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„Raus aus Europa“ – Viele Redner wenig Teilnehmer

 

Kapuzenpulli, Turnschuhe und Tücher vor dem Gesicht - die meisten Teilnehmer stammten aus dem rechtsextremen Hooligan-Milieu © Getty

„Tommy, Tommy, Tommy“. Ganz lässig winkte Tommy Robinson den lautstarken Zuspruch ab. Am vergangenen Samstag war der Vorsitzende der „English Defence League“ (EDL) der Star bei der ersten europäischen „Anti-Dschihad“-Kundgebung. Bei strahlendem Sonnenschein und kaltem Wind sagte Robinson im dänischen Aarhus: „Das ist heute ein historischer Tag. Die Bewegung wächst. Wir sind im Krieg gegen den Islamismus. Wir werden siegen“. „Never surrender“ – niemals aufgeben, skandierten die Teilnehmer aus neun Ländern. Das Credo der Kundgebung, dass immer wieder gerufen wurde.

Der historische Tag begann im Molleparken mitten in der zweigrößten Stadt Dänemarks, allerdings mit größerer Verspätung. Vor der Bibliothek am Park gelang der „Danish Defence League“ (DDL) nicht die Lautsprecheranlage anzuschalten. Eiligst bemühte sich die DDL, die sich wie viele Defence Leagues nach dem Vorbild der EDL gründeten, eine neue Sprechanlage zu organisieren. Ohne Erfolg: Von einem Abschleppwagen sprachen letztendliche die elf Vertreter verschiedener Anti-Islam-Initiativen durch ein Megaphon zu den Teilnehmern, die Fahnen mit Aufdrucken gegen den Islam hochhielten oder Westen mit „Freiheit statt Scharia“ trugen. Dass Megaphon genügte aber auch. Denn die Kundgebung – zu der Redner unter anderem aus Norwegen, Frankreich und Deutschland angereist waren – war keine Großkundgebung, wie die Redeliste hätte vermuten lassen können. Keine zweihundert Teilnehmer standen an den Stufen zu der Bibliothek. Die Zahl war schwer einzuschätzen, die Polizei hatte den Park nicht abgeriegelt. So standen unzählige Schaulustige und viele Journalisten neben den Kundgebungsteilnehmern.

„Wir sind keine Rassisten, der Islam ist aber ein politisches Programm der Weltbeherrschung“, sagte eine etwa 40-Jährige Frau aus München beim Warten auf den Veranstaltungsbeginn. Ein Mann, knapp 20 Jahre, aus Frankfurt am Main, ergänzte: „Mit dem Koran haben die eine Rechtfertigung uns zu töten“. Die Frau elegant gekleidet, mit Yves Saint Laurent Tasche, stimmte dem Mann, schlicht angezogen, zu. Das die EDL 2009 aus der britischen Hooligan-Szene entstand wurde abgewimmelt. „Die haben da eine andere Situation. Halb London ist in der Hand von Islamisten“, meint ein über 50-Jähriger, der nicht sagen mochte aus welcher deutschen Stadt er kommt. Nach der Nachfrage, von welcher Zeitung man sei, wendete er sich ab. Der Hooligan-Chic war bei der dreistündigen Kundgebung so auch ein weiterer Look. Gerade die Anhänger der EDL und DDL, mit aufgepumpten Muskeln, bevorzugten Kapuzenjacken, Handschuhe, Trainingshosen und Turnschuhe – einige waren gänzlich vermummt.

Auf dem Abschleppwagen hatte derweil Freja Lindgren von der DDL die Kundgebung eröffnet. Schwarzes Basecape, dunkle Sonnebrille, alte Pelzjacke und einen schwarzen Kapuzenpullover trug sie, als sie kurz betonte, ihr Land nicht den Islamisten zu überlassen. „Mein Vater war im Widerstand gegen die deutsche Besatzer, ich bin es gegen die neuen Besatzer“, sagte sie. Robinson, mit Basecape auf der das EDL-Logo, ein geschweiftes Georgskreuz, prangte und mit T-Shirt „EDL hate Nazis & Islamists“ gekleidet, erklärte, dass er vielen Angriffen ausgesetzt sei, aber auf der Straße immer wieder großen Zuspruch erfahre. Trotz des Shirtbekenntnisses hat die EDL, die bei Aufmärschen oft die militante Konfrontation sucht, eine rechtsextrem-affine Anhängerschaft. Im Look der EDL erschien auch die German Defence League um Andre Sachsen. „Maximalen Widerstand gegen den Islam“ versprach er. Lars Grønbæk Larsen, der früher im Umfeld der Neonazigruppe Dansk Front aktiv war, versicherte nun für die Vederfølner: „Niemals aufzugeben“. Diese Bündnispartner sind für Michael Stürzenberger, Landesvorsitzender der „Freiheit“ und Bundesvorstandsmitglied“, kein Problem. Achtzehn Stunden seien sie aus München mit einem Bus gefahren, sagte er, um hier zusammen für ein Europa ohne Islam und Moscheen stehen zu können. Eine Israel-Fahne hielt er vor der Rede in der Hand: „Israel steht in der direkten Frontlinie zum Dschihad“, erklärte er bevor er auf den Abschleppwagen stieg. Durchs Megaphon schimpfte er, mit Windjacke und Hemd gekleidet, sogleich über die „Linksfaschistischen“ und „Antidemokraten“. „Da hinten stehen sie“, sagte er und zeigte auf die Gegendemonstranten.

Eine Stunde von der „Anti-Dschihad“-Kundgebung hatte eine Gegendemonstration am Rathaus begonnen. Keine zehn Minuten Fußweg von der Bibliothek entfernt. An die 5.000 Demonstranten waren dem Motto „Vielfalt für Aarhus“ eines breiten Bündnisses gefolgt. Nach einer Demonstration hatten sich viele Gegner zu dem Park aufgemacht. Vereinzelt flogen Flaschen und Steine. Die EDL- und DDL-Anhänger wollten gleich losstürmen. Beamte in Zivil stoppten sie. Als Gegendemonstranten im Park näher an die Kundgebung herankamen, schlugen Kundgebungsteilnehmer auf sie ein. In das kurze Handgemenge schritt die Polizei schnell ein und nahm eine Person fest. Ein Bus der letzten Kundgebungsteilnehmer wurde bei der Abfahrt mit Steinen und Flaschen beworfen. An die 80 Personen kamen in Gewahrsam. Die EDL um Robinson war da schon auf dem Rückweg.