Es klingt völlig absurd, widerspricht jeglichen pädagogischen Erfahrungen mit der rechtsextremen Szene und ist doch bittere Realität. In Dortmund sollen 30 militante Neonazis im Rahmen eines Modellprojekts zusammen mit 30 demokratischen Jugendlichen über die Zukunft Dortmunds diskutieren. Das Bundesprogramm „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“ von Familienministerin fördert dieses Vorhaben mit rund 300.000 Euro. Ob hierbei Erfolge erzielt werden können, ist mehr als fraglich.
Allein der Titel des Projekts „Dortmund den Dortmundern“ lässt auf ein absolutes Wissens-Defizit im Bezug auf rechtsextreme Argumentationsmuster schließen. Ist es doch genau das, was die Neonazis seit Jahren fordern: ein „reinrassiges“ Dortmund ohne Ausländer, Obdachlose, alternative Jugendliche oder Homosexuelle. Erwartungsgemäß reagierte die Naziszene auf den Titel hoch erfreut und kündigte im Internet sofort ihr Interesse an.
Die Multilateral Academy Gmbh will die gewaltbereiten Neonazis der Dortmunder „Autonomen Nationalisten“ gemeinsam mit demokratischen Jugendlichen über die Zukunft Dortmunds debattieren lassen. Laut der Projektbeschreibung, die seit einiger Zeit auf der Homepages des Bundesprogramm „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“ einsehbar ist, soll es dabei um die Frage „Wie soll Dortmunds Zukunft aussehen und wessen Stadt soll es sein?“ gehen. Mit Hilfe einer Zukunftswerkstatt sowie Kreativworkshops soll eine „Brücke zur Gegenüberstellung der Meinungen“ gebaut werden. Das Projekt wird dabei durch das Bundesfamilienministerium mit 300.000 Euro gefördert.
Die antifaschistische Zeitschrift LOTTA beschreibt das Ganze folgendermaßen: „Das Projekt bietet Neonazis eine Bühne, auf der sie sich in Szene setzen können; ihre Inhalte werden als „diskussionswürdig“ geadelt. Ein Blick auf ihre Internetseiten oder das Anhören eines ihrer Redebeiträge würden vollkommen genügen, um zu erkennen, wie sich Neonazis die Dortmunder Gesellschaft wünschen.“ Tatsächlich mutet es seltsam an, das gewaltbereiten Neonazis eine staatlich geförderte Plattform geboten werden soll, um ihre Ideologie zu verbreiten. Gerade in Dortmund versuchen Neonazis immer wieder, durch Einschüchterung und gewalttätige Übergriffe klar zu machen, dass für sie die Frage, wem die Stadt gehört, schon längst beantwortet ist. Es ist daher kein Wunder, dass sich Neonazis über das Projekt begeistert zeigen. Auf einschlägigen Internetseiten ist zu lesen: „Der Titel „Dortmund den Dortmundern“ lässt schon hoffen – vielleicht ist dies bereits eine indirekte Anspielung auf die Überfremdung unserer Stadt, was sicherlich als positiver Schritt seitens der Projektplaner zu bewerten ist.“
Nach Bekanntwerden des Vorhabens wurde jedoch von verschieden Seiten zum Teil heftige Kritik geäußert. Antifaschistische Gruppen sehen es als gefährlich an, mit Neonazis diskutieren zu wollen: „Gerade die Kader der Neonaziszene, die explizit in das Projekt eingebunden werden sollen, werden sich für diese Möglichkeit der öffentlichen Präsentation ihrer rassistischen und antisemitischen Ideologie bedanken.“ heißt es in einem offenen Brief des Dortmunder Antifa Bündnis. Zudem sei es „naiv zu glauben, dass überzeugte und ideologisch gefestigte Neonazis an einem solchen Vorhaben teilnehmen, um ihre Positionen ergebnisoffen zu diskutieren.“ Die mobilen Beratungen gegen Rechtsextremismus in NRW können dem Projekt ebenfalls nur wenig abgewinnen. In einer gemeinsamen Stellungnahme wird kritisiert, dass mit ideologisch gefestigten Neonazis voraussetzungslos gearbeitet wird. Dies würde „der gängigen Praxis von Sozialarbeit mit extrem rechten Jugendlichen“ widersprechen. Die Stadt Dortmund, welche zunächst als Kooperationspartner des Projektes aufgeführt war, sah nach der öffentlichen Kritik offenbar auch keinen Grund mehr für eine Zusammenarbeit. So wurde dem Projektträger schriftlich untersagt, die Stadt weiterhin als Partner zu nennen.
Auch bei der Multilateral Academy Gmbh wurde zwischenzeitlich wieder zurück gerudert. Zwar soll das Projekt weiterhin stattfinden, jedoch mit einer modifizierten Planung. Nur beim Familienministerium zeigt man sich weiterhin unbeeindruckt. Die Fördersumme bleibt bis auf weiteres bestehen. Durch das Bundesprogramm „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“, welches zuletzt mit der strittigen „Extremismusklausel“ für große Aufregung sorgte, fließen daher Gelder in ein Projekt, bei dem Nazis ohne Vorbehalte über die Entwicklung „ihrer Stadt“ diskutieren dürfen. Toleranz, wie es der Name des Programms suggeriert, wird auf diese Weise zumindest nicht gefördert.