rechte Hooligans grölen den Text der Neonaziband Kategorie C auswendig mit. Die Band war bereits 2014 beim gewalttätigen Aufmarsch Hooligans gegen Salafisten in Köln aufgetreten. An diesem Sonntag beschallt sie eine Veranstaltung, auf der Rechtsextreme und Motorradfahrer gemeinsam demonstrieren.
Wie in vielen deutschen Städten protestierten die rund 300 Teilnehmer gegen die Bundesratsinitiative wegen Motorradlärms. Der Entwurf soll Fahrverbote für Biker an Sonn- und Feiertagen ermöglichen. Für den Rechtsdrall der Demonstration in Essen hatte der Mönchengladbacher Ratsherr Dominik Roeseler gesorgt – er versucht seit Langem, verschiedene Milieus in einer extrem rechten Mischszene miteinander zu vernetzen.