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Sechs Jahre Haft für Rechtsterroristin wegen geplanten Brandanschlags

Sie bereitete einen Anschlag vor, der Politiker oder Muslime treffen sollte: Wegen der geplanten Taten muss eine Rechtsextremistin sechs Jahre ins Gefängnis.

Von Tom Sundermann

Die Angeklagte steht kurz vor der Urteilsverkündung zwischen ihren Verteidigern Wolfram Nahrath und Nicole Schneiders. © Sven Hoppe

In seiner Urteilsbegründung hat Richter Michael Höhne an Pathos nicht gespart: Als er sie im Gerichtssaal vorträgt, lässt Höhne das Wort „Staatsfeind“ durch den Raum hallen. Dieses Wort trägt Susanne G., die Angeklagte, als Tätowierung auf ihrem Dekolleté. Und auch andere Hinweise „lassen keinen Spielraum für Zweifel an der Gesinnung“, sagt Höhne: Über ihrem Bett hing eine Hakenkreuzfahne, außerdem besaß die 55-Jährige einen Korb mit der Aufschrift „Arbeit macht frei“ – wie die Losung am Tor des Konzentrationslagers Auschwitz.

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Richter kassieren Freibrief für Neonazipropaganda

Immer wieder standen Verkäufer von Neonazimusik wegen Volksverhetzung vor Gericht – und kamen dank zweifelhafter Gutachten frei. Ein neues Urteil macht Schluss damit.

Von Sebastian Lipp

Das Ende des langjährigen Gerichtsverfahrens gegen die Nazi-Propagandaschmiede Oldschool Records markiert das Ende einer juristischen Waffe der Neonazis: Eine Enttäuschung für den Plattenproduzenten Benjamin Einsiedler, seinen Rechtsanwalt Alexander Heinig - und ein Schlag für die gesamte Rechtsrockszene.
Plattenproduzent Benjamin Einsiedler mit seinem Rechtsanwalt Alexander Heinig vor Gericht © Sebastian Lipp

Mit einem juristischen Trick konnten sich findige Unternehmer aus der Neonaziszene bislang davor schützen, für Straftaten zur Rechenschaft gezogen zu werden. Nahezu ungestört verkauften sie Rechtsrock-Platten, Klamotten, Devotionalien. Fanden sie sich doch einmal vor Gericht wieder, wegen Vergehen wie Holocaustleugnung oder Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, zogen sie ihre Waffe: die Gutachten einer Szeneanwältin. Darin wurde ihr Treiben als unbedenklich eingestuft.

Erst nach jahrelangem Gezerre in Verhandlungssälen dürfte nun endgültig Schluss mit dem Schlupfloch sein: Das Bayerische Oberste Landesgericht hat die Verurteilung eines Allgäuer Neonazis bestätigt und das Gutachten zur Makulatur erklärt. Das Urteil fiel bereits im Dezember vergangenen Jahres, nun ist es öffentlich.

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Ein vergessener Anschlag wird neu aufgerollt

Bei einem Brandanschlag vor 30 Jahren starb ein Kind. Nun nehmen Ermittler die Arbeit wieder auf – einen wichtigen Hinweis auf die mutmaßlichen Täter hatte die Polizei kaum beachtet. In einem weiteren tödlichen Fall will die Polizei jedoch nicht noch mal ermitteln.

Von Heike Kleffner und Frank Jansen

Der Rathausplatz von Kempten im Allgäu © Westend61/Getty Images

Vor dreißig Jahren verübten Unbekannte einen Brandanschlag auf ein Wohnhaus im allgäuischen Kempten. Zeynep, Gökhan und Guney S. (Namen geändert) überlebten schwer verletzt, doch für ihren fünfjährigen Bruder kam jede Rettung zu spät. Er starb in der Nacht des 17. November 1990. Bis heute ist der Fall unaufgeklärt. Polizei und Staatsanwaltschaft hatten die Ermittlungen nach kurzer Zeit eingestellt – und die türkischstämmige Familie mit vielen Fragen zurückgelassen.

Jetzt wird der Fall neu aufgerollt. Nach Recherchen von ZEIT ONLINE und dem Tagesspiegel über ein Bekennerschreiben von Rechtsextremen ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft München. Man schließe ein „extremistisches Tatmotiv“ nicht aus, sagt ein Behördensprecher – nachdem die Behörden das Bekenntnis drei Jahrzehnte lang offenbar ignoriert hatten.

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Rassenlehre auf dem Bauernhof

Anhänger einer esoterischen Bewegung wollen die Landwirtschaft umkrempeln. Doch hinter ihrer Vision stecken Rassismus und Verschwörungstheorien.

Von Sebastian Lipp

Der Mutterhof im beschaulichen Unterthingau © Sebastian Lipp

Felder und Wälder, die sattgrüne Weite des Allgäus. Eine Familie in Hippie-Klamotten, die Räder auf einer Wiese schlägt. Das Werbevideo des Mutterhofs im ostallgäuischen Unterthingau platzt vor Naturromantik. Zwischen den kitschgeladenen Bildern taucht Inhaber Robert B. mit wallendem Haar und langem Bart auf. Er redet von seinem Ziel eines „bedürfnisorientierten, glücklichen Lebens aus und in der Fülle“ dank nachhaltiger Landwirtschaft.

Für diese Vision, ein Konzept namens Permakultur, sucht B. Mitstreiter – und Spenden. Doch was im Werbevideo als Pionierprojekt für den ökologischen Wandel daherkommt, ist in Wahrheit geschickt verpackte braune Esoterik. Der Mutterhof hat sich einer Ideologie verschrieben, die als Anlaufpunkt für Anhänger von Rassenlehre und Reichsbürgerthesen gilt. Das animierte den Verfassungsschutz bereits vor zwei Jahren, ein Auge auf den Betrieb zu werfen.

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Blockaden in Bamberg stören Neonazi-Aufmarsch

Im oberfränkischen Bamberg wollten Neonazis der Partei Der Dritte Weg mit dem Gedenken an die Bombardierung Dresdens Stimmung machen. Durch enormen Protest wurde die Demonstration zur Zerreißprobe für die Rechtsextremen.

Von Jonas Miller

Teilnehmer des Marsches tragen einen Kranz durch Bamberg. © Jonas Miller

„Nazis raus“ und „Alle zusammen gegen den Faschismus“ hallte es am Samstagabend durch die Bamberger Innenstadt. Laut Polizeischätzungen waren rund 1.000 Menschen auf den Straßen, um gegen einen Aufmarsch der rechtsextremen Kleinpartei Der Dritte Weg in der oberfränkischen Stadt zu demonstrieren. Anmelder Günter Pierdzig von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes will mehr als 2.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer gezählt haben. „Es waren Menschen jeden Alters, die vielfältig, friedlich und bunt Gesicht gezeigt haben gegen die Rechtsextremen“, sagte er. Die Aktion sei „ein erfolgreicher Widerstand in Bamberg“.

Der rechtsextreme Marsch mit rund 120 Teilnehmern stand wie in den Vorjahren unter dem Motto „Ein Licht für Dresden“. Mit der Aktion wollte die Partei vorgeblich den Opfern des Bombenangriffs auf Dresden im Zweiten Weltkrieg gedenken. So sollte das Leid, das sich vor 75 Jahren ereignet hatte, für eine ganz eigene Version der Geschichte instrumentalisiert werden. Auch in Dresden marschierten am Samstag Neonazis auf.

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Die juristische Waffe der Neonazis

Die Szene wollte sie geheim halten: Gutachten gewähren erstmals umfassend Einblick in eine Strategie, auf die Neonazis für eine straffreie Verbreitung von Propaganda setzen. Damit könnte nun Schluss sein.

Von Sebastian Lipp

Propaganda: Das Urteil dürfte den Neonaziplattenproduzenten kaum beeindrucken: Während das Verfahren von über 900 Straftaten auf nur wenige Tonträger zusammenschrumpfte, setzte er über eine halbe Million Euro um. Dafür könnten nun eine Strategie der Neonazis erledigt sein.
CDs aus dem Plattenvertrieb des Angeklagten liegen im Prozess auf einem Tisch. © Sebastian Lipp

Findige Geschäftsleute aus der Neonaziszene tauschen längst nicht mehr nur Rechtsrock-Platten, Klamotten und Devotionalien aus. Auch juristisch spricht man sich ab: „Gutachten der Rechtsanwältin Pahl liegt vor“, ist etwa auf internen Bestandslisten vermerkt, wenn Szenehändler sich gegenseitig mit Propagandamaterial versorgen. Worum es geht, soll allerdings geheim bleiben: „Ganz wichtig zu den Gutachten: Nicht aus der Hand geben. Nur das Deckblatt zeigen. Nicht das, was die Pahl geschrieben hat“, wies der Chef der Propagandaschmiede Oldschool Records, Benjamin Einsiedler, telefonisch einen Kameraden an.

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Rechter Plattenproduzent erneut vor Gericht

Ein Allgäuer Unternehmer soll volksverhetzende Musik vertrieben haben. Vor Gericht kam er mit einem Freispruch davon. In einem neuen Anlauf könnte der Fall jedoch ganz anders für ihn ausgehen.

Von Sebastian Lipp

Rechtsextremismus: Neonazi-Plattenproduzent Benjamin Einsiedler und sein Verteidiger Alexander Heinig
Plattenproduzent Benjamin Einsiedler und sein Verteidiger Alexander Heinig im April 2018 © Sebastian Lipp

Das Oberlandesgericht München wählte scharfe Worte: „Ohne jegliche Systematik, Subsumtion und Prüfungsdarlegung“ habe ein Gericht im Allgäu den rechtsextremen Musikproduzenten Benjamin Einsiedler vom Vorwurf der Volksverhetzung freigesprochen. Die Münchner kassierten damit im April 2019 ein Urteil des Landgerichts Memmingen vom Mai 2018. Ab diesem Freitag muss sich Einsiedler deshalb ein weiteres Mal verantworten, vor einem anderen Richter.

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Neonazis verhöhnen NSU-Opfer bei Fackelmärschen

Mit Fackelmärschen haben Neonazis der Ikonen der rechtsextremen Szene gedacht. Sie verunglimpften Terroropfer und huldigten dem Kriegsverbrecher Rudolf Heß.

Von Jonas Miller und Henrik Merker

Rudolf Heß: Neonazis verhöhnen NSU-Opfer bei Fackelmärschen
Teilnehmende des Fackelmarsches in Wunsiedel © Jonas Miller

Seit Jahren ist der kleine Ort Wunsiedel im fränkischen Fichtelgebirge eine Art Wallfahrtsort für Neonazis. Auf dem Friedhof der Gemeinde wurde Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß nach seinem Tod im Gefängnis 1988 beigesetzt. 2011 wurde die Grabstätte aufgelöst, doch der Ruf des zum Friedensstifter verklärten Reichsministers hallt nach. Immer wieder kommen Rechtsextreme, um dem Kriegsverbrecher zu huldigen.

Am Samstag, einen Tag vor dem Volkstrauertag am 17. November, war es die Neonazipartei Der III. Weg, die ihre Anhängerinnen und Anhänger durch Wunsiedel laufen ließ. Von einem Wohngebiet aus zog ein Fackelmarsch mit rund 200 Teilnehmenden durch die Stadt. Sie nannten ihren Aufmarsch „Heldengedenken“. Unter demselben Credo trafen sich Rechtsextreme im thüringischen Schleusingen, knapp zwei Autostunden entfernt – ebenfalls mit Fackeln ausgerüstet.

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Propagandaschmiede im Kurort

Aus einem Kneippheilbad im Allgäu vertreibt ein Neonazi rechtsradikale Musik und Kleidung in die ganze Welt. Im Ort interessiert sich niemand wirklich dafür.

Von Sebastian Lipp

Neonazi in Bad Grönenbach: Propagandaschmiede im Kurort
Nicht alles an der Marktgemeinde Bad Grönenbach passt zu dem idyllischen Bild, das ihre Marketingabteilung zeichnet (CC BY-SA 4.0 Flodur63).

„Die richtige Balance für Körper, Geist und Seele“: So wirbt die Marktgemeinde Bad Grönenbach im idyllischen Allgäu um Kurgäste. Ein „Urlaubsort mit Weitblick“ will das beschauliche Kneippheilbad mit 5.600 Einwohnerinnen und Einwohnern sein. Doch nicht alles am Ort passt zu dem Bild. Gerade einmal eine Gehminute vom Bahnhof entfernt hat sich ein Unternehmen eingemietet, das als weltweiter Vertrieb für rechtsextreme Propaganda fungiert.

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Bayerisch radikal

Wiesen, Berge, Kühe: Für viele ist das Allgäu bloß eine schmucke Urlaubsregion. Doch in der vermeintlichen Idylle hat sich ein rechtsextremes Netzwerk mit guter Tarnung verbreitet.

Ein Gastbeitrag von Sebastian Lipp

Rechtsextremismus: Hinter der saftig-grünen Fassade im Allgäu steckt ein tiefbrauner Sumpf. Auf diesem idyllischen Hof fand ein Neonazikonzert statt. © Norbert Kelpp
Hinter der saftig-grünen Fassade im Allgäu steckt ein tiefbrauner Sumpf. Auf diesem idyllischen Hof fand ein Neonazikonzert statt. © Norbert Kelpp, allgaeu-rechtsaussen.de

Wenn es um seinen Bauernhof geht, gerät Landwirt Benjamin Burandt ins Schwärmen. Im Internet schreibt er von der „Liebe zu Natur und Landwirtschaft“, die ihn dazu gebracht habe, in seinem Hofladen direkt an seine Kunden zu verkaufen, „dem heutigen Zeitgeist entsprechend“. Eier, Milch und Kesselfleisch von glücklichen Tieren, es könnte nicht schöner, es könnte nicht bayerischer sein als auf dem Lutzhof in Babenhausen, gelegen im nördlichen Allgäu.

Doch der Landwirt hat ein Geheimnis, eines, das Kunden und Geschäftspartner nicht sehen sollen. Burandt ist aktiv in der örtlichen Skinheadszene und spielt als Musiker in einer rechtsextremen Band. Zu den Postkartenmotiven des Allgäus, grüne Wiesen mit Kühen unter blau-weißem Himmel, passt das natürlich nicht. Doch die Region beherbergt die größte noch aktive Skinheadgruppierung in Bayern.

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