Die vom Bundesinnenministerium und Bundesjustizministerium eingesetzte Ombudsfrau für die NSU-Opferfamilien hält den Rücktritt des Verfassungsschutzpräsidenten und einzelner Länderchefs für nicht ausreichend. Sie spricht sich für eine Abschaffung des Verfassungsschutzes aus.
Als Ombudsfrau dient Barbara John als zentrale Anlaufstelle für die Opfer und Opferangehörigen der NSU-Terrorzelle. Sie soll betroffenen Menschen Unterstützungsangebote aufzeigen und zu Ansprechpartnern bei den zuständigen Leistungserbringern in den Ländern und bei den Bundesbehörden vermitteln.
Kritik an Polizei und mangelnder Opferhilfe
In der ersten öffentlichen Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestages kritisierte sie die falschen Verdächtigungen seitens der Polizei, denen die Familien der Ermordeten ausgesetzt gewesen seien. Infolge solcher Mutmaßungen sei das soziale Umfeld der Angehörigen oft zerrüttet worden, sagte sie und klagte die gesellschaftliche Ausgrenzung der Opferfamilien an. Als Schlussfolgerung daraus plädierte die CDU-Politikerin für eine unabhängige Clearing- und Beschwerdestelle nach dem Vorbild Irlands für Klagen über polizeiliches Fehlverhalten.
Sie forderte die von der Regierung gezahlte Opferhilfe von rund 10.000 Euro nicht mit Sozialleistungen zu verrechnen, wie dies in einigen Fällen geschehe. Manche Kinder von getöteten Vätern seien wegen dieser Taten „aus dem Studium herausgerissen worden“, berichtete John. Da diese bei Wiederaufnahme einer Ausbildung oder Studiums kein BAföG mehr erhielten, sollte in solchen Fällen ein unbürokratisches Stipendien gewährt werden. Darüber hinaus setzt sie sich für die Übernahme der Anwaltskosten der betroffenen Familien ein.
Die Ombudsfrau für die NSU-Opferfamilien ist überzeugt davon, dass die NSU-Mordserie „ein Einschnitt in der Geschichte der Bundesrepublik“ war, der mehr Reaktionen hervorrufen müsste. Sie bemängelt, dass weder eine größere gesellschaftliche Bewegung noch ein Präventionsprogramm entstanden sei.
Kritik am Verfassungsschutz
„Der Rücktritt des Verfassungsschutzpräsidenten und einzelner Länderchefs reicht nicht aus“,
so Barbara John im Gespräch mit dem MiGAZIN. Denn die Verantwortlichen, die diese „Nicht-Zusammenarbeit“ praktiziert haben, seien nach wie vor da und solange sich daran nichts ändert, „werden die so weiter machen“. Daher spricht sich John laut dem Vorabbericht für eine Abschaffung des Verfassungsschutzes aus:
„Jeder von uns Bürgern ist Verfassungsschützer. Wir müssen uns dessen bewusst sein, und wir müssen für unsere Verfassung und unsere Werte kämpfen. An sich braucht man keinen Inlandsgeheimdienst, der auf uns, auf die Demokraten, angesetzt ist.”
Kritik am Innenministerium
Zur umstrittenen Vermisst-Plakataktion des Bundesinnenministeriums sagt die Ombudsfrau: „Als die Aktion vorgestellt wurde, war mir gleich klar, dass es so nicht geht. Erstens wurde auf den Plakaten die Ausnahme und nicht die Regel dargestellt, zweitens muss es nicht diese Dramatik haben.“ Man zeige mit dem Finger auf einzelne Menschen, treffe damit aber im Grunde die ganze Gruppe der Muslime. „Das ist die falsche Art und Weise mit dem Problem Extremismus umzugehen, so John, die sich für eine engere Zusammenarbeit mit den Moscheen ausspricht.
Das Vollständige Interview erscheint am Montag auf www.migazin.de.