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Braune Erziehung durch den „III. Weg“?

 

Teilnehmer eines Aufzugs der rechtsextremistischen Partei „Der III. Weg“ in Kaiserslautern am 05.03.2016 © Christian Martischius

Mit einem Selbstverteidigungskurs nimmt die Neonazi-Partei „Der III. Weg“ erstmals gezielt Kinder in den Fokus. Auch über eine eigene Jugendarbeit wird bereits diskutiert.

Von Johannes Hartl, zuerst veröffentlicht beim blick nach rechts

Die neonazistische Kleinstpartei „Der III. Weg“ nimmt offenbar zunehmend Kinder und Jugendliche ins Visier ihrer politischen Kampagnen. Anfang des Monats hatte die militante Gruppierung im Vogtland erstmals einen eigenen Selbstverteidigungskurs ausgerichtet, der gezielt für Minderjährige angeboten wurde. Die jungen Teilnehmer konnten dort im Kreise überzeugter Neonazis verschiedene Taktiken erlernen, um „ein Stück weit Sicherheit und Selbstvertrauen zu vermitteln“. Dazu wurden sie von Aktivisten angeleitet, die auf den offiziellen Bildern teilweise mit den grünen Parteishirts bekleidet waren. Im Trainingsraum selbst war gut sichtbar ein Banner befestigt, das einen Lorbeerkranz mit martialischem Wolf in der Mittel abbildet – unterzeichnet mit den Worten: „Körper und Geist“.

Kampfsporttraining des III. Weges für Kinder im Vogtland, Screenshot Homepage

Begründet wird die Notwendigkeit eines solchen Angebots – neben der üblichen Hetze – insbesondere mit der Tatsache, dass sich in den Reihen des „III. Wegs“ vermehrt Familien mit Kindern und alleinerziehende Eltern engagieren würden. Es gebe „somit enorm viele Kinder“ im Umfeld der Partei, schreibt die Neonazi-Gruppierung nicht ohne Stolz auf ihrer Website. Aus diesem Grund ist offensichtlich bereits eine weitere Veranstaltung mit derselben Intention geplant, die diesmal in der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt stattfinden soll. Das teilte jedenfalls ein bekannter Funktionär der Szene auf seiner Facebook-Seite mit, der sich neuerdings in Richtung der braunen Kleinstpartei orientiert. Er verband seine Ankündigung ausdrücklich mit der Bitte um zweckgebundene Spenden für die jüngste Aktion des „III. Wegs“.

Eigene Jugendarbeit „durch Weltanschauung vorgegeben“

Tatsächlich dürfte das neueste Angebot nicht der einzige Versuch bleiben, Kinder und Jugendliche für die Partei anzusprechen. In den letzten Monaten ließen sich bei der Kleinstpartei wiederholt Anzeichen feststellen, dass „Der III. Weg“ eine eigene Jugendarbeit ins Leben rufen möchte. Vorgestellt hat diese Pläne Kai-Andreas Zimmermann, der Leiter des „Gebietsverbands Süd“. Der verurteilte Nürnberger Neonazi, der als zentraler Führungskader gilt, war am 15. Januar 2018 als Gast bei dem Podcast „Revolution auf Sendung“ aufgetreten. Unter diesem Titel strahlt der „III. Weg“ seit Ende vorigen Jahres ein eigenes Web-Radio aus, das einmal monatlich sendet. (bnr.de berichtete)

Kai-Andreas Zimmermann bei einem Neonazi-Aufmarsch in Fürth © Timo Müller

Dabei wurde Zimmermann von den Moderatoren mit der Frage konfrontiert, welche Bemühungen „Der III. Weg“ derzeit im bündischen Jugendbereich verfolgen würde. Demnach sei der Aufbau einer eigenen Jugendarbeit für ihn „durch unsere Weltanschauung (…) vorgegeben“, so Zimmermann. „Es gibt jetzt bereits verschiedene Aktionen, die sich in die und die Richtung bewegen“, erklärte der Neonazi seinen Zuhörern. Als Beispiel nannte er unter anderem Unternehmungen wie Zelten, Wandern und gemeinsame Ausflüge, die seine Organisation veranstalte. Auf lange Sicht solle jedoch im Bereich der Jugendarbeit etwas Eigenes gebildet werden, sofern denn die „entsprechenden personellen Voraussetzungen gegeben sind“.

Gezielte Indoktrination von Kindern

Über etwaige Einzelheiten sprach der Neonazi während der Sendung zwar nicht. Er hielt sich diesbezüglich bedeckt und beließ es bei vagen Ankündigungen, die noch nicht zwangsläufig auf eine konkrete Planung schließen lassen. Die Geburt von Kindern und deren Erziehung ist im Weltbild des „III. Wegs“ allerdings klar politisch aufgeladen. Ähnlich wie bei den Nationalsozialisten gilt die Fortpflanzung der Partei als quasi-politischer Akt, der den behaupteten „Volkstod“ stoppen soll. Beim „III. Weg“ hat dies unter der Parole „Deutsche Kinder braucht das Land!“ sogar offiziell Eingang in das 10-Punkte-Programm gefunden, welches sich inhaltlich unverhohlen an das 25-Punkte-Programm der NSDAP anlehnt. Gemäß dieser Ideologie wird die Familie als eine „Keimzelle des Volkes“ angesehen, die durch einen möglichst großen Kinderreichtum die „Zukunft“ eben jenes „Volkes“ sicherstellen soll.

Die gezielte Indoktrination von Kindern und Jugendlichen ist deshalb seit jeher ein maßgebliches, wenn auch wenig beachtetes Ziel der Szene. Nach Schätzungen von Behörden sollen über die Jahre mehrere Tausend Kinder in Familien aufgewachsen sein, deren nationalsozialistische Gesinnung teilweise bis 1933 zurückreicht. Sie werden in ihren Familien, vielfach aber auch in eigens gegründeten Organisationen von frühester Kindheit an zu überzeugen Neonazis erzogen. Ihre Eltern und die jeweiligen Gruppierungen bedienen hierfür oftmals das Bild des Widerstandskämpfers, der mit seiner verschworenen elitären Gemeinschaft in Opposition zum verhassten demokratischen „System“ stehe.

Ehemaliger HDJ-Funktionär referiert über „nationale Erziehung“

Schon 1952 entstand in Deutschland die „Wiking-Jugend“ (WJ), die bis zu ihrem Verbot 1994 etwa 400 bis 500 Mitglieder zählte. In der Tradition der Hitlerjugend wurden Kinder und Jugendliche dort im Sinne der NS-Ideologie geschult und gedrillt. Damit sollten sie zu loyalen Aktivisten herangezogen werden, die später innerhalb der Szene Führungspositionen einnehmen sollten. Eine Strategie, die ganz offensichtlich aufgegangen ist: Im Laufe ihrer 42-jährigen Geschichte haben viele einflussreiche Neonazi-Funktionäre die Organisation durchlaufen oder als Mitglieder unterstützt, darunter beispielsweise der braune Barde Frank Rennicke als „Jugendführer“. Nach dem Verbot der WJ hatte die „Heimattreue Deutsche Jugend“ (HDJ) diese Funktion als Kinder- und Jugendorganisation weitgehend übernommen. Im März 2009 wurde die HDJ durch das Bundesinnenministerium ebenfalls verboten.

Auch beim „III. Weg“ scheint man sich mittlerweile für eine solche Strategie zu interessieren. Im November 2017 lud die Partei ausgerechnet Sebastian Räbiger als Redner ein, von Oktober 2002 bis zum Verbot 2009 „Bundesführer“ der HDJ. Wegen eines tätlichen Angriffs auf zwei investigative Journalisten wurde der Neonazi 2008 wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt,  seine Berufung gegen die Geldstrafe von 100 Tagessätzen je 30 Euro später durch das zuständige Landgericht verworfen. Auf der Parteiveranstaltung „Tag der Gemeinschaft“ durfte Räbiger darüber referieren, „wie nationale Erziehung und Jugendarbeit  aus seiner Sicht auszusehen hat und wie diese (…) im Alltag einer Familie vor- und erlebt werden sollte“. Seinen Vortrag quittierten die anwesenden Neonazis am Ende mit begeistertem Applaus.

Dies deutet in Verbindung mit den Aussagen Zimmermanns und dem oben erwähnten Selbstverteidigungskurs für Jugendliche auf ein verstärktes Interesse hin, Kinder auch im organisierten Rahmen nach ideologischen Grundsätzen großzuziehen. Ob „Der III. Weg“ aktuell überhaupt über die erforderlichen Ressourcen verfügt, um tatsächlich eine eigene Jugendarbeit in größerem Umfang umzusetzen, ist allerdings unklar. Die jüngsten Ankündigungen sollten aber zumindest Anlass geben, derartige Bestrebungen in Zukunft aufmerksam zu verfolgen.