In Düsseldorf sind Demos von Corona-Leugnern bestens besucht – trotz zunehmender Lockerungen. Manche Teilnehmer kommen zum Feiern, andere radikalisieren sich.
Von Dennis Pesch
Schlagzeugsound aus Musikboxen peitscht über den Düsseldorfer Burgplatz, mitten in der Altstadt. Rund 600 Menschen wedeln an einem Samstag Mitte Juli mit Fahnen und tanzen zur Musik. „Jetzt geht es los zum Spaziergang“, ruft Bernd Bruns ihnen zu. Er hat die Versammlung der sogenannten Corona-Rebellen angemeldet. Die Teilnehmer demonstrieren seit rund drei Monaten wöchentlich für „Freiheit“ – was für sie bedeutet: gegen Maskenpflicht, Kontaktbeschränkungen und Abstandsregeln. Andere wollen eine vermeintlich drohende Impfpflicht verhindern, manche von ihnen leugnen, dass überhaupt eine Pandemie grassiert.
Meist sind die Aufzüge in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt noch größer. Bis zu 1.000 Demonstranten kommen, trinken Bier und rufen „Masken ab!“. Das ist bemerkenswert: Mitte Mai galt Stuttgart als Hochburg von Leugnern und Widerständlern – bis zu 15.000 Menschen demonstrierten dort. Schon Ende desselben Monats waren es nur noch rund 200. Bundesweit sind die Teilnehmerzahlen mit den Lockerungen der Schutzmaßnahmen zurückgegangen. In Düsseldorf hingegen bleiben sie konstant – auch weil die Demonstrationen sich zu regelrechten Events gemausert haben.
Rassistische Parolen auf der Corona-Demo
Auf dem Burgplatz laufen Männer herum, die sich als Superman, Spider-Man, oder Stormtrooper aus Star Wars verkleiden. Am Rande des Burgplatzes lassen sich Familien mit ihren Kindern mit ihnen fotografieren. Kurz zuvor haben dieselben Männer noch auf der Bühne gestanden und die Gefahr von Covid-19 relativiert oder geleugnet.
Was das heitere Treiben kaschiert: die verschwörungsideologischen Inhalte der Demo – und teils offenen Rassismus. „Es scheint kaum noch ein Tabu zu existieren“, sagt David Meyer vom Antifaschistischen Infoportal Düsseldorf. Er dokumentiert die Aktivitäten der Gruppe seit Anbeginn. An dem Samstag im Juli etwa trägt ein Neonazi ein T-Shirt mit der Aufschrift „JDN LGN“. Die Vokale fehlen, offenbar, um sich nicht einer Anzeige wegen Volksverhetzung auszusetzen.
So offen wird Antisemitismus bei den Corona-Rebellen aber selten gezeigt. „Häufig wird er codiert geäußert“, sagt Meyer, beispielsweise, indem er als Kritik an Israel verkappt wird. Jeden Samstag tritt auf der Bühne der Rapper und Reichsbürger Sascha Vossen, Künstlername Master Spitter, auf. Immer wieder singt er dieselben Lieder mit Zeilen wie diesen:
„Es gibt nicht nur ein Massengrab im Laufe der Geschichte
Regiert von einer Schattenmacht, sie steuert diese Dinge
Dir wird die Stimme genommen und die Meinung verboten
Gesteuert sind wir alle durch geheime Logen.“„Wo kommt noch mal AIDS her, Zika und Anthrax?
Das sind die Patente aus den Vereinigten Staaten,
die in Israels Auftrag die Welt versklaven.“
Das Organisationsteam der Corona-Rebellen wird von extrem rechten Akteuren dominiert. Neben Vossen gehört Anmelder Bernd Bruns dazu. Er war bereits 2015 bei der Gründung des PEGIDA-Ablegers DüGiDa dabei und stand im engen Kontakt mit dessen Initiatorin Melanie Dittmer. Das Publikum hingegen ist einigermaßen breit gefächert: Veganerinnen versammeln sich neben Impfgegnern, Anhängerinnen von verschiedenen Verschwörungsideologien wie QAnon, an die sich auch die Rechtsterroristen von Halle und Hanau anlehnten, neben Kadern der Identitären Bewegung und evangelikalen Christen. Auch Florian Josef Hoffmann, Oberbürgermeisterkandidat der Düsseldorfer AfD für die Kommunalwahl im September, ist dabei.
Den Teilnehmern geht es nicht nur um Corona-Maßnahmen
Was das Spektrum der Teilnehmer eint, sind Feindbilder. Ein großer Teil der Demonstrantinnen und Demonstranten „zeigt ein diffuses Verständnis von Freiheit“, sagt Meyer. Es gehe selten um die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie: „Unter dem Begriff ‚Freiheit‘ wird auch das Ende der angeblichen ‚Besatzung‘ Deutschlands durch die USA gefordert“, sagt er. Der Protest gegen die Kontaktbeschränkungen sei nur „der Anfang“. Es gehe auch um Themen wie die Verhinderung der fiktiven Zwangsimpfung und den Kampf gegen eine imaginierte „Neue Weltordnung“.
Durch die große Diversität schwebe jedoch zugleich ständig die Gefahr einer Spaltung über der Gruppe. „Konflikte und Streit wollen die Corona-Rebellen um jeden Preis vermeiden“, sagt Meyer und liefert ein Beispiel: Seit Wochen zeigen sich Reichsbürger mit neonazistischen schwarz-weiß-roten Fahnen oder Reichskriegsflaggen auf den Demos. Innerhalb des Telegram-Chats der Gruppe führte das zu einer hitzigen Diskussion: „Es ging hauptsächlich um die Außenwahrnehmung, kaum um den Inhalt“, sagt Meyer.
Kaum jemand stört sich an der belasteten Flagge
Die Organisatoren hielten eine Umfrage über das Zeigen der Fahne ab. 61 Prozent der Teilnehmer stimmten für die Option „Ich möchte, dass jeder die Freiheit hat, selber zu entscheiden“. 14 Prozent teilten mit, die Fahne störe sie nicht. Nur ein Viertel hatte nach eigenem Bekunden ein Problem damit.
Daraufhin fand sich eine Art Kompromiss: Mitte Juli appellierte Rapper Vossen auf der Bühne an die Demonstranten, schwarz-weiß-rote Fahnen „zum Wohle der Gemeinschaft und zum Erreichen der gemeinsamen Ziele nach Möglichkeit“ nicht mitzubringen. Im selben Atemzug teilte er mit, dass er die Motivation nazistische Fahnen zu tragen, für sinnvoll halte. In der Folge wehen immer noch einige der Fahnen über der Düsseldorfer Menschenmenge – die entsprechende Ideologie inklusive.