Ein Mischspektrum aus marktliberalen, nationalen und verschwörungsideologischen Strömungen macht gegen Euro, ESM und EU-Politik mobil. Insbesondere in Internet verbreiten sich deren national-chauvinistischen Parolen. Dahingegen tourt die NPD aktuell erfolglos nach Vorbild der NRW-Tour von „Pro“ mit einem Lkw durch Deutschland. Für heute sind Kundgebungen in Oldenburg und Osnabrück angemeldet.
Die nationalistischen Reden der NPD gegen Euro und EU verhallen entweder auf leeren Plätzen oder gehen im Gegenprotest unter. Weder die übliche rassistische Hetze gegen Einwanderung noch die Forderung „Raus aus dem Euro“ ziehen ein interessiertes Publikum an. Die Teilnehmerzahlen schwanken zwischen peinlichen vier bis 20 Personen. Los ging es vergangenen Donnerstag in Wolfsburg und Hannover durch Städte Norddeutschlands.
Gestern traf es um 11 Uhr den Platz vor der Hamburger Kunsthalle und um 15 Uhr Bergedorf. Öffentlich mobilisiert wird durch die NPD nicht. So fanden sich die genauen Termine auch nur auf Mobilisierungsseiten für die Gegenproteste. Das Hamburger Bündnis gegen Rechts rief dazu auf, mit Transparenten, Trillerpfeifen, Vuvuzelas und Megaphonen die angemeldeten NPD-Infostände zu übertönen. 300 Gegendemonstranten übertönten die Anti-Euro-Reden zwischen Hauptbahnhof und Kunsthalle. Erst der Hamburger Thomas „Steiner“ Wulff wechselte das Thema zu bekannten Parolen gegen vermeintliche Ausländer und lobte die Politik der Hitlerregierung. Dabei kam zum ersten Mal gute Stimmung unter den etwa 18 Neonazis auf, von denen die meisten von außerhalb Hamburgs angereist waren. Polizeiketten und Wasserwerfer schirmten die NPD-Demo ab, so dass diese für Passanten kaum wahrnehmbar war.
Mehr Aufmerksamkeit zog die spontane Gegenkundgebung des breiten „Hamburger Bündnisses gegen Rechts“ (HBgR) auf sich, auf der Antifaschisten, Gewerkschaftler, Parteienvertretern, Kunst- & Kultur-schaffende sowie Vertreter des AStAs der Uni Hamburg in sicht- und hörweite des NDP-Häufleins sprachen.
Der Platz der zweiten Kundgebung im Hamburger Stadtteil Bergedorf wurde frühzeitig von der Polizei abgeriegelt. Durch den Lärm der ca. 70 Gegen-demonstranten dürfte es selbst den wenigen Neonazis schwer gefallen sein die Redebeiträge der NPD-Funktionäre Jörg Hähnel und Frank Franz zu verstehen.
Über Dortmund und Bochum will die NPD ihre Tour Richtung Süden fortsetzen und am 11. August beim DS-Pressefest in Pommern abschließen: Am heutigen Donnerstag will sie um elf Uhr in Oldenburg und um fünfzehn Uhr in Osnabrück, am Freitag in Bielefeld und Münster und Samstag dann in Dortmund aufschlagen.
Das sie dabei außerhalb ihrer Hochburgen mehr Öffentlichkeit als bisher bekommt scheint sehr unwahrscheinlich. Da war der provokante Brief des Bundesvorsitzenden Holger Apfel diese Woche an die Bundestags-abgeordneten mit einer geschichtsrelativierenden Gleichsetzung von ESM-Zustimmung und Ermächtigungsgesetz billiger und erfolgreicher. Mit diesem PR-Cup schaffte es die NPD bundesweit in die Medien.
Neu ist diese Aktion nicht. Bereits im Juni schaffte es Attac Aachen mit diesem Vergleich in die Negativschlagzeilen. Attac Deutschland distanzierte sich daraufhin von der Gleichsetzung:
„Die Machtübernahme des Nazi-Regimes mit ihrer Errichtung eines Führerstaates taugt hier in keinster Weise als Vergleich“.
Zuvor gerieten bereits der ehemalige BDI-Präsidenten Hans-Olaf Henkel und der Ifo-Chef Hans-Werner Sinn wegen ihren nationalchauvinistischen Aussagen in die Kritik, die schließlich im „Ökonomenstreit“ vorläufig gipfelte.
Neuer Nationalchauvinismus
Die Freien Wähler wollen 2013 mit einer populistischen Euro-Kritik und Hans-Olaf Henkel als Unterstützer in den Bundestag einziehen. Fast alles was sich rechts von FDP und CDU bewegt, ist auf diesen Anti-Euro-Zug aufgesprungen. So wird die nationalistische „Mein letztes Hemd“-Kampagne sowohl von der nationalistischen Splitterpartei „Die Republikaner“ (REP) als auch vom kulturrassistischen Blog „PI-News“ beworben, obwohl diese inhaltlich der verschwörungsideologischen und marktradikalen „Partei der Vernunft“ (PdV) nahe steht. „Echte Demokratie jetzt! München“ warnt sogar vor der Facebookveranstaltung zu dieser politischen Kampagne, da mutmaßlich ein ehemaliger Aktivist des verbotenen Neonazinetzwerks „Blood & Honour“ mit seinem Online-T-Shirt-Shop dahinter steht. Die Anti-ESM-Aktion wendet sich dagegen, dass „selbstlos die Steuergelder der Bundesbürger in ganz Europa verteil[t] werden“ und wörtlich gegen eine „solidarische Ausgewogenheit“ in Europa.
Während Euro und der sogenannte „Europäische Stabilitätsmechanismus“ (ESM) für die antimuslimisch-rassistische Splitterpartei „Die Freiheit“ noch Zweitthema ist, haben die Bremer „Bürger in Wut“ (BIW) dies inzwischen wie die Freien Wähler zum Hauptthema erhoben. Die REPs in einer Pressemitteilung vom 22. Februar:
„Statt immer neues gutes Geld dem schlechten hinterherzuwerfen, solle man endlich die Griechen aus dem Euro entlassen, damit sie wieder in Europa wettbewerbsfähig werden können“.
Das hier mehr die Interessen der deutschen Wählerschaft als die Menschen in Griechenland im Vordergrund stehen, wird aus dem Parteiprogramm ersichtlich. Pro NRW übernimmt gar den NPD-Slogan: „Raus aus dem Euro“.
Anhand eines „Wir“ von „deutschen Steuerzahlern“, lässt sich sehr gut gegen die „Anderen“ polarisieren. Dabei werden oftmals antisemitische Vorurteile gegen Banken und Politik aber auch rassistische Klischees gegen die vermeintlichen „Griechen“ und „Südländer“ reproduziert. Bei dem aus der PdV heraus initiierten „Aktionsbündnis Direkte Demokratie“ (ADD) und der erzkonservativen und marktliberalen „Zivilen Koalition“ schwingt dabei auch ein unterschwelliger bis offener Sozialdarwinismus mit.
Diese selbsternannte „Bürgerbewegung“ von rechts bewirbt eine Rückbesinnung auf den deutschen Markt und eine nationale Währung anstatt sich für ein soziales, demokratisches und antirassistisches Europa einzusetzen.