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Bayerisches Nazinetzwerk scheitert vor Gericht

 

Im Zuge des Verbots des Freien Netz Süd schloss der Freistaat Bayern ein Versammlungszentrum und ein rechtsextremes Versandhaus. Neonazis sahen sich „enteignet“ – mit ihrem Widerspruch scheiterten sie vor Gericht.

Von Sebastian Lipp

Tony Gentsch wehrt sich gegen die Einziehung seines Final Resistance Versands. 2016 fungierte er als Funktionär auf einer Demonstration des III. Weg in Plauen, deren Teilnehmer sich später gewalttätige Auseinandersetzugen mit der Polizei lieferten. © Sebastian Lipp
Tony Gentsch wehrt sich gegen die Einziehung seines Final Resistance Versands. 2016 fungierte er als Funktionär auf einer Demonstration des III. Weg in Plauen, deren Teilnehmer sich später gewalttätige Auseinandersetzungen mit der Polizei lieferten. © Sebastian Lipp

„Dann müssen Sie die Meinungsfreiheit auch mal an den Nagel hängen und die Leute einfach wegsperren!“ Nach knapp über der Hälfte seines Gerichtsverfahrens platzt Tony Gentsch am Donnerstag der Kragen. Vor knapp vier Jahren verbot der Freistaat Bayern das Freie Netz Süd (FNS), einen Zusammenschluss von Neonazikameradschaften, und zog Teile des Vereinsvermögens ein. Gentsch ist noch immer wütend darüber, wollte die Herausgabe von Gegenständen und einem von der Organisation genutzten Haus vor dem Verwaltungsgericht Bayreuth erstreiten. Dort ist er jetzt abgeblitzt.

Wo der Neonazi die Meinungsfreiheit verletzt sieht, da griff das Bayerische Innenministerium aufgrund von „aggressiv-kämpferischen verfassungsfeindlichen Bestrebungen“ ein. Zudem sieht die Behörde in dem Netz eine Nachfolgeorganisation der rund zehn Jahre zuvor ebenfalls verbotenen Fränkischen Aktionsfront. Im Freien Netz sammelten sich regionale und lokale neonazistische Kameradschaften, die als solche allerdings vom Verbot unberührt blieben. Das FNS hatte sich über die Jahre zum größten neonazistischen Netzwerk im Freistaat entwickelt.

Versandhandel mit Nazilikör

„Afrika-Korps“ und „Besatzer-Brause“: Bizarre Produkte, die sich im Versandhandel Final Resistance bestellen ließen

Zudem ließ sich mit der Organisation gutes Geld verdienen. Gentsch und sein Kompagnon Matthias Fischer betrieb eine Firma namens Final Resistance Versand, über die Nazibedarf wie Aufkleber, Fahnen oder T-Shirts verschickt wurde, aber auch Likör – Geschmacksrichtungen „Afrika-Korps“ und „Besatzer-Brause“. Sitz des Versandhandels war im oberfränkischen Oberprex. Dort durchsuchten Polizisten am 23. Juli 2014 das Anwesen, das Gentschs Mutter dem FNS überlassen hatte. Laut Innenministerium fand in dem Gebäude ein Großteil der Aktivitäten des Netzes statt.

Die Betreiberfirma namens Matthias Fischer und Tony Gentsch GbR will den Final Resistance Versand im Herbst 2013 für 8.000 Euro von dem Neonazi Daniel Weigl gekauft und weiterbetrieben haben. Mit ihnen vor Gericht zog Gentschs Mutter als offizielle Eigentümerin des Gebäudes. Die drei gehören zu den 47 Klägern, die bereits an der Klage gegen das Vebot des FNS gescheitert waren.

Argumentation „völlig lebensfremd“

Mit dem Final Resistance Versand seien rund 10.000 Euro „enteignet“ worden, schätzt Szeneanwalt Frank Miksch, der die Firma vor Gericht vertritt. Er argumentierte, dass kein Gewinn an das Freie Netz Süd abgeflossen sei. Außerdem hätten lediglich bis zu zehn Prozent der Waren einen expliziten Verweis auf das Kameradschaftsnetzwerk enthalten. Für das Innenministerium ohne Bedeutung: Der Versand habe durch den Verkauf von Propagandamaterial auch ohne ausdrücklichen Verweis auf das Netzwerk seinen Zweck für das FNS erfüllt.

Auch Matthias Fischer ist inzwischen zentraler Akteur bei der Neonazipartei Der III. Weg. © Sebastian Lipp
Kläger Matthias Fischer erschien am Donnerstag nicht zu seinem Gerichtstermin. Auch der inzwischen zentrale Akteur der Neonazipartei Der III. Weg wehrte sich gegen das Verbot des FNS. © Sebastian Lipp

Mitgesellschafter Fischer und die Mutter von Gentsch nahmen nicht an der Verhandlung teil. Anwalt Andreas Wölfel, der die Mutter vertritt, argumentierte, Frau Gentsch habe das Gebäude nicht dem FNS, sondern lediglich ihrem Sohn zur Verfügung gestellt. Sie habe nicht gewusst, dass es als Neonazitreffpunkt genutzt wurde. Daher müsse sie das Gebäude zurückerhalten. Ein Vertreter des Innenministeriums nannte diese Behauptung vor Gericht „völlig lebensfremd“. Das Freie Netz Süd habe das Gebäude häufig als Versammlungsstätte genutzt und auf seiner Homepage als solches beworben. An der Fassade wurde die Bezeichnung Nationales Zentrum Hochfranken angebracht, laut Ermittlern zudem das Innere mit Neonazidevotionalien geschmückt. Zudem habe das Landratsamt Frau Gentsch mit einem Schreiben auf die Aktivitäten in ihrem Haus aufmerksam gemacht.

Gebäude bleibt vorerst in Staatshand

Nach der knapp zweistündigen Verhandlung am Donnerstag zog sich die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts zur Beratung zurück, am Freitag wurde die Klage abgewiesen. Damit bleibt das Gebäude in Staatshand. Die Kläger können das Urteil aber noch anfechten. Hätten die Neonazis schließlich doch Erfolg, ist zu befürchten, dass das Gebäude unter den Zugriff der Ende 2013 gegründeten Neonazipartei Der III. Weg fällt.

Als die Partei entstand, „lag das Verbot des FNS in der Luft“, erläuterte der Beamte des Innenministeriums am Donnerstag vor Gericht. Deswegen habe das Netzwerk nach anderen Wegen gesucht, um sehr ähnliche Zwecke weiter zu verfolgen. Die Lösung: der III. Weg als „Parallelorganisation“. Diese habe zumindest in Franken eine „deutliche Personenidentität“ und verfolge ähnliche Ziele. Der Freistaat wolle die Einziehung auch deshalb durchsetzen, damit das Haus und die beschlagnahmten Propagandamaterialen nicht letztlich dem III. Weg zugute kommen. Tony Gentsch und Matthias Fischer gelten heute als zentrale Kader der Neonazipartei.