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Goldgräber am rechten Rand

 

Erst bringen sie Verschwörungstheorien unters Volk – dann Goldbarren: Ein Netzwerk von Edelmetallhändlern und Influencern verdient Geld mit rechter Hetze.

Von Dominik Lenze

Verschwörungstheoretiker verdienen gut am Verkauf von Gold und Silber (Symbolfoto).
© dpa/Sven Hoppe

In Sachen Politik hat Thorsten Schulte ein ziemlich pessimistisches Weltbild. „Deutschland steht im Zentrum der Fremdbestimmung“, poltert er auf seinem Telegram-Kanal und spricht von einer „großen Täuschung“. Die Corona-Pandemie: alles geplant, Politiker: nichts weiter als Marionetten – so lesen sich die Botschaften, die der 48-Jährige unter dem Pseudonym Silberjunge regelmäßig an seine 45.000 Follower schickt. Anders als viele andere Verschwörungstheoretiker, die sich dort tummeln, bringt Schulte allerdings auch konkrete Ratschläge unters Volk: Wer sich sorgt, der solle sich mit Silber eindecken.

Damit trifft er unter seinesgleichen einen Nerv. Denn Verschwörungsglaube und die Preise für Edelmetalle haben etwas gemeinsam: In Krisenzeiten haben sie Hochkonjunktur. Der Goldpreis stieg im Pandemiejahr 2020 beinahe auf ein Allzeithoch, auch Silber erlebte Höhenflüge. Geschäftstüchtige Verschwörungserzähler schlagen daraus Profit: Sie schüren Angst vor einem nahenden Wirtschaftskollaps – und bieten ihrer Anhängerschaft Gold und Silber als vermeintlich krisensicheres Investment an. Die kann der verängstigte Anleger bequemerweise meist direkt bei Untergangspropheten kaufen.

Neue Kunden aus dem Querdenker-Milieu

Thorsten Schulte ist nicht der einzige Edelmetall-Apokalyptiker – aber einer der schillerndsten. Der ehemalige Investmentbanker hat sich erst als neurechter Bestsellerautor, dann als Redner bei der Querdenken-Bewegung einen Namen gemacht. Außerdem sitzt der selbst ernannte Silberjunge im Verwaltungsrat der Elementum AG. Das Unternehmen vertreibt, handelt und lagert nach eigenen Angaben Edelmetalle aller Art. Schultes politisches Wirken scheint die Firma nicht zu stören. Ganz im Gegenteil: Auf ihrer Website empfiehlt Elementum dessen Buch Fremdbestimmt, eine rechtspopulistische Hetzschrift. Es handle sich um ein „Buch, das Augen öffnet und zum Handeln aufruft“.

Die Begeisterung für Edelmetalle am rechten Rand wundert Niels Nauhauser, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, nicht: „Im rechtsradikalen Milieu erwartet man ja auch den nahenden Untergang des politischen Systems. Das ist genau die Erwartungshaltung, bei der Gold als einzig sicherer Hafen gilt“, sagt er. „Aber Gold und Silber sind nicht krisensicher.“ „Von solchen Geschäften profitieren einzig die Händler“, sagt Nauhauser. Der Verbraucherschutz warnt seit Jahren vor den unseriösen Anlagetipps der „Crash-Propheten“.

Heute akquirieren die Crash-Propheten von damals ihre Kundschaft im Querdenker-Milieu. Manche, wie Thorsten Schulte, stehen auch Rechtsradikalen nahe: Sein Fremdbestimmt-Buch hat den Identitären-Rapper Chris Ares zu einem Propagandastück inspiriert. In dem Musikvideo ist auch der Silberjunge zu Gast.

Das Netzwerk der Händler

Das Geschäftsmodell hatten die Autoren Liane Bednarz und Christoph Giesa bereits 2015 in ihrem Buch Gefährliche Bürger beschrieben. Die Crash-Apologeten hätten ein Interesse daran, heißt es dort, dass das „anlagefreudige Publikum immer eine Art Grundpanik verspürt“. Um diese Panik zu füttern, haben die apokalyptisch eingestellten Edelmetallhändler seit der Finanzkrise einen ganzen Kosmos aus Büchern und Blogs, Magazinen und YouTube-Formaten aufgebaut. Schon damals waren Tipps zur Geldanlage und antisemitische Hetze nur wenige Mausklicks entfernt.

Der Goldrausch ist dabei nicht nur das Werk einiger Geschäftstüchtiger – hinter der Begeisterung scheint ein regelrechtes Netzwerk zu wirken. Der Produzent eines Anti-Lockdown-Films aus der Schweiz, Claudio Grass, ist nicht nur Impfgegner, sondern ebenfalls Edelmetallexperte. Er steht dem Ludwig-Mises-Institut nahe. Das Mises-Institut ist ein neoliberaler Thinktank, das personelle Verflechtungen mit Schultes Elementum AG hat, außerdem mit dem bekannten Goldhandel Degussa. Dessen Geschäftsführer, Markus Krall, macht auch Goldreklame mit Verschwörungsgeschichten. An der Pandemie hat ihn ganz offensichtlich nicht nur die Aussicht auf steigende Goldpreise gefreut: „Nach Corona ist vor der bürgerlichen Revolution“, sagte er im Interview mit einem einschlägigen Magazin schon im April 2020. Weder Degussa noch Thorsten Schulte wollten sich zu ihren Aktivitäten äußern.

Einige Beobachter vermuten, dass es dem Netzwerk der Goldhändler nicht nur um Profit geht: Nach Recherchen der Schweizer Wochenzeitung WOZ und des Spiegels soll Degussa an der Finanzierung der AfD beteiligt gewesen sein. Der Soziologe Andreas Kemper beobachtet das Netzwerk seit Jahren. Er vermutet, Degussa nutze seine finanziellen Mittel, um antidemokratische Netzwerke zu stärken. Der Antisemitismusbeauftragte von Baden-Württemberg, Michael Blume, hält es für möglich, dass die Goldhändler nach Querdenken zu den nächsten großen Verschwörungspredigern werden könnten.

Kampagne gegen die Impfung

„Aber es geht nicht um den Goldverkauf allein“, sagt Blume. „Sie verdienen am Verkauf, an der Lagerung, am Vertrieb von Büchern – erst das Gesamtpaket ist wirklich profitabel.“ Das Ziel sei eine langfristige „Kundenbindung“: „Dann kann die Abzocke Jahre oder Jahrzehnte dauern.“

Das Geschäft ist ertragreich, solange der Angstpegel hoch bleibt. Gute Nachrichten sind dabei schlecht fürs Geschäft: Die Entwicklung des Impfstoffs zum Beispiel hat sich zum Beispiel negativ auf den Goldpreis ausgewirkt. Die Clique der rechten Gold- und Silberhändler macht auf Telegram Stimmung gegen die Impfung, mit falschen oder aus dem Zusammenhang gerissenen Zahlen über Impftote und Horrorgeschichten: „Ihr bekommt mich nicht an die Giftnadel“, schreibt Silberjunge Schulte.

Die Corona-Proteste haben die zweifelhaften Edelmetallhändler jedenfalls von Beginn an mit Wohlwollen betrachtet: In einem Podcast des Mises-Instituts erzählte der Schweizer Impfgegner Claudio Grass, er habe schon im März 2020 mit der Planung seines Anti-Lockdown-Films begonnen. Degussa-Chef Markus Krall schwärmte bereits im April 2020 von zwei Millionen Menschen, die sich vorm Kanzleramt „zum Sturz der Regierung“ versammeln sollten. Schulte sprach auf zahlreichen Protesten.

Auf der ersten Berliner Großdemonstration der Querdenker 2020 trieb er die Teilnehmerinnen und Teilnehmer – ohne Erfolg – dazu an, eine „Menschenkette“ um das Kanzleramt zu bilden. Wenige Wochen später versuchten immerhin 300 bis 400 Extremisten, den Reichstag zu stürmen, angestachelt von Verschwörungserzählungen. Dem Goldpreis hat das nicht geschadet.