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Braunes Netzwerk im Thüringer Becken

 

Ungewohnte Post fanden die Einwohner der Gemeinde Guthmannshausen im thüringischen Landkreis Sömmerda in ihren Briefkästen. In einem knapp 20-seitigen Heft wurden sie über das Programm des rechtsextremen „Verein Gedächtnisstätte“ informiert, der Ende des vergangenen Jahres ein ehemaliges Rittergut in dem 900 Seelen Ort bezogen hatte. Laut Satzung verfolgt er das Ziel, „eine würdige Gedächtnisstätte für die deutschen Opfer des Zweiten Weltkrieges“ zu erreichten. Doch auch an seinem neuen Standort wird der Verein seinem Ruf gerecht, Teil eines bundesweiten Netzwerks von Holocaustleugnern und Geschichtsrevisionisten zu sein.

Schon bei der ersten Veranstaltung nach dem Wechsel vom sächsischen Borna in das neue Domizil nördlich von Weimar hatte die Gründerin, langjährige Vorsitzende und Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck über „Die Vertragsbrüche der Bundesregierung“ gesprochen. Mit seinem ersten Halbjahresprogramm setzt der „Verein Gedächtnisstätte“ weiterhin auf rechtsextreme Referenten.

U. Haverbeck in Bad Nenndorf, Foto: K. Budler

So redete der zweite Vereinsvorsitzende Albrecht Jebens über „Friedrich der Große“ – das ehemalige CDU-Mitglied referierte auch schon bei der NPD und war im Vorstand der „Gesellschaft für freie Publizistik“ (GFP) aktiv, der bundesweit größten rechtsextremen Kulturvereinigung. Auch der 1931 geborene Paul Latussek gehörte zu den Referenten auf dem Herrenhaus. Der ehemalige Vizepräsident des „Bund der Vetriebenen“ (BdV) hatte 2001 am Jahrestag der deutschen Novemberpogrome die Ermordung von Juden in Auschwitz verharmlost. Latussek ist Vorsitzender der Landesgruppe Thüringen der Landsmannschaft Schlesien, die erst im vergangenen Jahr aus der Bundeslandsmannschaft Schlesien ausgeschlossen worden war. Grund war die Fortsetzung der Kooperation mit der Schlesischen Jugend (SJ) in Thüringen, nach deren rechtsextremen Umtrieben sich die übrigen Landesverbände von ihr distanziert hatten.

Deutschenvertreibung“ als „ethnische Säuberung“?

Rittergut in Guthmannshausen

Da wundert es nicht, dass sich auch die SJ offenbar in Guthmannshausen wohlfühlt und mit einem Frühlingsfest im Programm vertreten ist. Zum Thema „Vertreibung der Deutschen aus den Ostgebieten“ sprach in diesem Rahmen Heinz Nawratil, den das Magazin „Der Stern“ 2005 mit der Aussage zitierte: „Summa summarum war die Deutschenvertreibung von 1945 die größte ethnische Säuberung der Weltgeschichte“. Der promovierte Jurist ist Mitglied der „Gesellschaft für bedrohte Völker“ und referierte bereits beim Lesertreffen der Verlagsgruppe „Lesen und Schenken“ des rechtsextremen Verlegers Dietmar Munier in Bayern. Beim diesjährigen Lesertreffen war auch die Heilpraktikerin Bettina Binsteiner zu Gast, die das Anwesen in Guthmannshausen erworben hatte. In Kooperation mit der SJ lädt der Verein Gedächtnisstätte zur Sommersonnenwendfeier ins Herrenhaus ein, der Vereinsvorsitzende Wolfram Schiedewitz aus dem niedersächsischen Seevetal ist dabei mit einem Vortrag zum 20-jährigen Bestehen des Vereins vertreten. Bei der geschichtsrevisionisten Ausrichtung sind auch Referenten wie der 1930 geborene Hans-Joachim von Leesen nicht weit. Der ehemalige Redakteur der „Jungen Freiheit“ und Mitarbeiter beim „Ostpreußenblatt“ wird nicht müde zu behaupten, „eines der monströsesten Verbrechen war die Vertreibung der Deutschen aus Ost- und Südosteuropa“ oder von einer „Gehirnwäsche eines ganzen Volkes“ nach dem zweiten Weltkrieg zu sprechen. Von Leesens Buch“Bombenterror“ ist im „Arndt Verlag“ des rechtsextremen Verlegers Dietmar Murnier erschienen. Von einem einschlägig bekannten Verlag werden auch Bücher des „Gedenkstätten“-Referenten Hans Meiser publiziert: das Landesamt für Verfassungsschutz in Baden Württemberg zählt den Grabert-Verlag zu „einem zu den ältesten und „bedeutendsten organisationsunabhängigen rechtsextremistischen Verlage in Deutschland“. In einem dort verlegten Aufsatz behauptet der ehemalige Lehrer Meiser: „Tatsache ist jedoch, dass die Angehörigen der Wehrmacht einschließlich der Waffen-SS“ anerkanntermaßen die diszipliniertesten Truppen der Welt waren, das Völkerrecht achteten und um ein gutes Verhältnis zur Bevölkerung in den besetzten Gebieten bemüht waren“. In Guthmannshausen referiert er über „Die Ausplünderung Deutschlands 1919-2010“, knapp acht Wochen später ist er zum selben Thema zu Gast bei einer NPD-Veranstaltung in Dortmund.

Kritiker als „Verleumdungs-Reisekader“ bezeichnet

Trotz der entsprechenden Referenzen seiner Gäste wehrt sich der Vorsitzende des 1992 gegründeten „Verein Gedächtnisstätte“, Wolfram Schiedewitz, weiterhin gegen den Vorwurf, der Verein sei rechtsextrem: Kritiker bezeichnet der Landschaftsarchitekt als „Verleumdungs-Reisekader“, von sich selbst behauptet er „Mit Rechtsextremisten habe ich nichts zu tun“.

W. Schiedewitz beim "Arbeitseinsatz"

Die Kritik an Geschäftsbeziehungen zwischen ihm und dem Land Niedersachsen kontert Schiedewitz gar mit der Frage: „Wodurch unterscheidet sich dieser Denkansatz von der Schlagzeile: ‚Kauft nicht bei Juden‘?“. Das niedersächsische Landesamt für Verfassungsschutz indes bleibt dabei und attestiert eine „rechtsextremistische Ausrichtung des Vereins“. Eine Sprecherin erklärte auf Anfrage: „So arbeitet der Verein eng mit mit verschiedenen rechtsextremistischen Vereinen ähnlicher Zielsetzung, u.a. der NPD und der Schlesischen Jugend, zusammen. Außerdem bestehen Verbindungen in die rechtsextremistische Skinhead- und in die neonazistische Kameradschaftsszene“. Personelle Verstärkung erhielt der Verein vom „Freundschafts- und Hilfswerk Ost e.V.“ (FHWO) mit Sitz in Bad Bevensen. Der Verein wurde 1991 von dem Bremer NPD-Landesvorsitzenden Karl-Heinz Vorsatz gegründet und später vom NPD-Funktionär Klaus Hoffmann weiter geführt, zehn Jahre nach seiner Gründung wurde der FHWO in der vorgelegten Materialsammlung der Verfassungsschutzbehörden zum NPD-Verbot erwähnt. 2006 trat der FHWO dem Verein Gedächtnisstätte bei.