Seit dem Bekanntwerden der rechtsterroristischen Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ steht vor allem auch Thüringen als Herkunftsland der Terroristen im Blickpunkt der Betrachtungen. Um besonders auf die aktuelle Situation der rechtsextremen Szene in Thüringen aufmerksam zu machen, organisierte die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus (Mobit) eine Informationsfahrt durch Thüringen.
Streit in der Landesregierung
Die Sicherheitsbehörden und die Politik stehen nach dem Bekanntwerden weiterer Ermittlungspannen stark unter Druck. Nachdem Anfang Juli der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz zurückgetreten war, entließ der Thüringer Innenminister Jörg Geibert vor wenigen Tagen seinen Verfassungsschutzchef. Die offensichtlich geringen Fortschritte bei der Aufklärung der Ermittlungspannen führten jüngst auch zu erheblichen Spannungen innerhalb der Regierungskoalition zwischen SPD und CDU in Thüringen. So bezeichnete der Fraktionsvorsitzende der SPD Uwe Höhn die Regierungserklärung des Innenministers Jörg Geibert Ende Juni als in „Teilen sogar peinlich“. So konnte es kaum verwundern, dass die Informationsfahrt der Mobit mit drei Ministern recht hochkarätig besetzt war. Neben der Thüringer Sozialministerin Heike Taubert (SPD), deren Ministerium die Fahrt maßgeblich finanzierte, nahmen Innenminister Jörg Geibert (CDU) und auch Justizminister Holger Poppenhäger (SPD) partiell an der Fahrt teil. Bereits vor der Fahrt fand Innenminister Geibert lobende Worte für die organisierte Informationsfahrt. Diese sei „ganz gut“, da ihr Ziel nicht sei zu „stigmatisieren“ sondern zu „sensibilisieren und zu problematisieren“, sagte der Innenminister gegenüber des MDR.
Die Mobile Beratung geht in Thüringen derzeit von neun Immobilien aus, die entweder von Personen aus der rechtsextremen Szene erworben wurden oder ihr für regelmäßige Nutzungen zur Verfügung stehen. „Dies sind die uns bekannten Häuser und Lokale“, sagt Mikis Rieb von Mobit. Meist befinden sich die Häuser im ländlichen Raum, wo Rechtsextreme mit weniger Gegenwehr rechnen und so außerdem die kommunale Verankerung vorantreiben wollen. Die Informationstour der Mobilen Beratung machte an vier der in Thüringen einschlägig bekannten Orte halt. Neben dem „Hotel Romantischer Fachwerkhof“ in Kirchheim, dessen Besitzer nicht zur rechtsextremen Szene gezählt wird, der aber regelmäßig seine Räumlichkeiten zur Verfügung stellt, standen mit den Orten Guthmannshausen, Crawinkel und Marlishausen drei weitere Immobilien auf dem Plan, welche sich derzeit im Besitz von Personen der rechtsextremen Szene befinden.
„Wir haben als Freistaat dieses Gebäude verkauft…“
Wie die Landesregierung später mitteilte, sei das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz zwar informiert gewesen, dass der rechtsextreme Verein auf der Suche nach einer neuen Immobilie ist, habe aber erst nach dem Erwerb der Immobilie in Guthmannhausen davon erfahren. „Wir haben als Freistaat dieses Gebäude verkauft“, sagte Sozialministerin Taubert in Guthmannshausen und nun müsse man gemeinsam mit den Bürgern vor Ort eine Strategie entwickeln: „wie können sie sich den Rechten gegenüber erwehren“. Eine zivilgesellschaftliche Gegenwehr findet in der kleinen Ortschaft bisher offensichtlich nicht statt.
„Mit Weggucken ist es nicht getan…“
Schon direkt nach dem Bekanntwerden des Erwerbs bildete sich in Crawinkel ein Bürgerbündnis, um gegen die ungewollten Nachbarn zu demonstrieren. Bei einer ersten Demonstration gingen 120 Crawinkler auf die Straße, um ihrem Unmut in einem Schweigemarsch Luft zu machen. Ein mulmiges Gefühl sei es gewesen, als die Bürger direkt vor dem Haus demonstrierten, berichtet Eckert während der Bustour. Die Rechtsextremen hätten sofort die Demonstranten gefilmt und fotografiert. Doch die Crawinkler haben sich nicht einschüchtern lassen. Von Seiten „der Ministerien hätte mehr kommen können“ resümiert der Bürgermeister etwas enttäuscht und macht deutlich, dass das zivilgesellschaftliche Engagement auch die konkrete Unterstützung von Politik und Verwaltung braucht.
Die Politik ist gefragt
In Crawinkel, Guthmannshausen, Kirchheim und den anderen Orten macht die Informationsreise vor allem deutlich, dass es in den letzten Jahren zu einer fortwährenden Verankerung der rechtsextremen Szene in Thüringen kam. Diese Verankerung wird besonders auch von der NPD immer weiter vorangetrieben. So gibt die rechtsextreme Partei derzeit zehn eigene regionale Informationsblättchen raus, die der Partei nicht zuletzt 2014 den Weg in das Landesparlament ermöglichen sollen. Nur knapp scheiterte die Partei mit 4,3% 2009 am Einzug in den Thüringer Landtag. Aufgabe von Politik und Verwaltung wird es vor allem sein, in den ländlichen Gebieten Strukturen zu schaffen, die den Einbruch der Rechtsextremen entgegenstehen. Dies ist eine langfristige Aufgabe und es muss sich zeigen, ob jenseits des politischen Aktionismus rund um die Aufdeckungen der Taten der „Zwickauer Terrorzelle“ Interesse am Thema besteht.