Immer brutaler und hinterhältiger agieren bayerische Neonazis wenn es um das Bedrohen, Einschüchtern und Ausschalten vermeintlicher politischer Gegner geht. War früher noch das Stereotyp vom Springerstiefel tragenden Glatzkopf verbreitet, der betrunken Migranten und Punks anpöbelt, zeichnet sich seit einiger Zeit eine Reihe von brutalen körperlichen Angriffen auf Journalisten, Antifaschisten und alle anderen, die nicht ins neonazistische Weltbild passen, ab.
„Anti-Antifa“ nennt sich die seit den Neunzigerjahren verbreitete Taktik der Neonazis, Namens- und Adresslisten (vermeintlicher) politischer Gegner (wie Linke, Antifaschisten, Politiker, Journalisten, etc.) anzulegen (so genannte „Anti-Antifa-Akten“), sie gezielt auf Demonstrationen, in Gerichtssälen oder auch vor ihrer Wohnung anzugreifen und Häuser sowie Autos zu beschädigen. Dies dient vor allem einem Ziel: der totalen Einschüchterung. Wenn Gegendemonstranten damit rechnen müssen auch noch Tage später zusammengeschlagen werden zu müssen, so die Logik der Neonazis, ist die Bahn frei für die ungestörte Verbreitung neonazistischer Propaganda. Wenn niemand mehr über die Aktivitäten der rechten berichtet, steht der Infiltrierung gesellschaftlicher Einrichtungen durch Neonazis nichts mehr in Wege.
So wurden in den letzten Monaten verstärkt Pressevertreter bei Neonazi-Aufmärschen und -Kundgebungen von „Anti-Antifa“-Aktivisten des neonazistischen Kameradschaftsdachverbands „Freies Netz Süd“ körperlich angegangenen, geschubst, bespuckt und geschlagen, oft sogar unter Augen der anwesenden Polizei, die nicht nur nicht einschritt, sondern oft auch den Journalisten „Provokationen“ vorwarf. Die Provokation bestand schon alleine in der Anwesenheit kritischer Presse.
Während das jedoch seit Jahren gängige Praxis ist, greifen bayerische Neonazis in letzter Zeit jedoch auch vermehrt linke und antirassistische Wohngemeinschaften, Hausprojekte, Jugendzentren und Büros an: In der Nacht vom 5. auf den 6. April 2013 überfiel eine Gruppe vermummter Neonazis mit Messern und Holzlatten bewaffnet eine antifaschistische Wohngemeinschaft im oberbayerischen Rosenheim. Dabei wurde ein Bewohner mit einer Holzlatte angegriffen und erlitt eine Gehirnerschütterung. Nur zwei Tage später, ebenfalls in Rosenheim: Eine Gruppe von mindestens vier Neonazis überfällt zwei Jugendliche und verprügelt sie mit einem Schlagstock. Die erlittenen Verletzungen waren so stark, dass die Jugendlichen im Krankenhaus behandelt werden müssen. Die Polizei findet später heraus, dass zwei der Täter auch bei dem Angriff auf die Wohngemeinschaft wenige Tage zuvor beteiligt waren.
Auch ein linkes Münchner Hausprojekt sieht sich mit Naziangriffen konfrontiert: in verschiedenen Nächten ritzen Neonazis „NS jetzt“ in die Frontscheibe, warfen rohe Eier in die geöffnete Tür, traten die Scheiben ein und bewarfen das Haus und davor parkende Autos zuletzt vor wenigen Tagen mit roten Farbbeuteln. Ebenso wie am 9. April in Fürth, wo der antifaschistischen „Infoladen Benario“ Ziel eines Farbanschlags wurde. Die Neonazis des „Freien Netz Süd“ bezeichneten dies später auf ihrer Homepage als „kostenlose Farbspende für Fürther Antifa-Laden„.
Insbesondere antirassistische Initiativen sind den gewaltbereiten Neonazis ein Dorn im Auge. Konnten am 1. März Neonazis des FNS, die rassistische Flugblätter vor dem Münchner Gewerkschaftshaus in dem zeitgleich der „refugee-Kongress“ stattfand, vertrieben werden, beklebten sie kurze Zeit später großflächig die Frontscheibe des Bayerischen Flüchtlingsrat mit Mobilisierungsaufklebern für die neonazistische 1. Mai-Demonstration in Würzburg. In den darauf folgenden Wochen wurde dieselbe Scheibe noch mehrmals Ziel rechter Angriffe: Nach einer antirassistischen Großdemonstration am 13.4 mit 10.000 Menschen in München, wurde die Scheibe eingeschlagen und kurze Zeit später in die neu ersetzte Scheibe die Parolen „Anti-Antifa“ und „NS jetzt!“ eingeritzt.
Schon im Januar 2012 gab es in München im Vorfeld einer Neonazi-Demonstration eine Reihe von Anschlägen die damals insbesondere dem alternativen Zentrum „Kafe Marat“ gegolten haben. Wurde das Haus damals ähnlich wie in Fürth und im Münchner Westend mit roter Farbe beschmiert, stahlen Neonazis jetzt eine aus dem Fenster gehängte Fahne und ein Transparent, welches auf Höhe des 2. Stockwerks befestigt war. Die Fahne tauchte kurze zeit später bei einer Gedenkkundgebung des „Freien Netz Süd“ zu Ehren des Wehrmachtssoldaten und Holocaustleugners Reinhold Elstner wieder auf. Auf der Website des FNS hieß es dazu: „Einige Teilnehmer der Mahnwache revanchierten sich an deren Ende, indem sie eine erbeutete Fahne der „Antifa“ kopfüber schwenkten, auf den Boden legten und sie passenderweise als Fußabstreifer benutzten.“
Generell hält sich das „Freie Netz Süd“ mit eindeutigen Bekennerschreiben, aber nicht mit Spott und Hohn der wohl auch als ein solches verstanden werden darf, zurück. Das dürfte wohl auch daran liegen, dass der für die Website verantwortliche Neonazi-Kader Roy Asmuß sich im Falle eines eindeutigen Bekenntnisses zu den Anschlägen strafbar machen würde. So bleibt es bei der fast schon scharfsinnigen Analyse der Münchner Polizei: „Nach derzeitigem Erkenntnisstand ist insgesamt von einem politisch motivierten Tathintergrund auszugehen.“