Im Prozess um eine gewalttätige Hetzjagd von 2017 werden Kontakte von Rechtsextremen zur Polizei publik. Kann das Verfahren die Rolle der Neonazi-Kameradschaft Aryans klären?
Eine Kameradschaft aus selbst ernannten Ariern, eine Hetzjagd und klandestine Verbindungen zur Polizei: Der Prozess gegen zwei Rechtsextreme, die 2017 im sachsen-anhaltischen Halle an der Saale wahllos Menschen angegriffen und gejagt haben sollen, wächst zu vorher ungeahnten Dimensionen heran. Schon jetzt ist klar, dass von dem seit Donnerstag laufenden Verfahren vor dem Landgericht Halle mehr in Erinnerung bleiben wird als die Vorwürfe der Körperverletzung gegen die Angeklagten Carsten M. und Martina H. aus Hessen. Das Paar soll nach einer Demonstration am 1. Mai 2017 Menschen mit Steinwürfen und Schlägen auf den Kopf angegriffen haben.
Zwei Neonazis greifen ein Asylbewerberheim mit Brandsätzen an. In Chats tauschen sie Tötungsfantasien aus und verherrlichen die Hitlerzeit. Was ist passiert im oberbayerischen Nußdorf?
Wie eine Panzerfaust schultert Josef B. ein langes Metallrohr und richtet es auf das verhasste Asylheim. In der Zielvorrichtung steckt ein Sprengsatz, den der damals 20-Jährige früher am Abend aus verschiedenen pyrotechnischen Gegenständen in seiner nahen Werkstatt zusammengebaut hat. Um kurz nach Mitternacht zündet sein drei Jahre älterer Komplize Alexander Z. die Rakete, die auf dem Gelände der Unterkunft in blauem Feuerschein explodiert und deren mehr als zwei Dutzend Bewohnerinnen und Bewohner in Angst und Schrecken versetzt. Bis heute leiden sie unter den Folgen.
Mitglieder der rechtsextremen Gruppe Weiße Wölfe Terrorcrew stehen vor Gericht, weil sie einen Anschlag auf ein Flüchtlingsheim geplant haben sollen. Diese Woche soll das Urteil verkündet werden – es könnte ziemlich milde ausfallen.
In den frühen Morgenstunden des 21. Oktober 2015 stürmen Spezialkräfte der Polizei 15 Wohnungen von Rechtsextremisten in Ober- und Mittelfranken. Sie beschlagnahmen Devotionalien der Hitler-Zeit wie Hakenkreuzfahnen, aber auch eine scharfe Schusswaffe samt Munition sowie Hieb- und Stichwaffen. Zudem haben die Ermittler Pyrotechnik abgefangen, die die Neonazis bestellt hatten. Der Vorwurf: Sie sollen einen Sprengstoffanschlag auf eine Asylbewerberunterkunft geplant haben. Der Einsatz endet mit 13 Festnahmen.
So wird aus Verschwörungsglauben Vernichtungswahn: Einst war Alfred S. ein Linker. Dann verfiel er kruden Theorien. Heute macht der Holocaustleugner vom Starnberger See bei München Nazipropaganda, sogar vor Gericht.
Alfred S. hebt seinen Arm zum Hitlergruß, als er seine Schwester und Mitangeklagte im Gerichtssaal am Münchner Landgericht begrüßt. Niemand greift ein. Er wirft seinen Unterstützern im Publikum einen triumphierenden Blick zu, dann senkt Alfred S. den Arm wieder. Seit der Prozess gegen ihn Anfang Juli begann, macht der 63-Jährige auf diese Weise unmissverständlich klar, wofür er heute steht.
Alfred S. war nicht immer so. Einst stand er grünen und linken Ideen nahe. Zu dem linken Intellektuellen Noam Chomsky sah er auf, bezeichnete ihn sogar als seinen Guru. Doch dann begann der Deutschkanadier, sich mit den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA zu beschäftigen. In wenigen Jahren wurde aus einem Zweifler ein Radikaler, aus einem ehemaligen Anhänger der Grünen ein Rechtsextremist und Holocaustleugner.
In der beschaulichen Oberpfalz organisiert eine Neonazigruppe heimlich Konzerte mit rechtsextremen Bands. Die Polizei bekommt von den Umtrieben wenig mit.
Man könnte die Prollcrew Schwandorf für einen ganz normalen Club von jungen Männern halten. Als unpolitische Fußballfreunde inszenierten sich die Mitglieder des Zusammenschlusses mit Sitz im bayerischen Schwandorf in der Vergangenheit gerne. Doch um einen harmlosen Verein handelt es sich bei den 15 bis 20 Aktivisten nicht – sondern um eine rechtsextreme Organisation, wie der Störungsmelder bereits im März berichtet hatte.
Die Tarnung war lange Zeit nahezu perfekt: Gegen die Aktivitäten der Gruppe gab es kaum Proteste, obwohl es sich bei ihnen um militante Neonazis mit guter internationaler Vernetzung handelt. Mehrere Mitglieder nahmen auch an neonazistischen Aufmärschen von anderen Gruppen teil.
200 Neonazis umgingen ein Konzertverbot in Bayern – sie wichen einfach in den württembergischen Nachbarlandkreis aus. Viele befürchten, dass die Region nun für die rechtsradikale Szene attraktiv wird. Behörden sehen sich machtlos.
Das Event sollte geheim bleiben, doch das ging gründlich daneben: Bayerische Behörden bekamen am vergangenen Wochenende Wind von einem diskret geplanten Rechtsrockkonzert. Verantwortlich war die rechtsradikale Skinhead-Kameradschaft Voice of Anger. Bis zu 200 Neonazis wollten am Samstag unter dem Motto „Angry, Live and Loud“ in der Nähe des Flughafens von Memmingen im Allgäu feiern. Bands wie Kommando Skin sollten mit ihrer Musik Hass auf Fremde schüren.
Ein Gericht spricht den Betreiber des Rechtsrock-Labels Oldschool Records frei. Damit dürften sich Rechtsextreme künftig sicher fühlen, wenn sie ihre Propaganda verbreiten.
Es ist ein Freispruch erster Güte: Nach einer Anklage wegen Volksverhetzung erklärte das Landgericht von Memmingen im Allgäu den Betreiber des Neonazi-Musiklabels Oldschool Records, Benjamin Einsiedler, im Berufungsprozess nicht nur für unschuldig – die Richter sprachen dem Rechtsextremisten auch noch eine Entschädigung für eine Hausdurchsuchung und die dabei beschlagnahmten Produkte zu. Das war vor vier Wochen. Nun bestätigte Staatsanwalt Thomas Hörmann: Seine Behörde will das Urteil per Revision am Oberlandesgericht in München kippen. Immerhin.
Im Zuge des Verbots des Freien Netz Süd schloss der Freistaat Bayern ein Versammlungszentrum und ein rechtsextremes Versandhaus. Neonazis sahen sich „enteignet“ – mit ihrem Widerspruch scheiterten sie vor Gericht.
„Dann müssen Sie die Meinungsfreiheit auch mal an den Nagel hängen und die Leute einfach wegsperren!“ Nach knapp über der Hälfte seines Gerichtsverfahrens platzt Tony Gentsch am Donnerstag der Kragen. Vor knapp vier Jahren verbot der Freistaat Bayern das Freie Netz Süd (FNS), einen Zusammenschluss von Neonazikameradschaften, und zog Teile des Vereinsvermögens ein. Gentsch ist noch immer wütend darüber, wollte die Herausgabe von Gegenständen und einem von der Organisation genutzten Haus vor dem Verwaltungsgericht Bayreuth erstreiten. Dort ist er jetzt abgeblitzt.
Der Vizechef der AfD im Bundestag, Peter Felser, durchlief in seiner Jugend eine stramm rechte Kaderschmiede. Hat er seinen braunen Verbindungen abgeschworen?
Der Kemptener Unternehmer Peter Felser sitzt für die AfD als stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Bundestag. Am Abend der letztjährigen Bundestagswahl fragte ein Reporter des Bayerischen Rundfunks den frisch gewählten Abgeordneten: „Sind sie rechtsextrem?“
„Unverschämt“ fand Felser die Frage – und bescheinigte sogleich der gesamten Partei eine weiße Weste: „Keiner von uns. Ich wüsste keinen im Kreisverband, keinen im Landesverband, keinen im Bundesverband, der rechtsextrem wäre.“ Und nicht nur die: Gleichsam unverdächtig sieht Felser seine frühere Partei, die Republikaner, bei der er Anfang der Neunzigerjahre Mitglied war. Damals begann der Verfassungsschutz, die Partei zu beobachten.
Bewaffnete Mitglieder der Gruppe Blood and Honour Frankreich
Ein Neonazi aus Hessen ist wegen Einfuhr von Munitionen vom Amtsgericht Hof zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Der 27-Jährige soll an einer Schießübung deutscher Neonazis der Gruppe Combat 18 in Tschechien teilgenommen und danach Munition nach Deutschland geschmuggelt haben.
Von Jonas Miller
Eigentlich könnte es ein Prozess ohne politische Brisanz sein. Ein Mann führt Munition nach Deutschland ein und wird dafür belangt. Doch was am Amtsgericht Hof verhandelt wurde, hat es in sich: Tobias V. aus Hessen wird beschuldigt, 24 Schuss Munition illegal nach Deutschland eingeführt zu haben. Darunter Munition mit immenser Durchschlagskraft, wie sie bei Sturmgewehren zum Einsatz kommt. Der Anwalt von Tobias V. erklärt zu Beginn des Prozesses, sein Mandant bekenne sich schuldig, möchte darüber hinaus aber keine weiteren Angaben machen.