Die Szene der Corona-Leugner setzt verstärkt auf Ärzte, um Stimmung gegen Impfungen zu machen – so auch bei einer Demonstration am Samstag. Gegen mehrere Mediziner wird ermittelt.
Von Henrik Merker
Mal wieder eine Corona-Demonstration, mal wieder in Leipzig: Die Anhänger der Querdenken-Bewegung setzen an, die sächsische Stadt zum Epizentrum der Pandemieleugner zu machen. Rund 800 Teilnehmende kamen am Samstag zum Protest. Anführer waren diesmal allerdings Ärzte.
Ein früherer hochrangiger NPD-Funktionär hat sich an die Spitze der Corona-Leugner in Leipzig gesetzt. Dort holt er Redner aus der rechten Szene in die Stadt.
Von Henrik Merker
Seit mehreren Monaten kommen sie Montag für Montag auf den Richard-Wagner-Platz in Leipzig: Vor einem großen Einkaufszentrum demonstrieren Anhänger einer Initiative namens Bürgerbewegung Leipzig gegen die Corona-Maßnahmen. Absperrgitter trennen die mehreren Dutzend Teilnehmer von einigen Dutzend Gegendemonstrantinnen. Bei den Aufmärschen geht es mittlerweile um weit mehr als um Maskenpflicht und Kontaktbeschränkungen. „Wir werden nicht mehr lockerlassen. Und die liebe Bundesregierung“, ruft Demo-Anführer Volker Beiser, „wir werden die auf jeden Fall vor uns herjagen. Das ist Fakt!“
Die revolutionsartigen Parolen hörten sich vor einiger Zeit noch Teilnehmer an, die Kleidung der Neonazi-Marke Thor Steinar trugen. Mittlerweile treten sie zivil auf. Dennoch: Teilnehmerinnen und Teilnehmern gilt die Versammlung als eine Form bürgerlichen Protests. Und das, obwohl Einpeitscher Beiser eine Vergangenheit in der rechtsextremen NPD hat, wie Recherchen von ZEIT ONLINE zeigen.
In Sachsen hat sich Der III. Weg zur aktivsten rechtsextremen Partei gemausert. Dennoch wurde aus einer geplanten großen Maidemo nur eine kleinlaute Kundgebung.
Von Hardy Krüger & K. Moritz Bauch
Dichte Polizeisperren vor der Parteizentrale des III. Wegs im sächsischen Plauen. Dahinter ein Transporter mit einem Rednerpult, auf dem sich Tony Gentsch, Bundesschatzmeister der rechtsextremen Partei, vor knapp 50 Anhängern über die Infektionsschutzmaßnahmen in der Corona-Pandemie empört. „Freiheit statt Corona-Impfzwang“ steht für das Publikum deutlich sichtbar auf einem Plakat hinter ihm geschrieben. Die Rückseite richtet sich dagegen an die Anwohner: „Reserviert für Volksverräter“, untermalt mit einem Gefängnisbild. Weiter„Rechtsextremisten im Kleinkrieg“
Fünf Jahre hat sich ein Neonaziprozess in Leipzig bis zum Urteil geschleppt. Wegen der Trägheit fällt die Strafe milder aus – wohl nicht zum letzten Mal für den Verurteilten.
Von Henrik Merker
Der 11. Januar 2016 ist für viele Leipziger bis heute mit traumatischen Erinnerungen verbunden. Eine Gruppe von 250 Rechtsextremen und Hooligans zog durch den südlichen Stadtteil Connewitz, zerstörte Autos von Anwohnern, schlug Scheiben von Geschäften ein. Der Mob zerstörte auch einen Dönerimbiss. Sachschaden laut Staatsanwaltschaft: über 130.000 Euro.
In Teilen von Sachsen paktieren Neonazis, Reichsbürger und Querdenker in einer gemeinsamen Partei. Am Wochenende wollten sie den Staat an seine Grenzen bringen – und scheiterten.
Von Henrik Merker
Im Erzgebirge wollten Anhänger der rechtsextremen Partei Freie Sachsen am Samstag Hase und Igel mit der Polizei spielen. Die Hasen waren sie am Ende selbst, denn die Polizei hatte mehrere Hundert Kräfte im Einsatz und offenbar einen guten Überblick – trotz eines Großaufmarsches des Neonazis: In gleich vier Orten versuchte die Szene, Kundgebungen abzuhalten.
Corona-Leugner wollten per Auto in Leipzig demonstrieren. Die Versammlung versandete in einem Industriegebiet. Sie scheiterte an reichlich Gegenwehr – und der Zersplitterung der Szene.
Von Henrik Merker
Es wirkt, als wären Tausende Leipzigerinnen und Leipziger zu einer spontanen Fahrradtour aufgebrochen. Bunt gekleidet, mit Masken und in größeren Gruppen fahren sie am Samstag durch die Stadt. Wer nicht in den Westen der Stadt fährt, bekommt nur das bunte Treiben, an manchen Stellen Straßenblockaden und Polizeikontrollen, mit.
Grund für die Ausfahrt: Proteste gegen mehrere Autokorsos der Querdenken-Szene. Zum Protest im Pkw hatten verschiedene Veranstalter deutschlandweit aufgerufen, sie kündigten bis zu tausend Fahrzeuge an. Diese Art der Demonstration halten Querdenker bundesweit ab. Im Schutz der Karosserien leugnen sie die Pandemie und verbreiten Verschwörungstheorien. Zumindest in Leipzig scheiterten sie weitgehend damit: Bereits am frühen Morgen blockierten Radfahrerinnen und Radfahrer in Halle an der Saale einen Zubringer-Korso, die Autofahrer lösten ihre Versammlung auf.
In Dresden missbrauchen Neonazis das Gedenken an die Opfer der Bombardierung. Dabei bekommen sie Unterstützung von der AfD und Leugnern der Corona-Pandemie.
Von Henrik Merker
Victor Klemperer schreibt über den 13. Februar 1945 in seinem Tagebuch: „Darauf riß Eva mit einem Taschenmesserchen die Stella“, den Judenstern, „von meinem Mantel.“ Das Bombardement der Alliierten auf Dresden rettete dem Autoren damals das Leben. Seine Frau und er hatten sich in einem der öffentlichen Bombenschutzkeller verstecken können. Noch tags zuvor musste Klemperer Deportationsbefehle an die wenigen verbliebenen Dresdner Juden verteilen. Zur Deportation kam es nicht mehr, Klemperers flüchteten nach Bayern und warteten dort auf die Befreiung.
Jahrzehnte später geben sich Geschichtsrevisionisten alle Mühe, die Bedeutung der Dresdner Bombennächte zu verdrehen. Alljährlich ziehen Neonazis am 13. Februar durch die sächsische Landeshauptstadt, um der Opfer zu gedenken. 400 bis 500 waren es am vergangenen Samstag. Teilnehmer lieferten sich mit der Polizei eine handfeste Auseinandersetzung um ein Transparent, auf dem die Bombardierung mit dem Holocaust gleichgesetzt wurde.
In Chemnitz bauen Neonazis einen Treffpunkt von Rechten und Rockern auf. In ihrem eigenen Haus organisieren sie Kampfsportevents und Vorträge – gut versteckt vor den Behörden.
Von Johannes Grunert
Ein trüber Freitagnachmittag. Dunkle Wolken hängen über Chemnitz, Regentropfen fallen auf eine Ausfallstraße am äußersten Rand der Stadt. Vor einem unsanierten Haus hält ein Auto nach dem anderen, Männer steigen aus und betreten das Grundstück durch einen Bauzaun, den sie einen Spalt zur Seite schieben. Auf den ersten Blick passen sie nicht recht zusammen: die einen Mittfünfziger mit langen Haaren und Rockerklamotten, die anderen ein paar Jungs Anfang 20, akkurat gescheitelt, mit Schnauzer und schwarzer North-Face-Jacke. Man kennt sich, nickt sich kurz zu, verschwindet hinterm Haus.
Wer zufällig vorbeikommt, erkennt nicht, was in dem vierstöckigen Altbau an der Frankenberger Straße vor sich geht. Selbst wenn man sich monatelang damit beschäftigt, bleibt vieles nebulös. Sicher ist nur: Hier treffen sich Neonazis. Die Immobilie ist mutmaßlich das neue Schaltzentrum der Neonazi-Szene von Chemnitz. Von hier aus werden neonazistische Kampfsportevents und Veranstaltungen mit ehemaligen SS-Männern organisiert. Hierher kommen Rocker, die an rechten Veranstaltungen teilnehmen. Das Haus ist Domizil von Vereinen und einer Immobiliengesellschaft. Was jetzt erst bekannt wird, ist wohl von langer Hand geplant, denn das Haus gelangte schon vor sieben Jahren in die Hand von Personen, die der extrem rechten Szene nahestehen.
Für ihre Anliegen greifen Demonstranten von Querdenken auf die Hilfe von Rechtsextremen zurück. Bei der Demonstration in Leipzig bahnten ihnen Neonazis den Weg durch eine Polizeikette.
Von Henrik Merker
Beobachter hatten bereits im Vorfeld ein Wochenende mit Ausschreitungen erwartet. Doch was am Samstag auf der Demonstration gegen Corona-Maßnahmen in Leipzig geschah, überstieg alle Befürchtungen. Mehrere Zehntausend Anhänger der Querdenken-Bewegung fanden sich auf dem Leipziger Augustusplatz und weiteren Kundgebungen des rechten Spektrums ein. Neonazis und Hooligans prügelten sich mit Polizisten, sie griffen Gegendemonstranten und Reporter an.
Eine Schande für die Bewegung, die seit Monaten gegen die Maßnahmen der Bundesregierung wettert und vielfach auch die Pandemie leugnet? So wirkt es nur nach außen. Tatsächlich haben Querdenken und Rechtsextremisten in Leipzig in einer Art unheilvoller Allianz demonstriert. Hatten Neonazis die Demonstrationen bislang eher als Bühne für die eigene Sache genutzt, waren sie diesmal der Stoßtrupp, der den Querdenkern einen Weg durch die Polizeiketten bahnte.
Ein Leipziger Rechtsextremist sendet täglich Mythen über das Coronavirus ins Netz – und wittert eine jüdische Verschwörung. Für seine Videos wirbt auch die AfD.
Von Henrik Merker
Hans-Joachim Müller geht täglich um 19.30 Uhr live. Er spricht über Corona, das Kaiserreich und Juden, die die Geschicke der Welt vom Vatikan aus lenken, wie er glaubt. Seine Zehntausende Fans nennen ihn HaJott – wie die Abkürzung der Hitlerjugend. Über zehn Millionen Mal wurden seine Videos auf YouTube bislang angeschaut, Müller folgen über 69.000 Nutzer.