Die Szene der Corona-Leugner setzt verstärkt auf Ärzte, um Stimmung gegen Impfungen zu machen – so auch bei einer Demonstration am Samstag. Gegen mehrere Mediziner wird ermittelt.
Von Henrik Merker
Mal wieder eine Corona-Demonstration, mal wieder in Leipzig: Die Anhänger der Querdenken-Bewegung setzen an, die sächsische Stadt zum Epizentrum der Pandemieleugner zu machen. Rund 800 Teilnehmende kamen am Samstag zum Protest. Anführer waren diesmal allerdings Ärzte.
Mit dem Aufmarsch wollten sich mehrere von ihnen als Impfgegner profilieren. Vorgeblich geht es ihnen um den Schutz von Kindern, die sie durch die Vakzine bedroht sehen. Ihre Verschwörungstheorie: Mit Impfungen solle die Weltbevölkerung reduziert werden.
Bereits im November 2020 waren Zehntausende Pandemieleugner durch die Stadt gezogen, hatten sich Auseinandersetzungen mit der Polizei geliefert. Wie damals verweigerten auch diesmal die meisten Teilnehmer das Aufsetzen von Masken – trotz gestiegener Inzidenz. Verantwortlich für die Verweigerung sind auch die Ärzte, die in Leipzig auf der Bühne standen. Gegen fast alle Redner ermittelt die Staatsanwaltschaft: Sie sollen Patienten ohne Anlass Atteste ausgestellt haben, die sie von der Maskenpflicht befreien.
Verbindungen zur rechtsextremen Szene
Offensichtlich wird dabei: Mediziner, die so handeln, vermischen Ideologie und Beruf. Der Arzt Rolf Kron sagte in seiner Rede auf der Bühne: „Wir werden behandelt wie Juden seinerzeit, wir dürfen dann nicht mehr einkaufen gehen“. Kron war es auch, der kurze Zeit später die Mär verbreitete, Impfungen dienten der Kontrolle der Bevölkerungszahl. Auch gegen ihn läuft derzeit ein Verfahren wegen mutmaßlich gefälschter Atteste. Sein Konto wurde offenbar gepfändet – um die Gelder einzufrieren, die er mit dem Ausstellen der Dokumente verdient haben soll.
Die aufrührerische Stimmung zog nicht nur vermeintlich bürgerliche Teilnehmende an. Zu sehen war etwa ein Mann in einem T-Shirt der neonazistischen Gruppe GefangenenHilfe. Er versuchte mehrfach, Versammlungsteilnehmer gegen die Polizei aufzuwiegeln. Die GefangenenHilfe gehört zum Unterstützerkreis von NSU-Helfern wie Ralf Wohlleben. 2015 bezeichnete der Brandenburger Verfassungsschutz Maik E. als führenden Kopf der Organisation. Er ist Bruder des André E., der wie Wohlleben als Unterstützer des NSU verurteilt wurde.
Als sich die Demonstrantinnen und Demonstranten weiterhin weigerten, die Auflagen einzuhalten, schaltete die Polizei die Musikanlage der Querdenker ab. Der Beginn verzögerte sich um fast eine Stunde. Als die Kundgebung begann, war die Stimmung aufgeheizt. Rednern wie Heinrich Fiechtner kam das zupass. Der ehemalige AfD-Landtagsabgeordnete und Arzt ist mittlerweile ein Bindeglied zur Neonaziszene. Seit Mai dieses Jahres macht er gemeinsame Sache mit der Rechtsrockband Kategorie C.
Neben Fiechtner sprach auch Hans Tolzin auf der Bühne. Tolzin ist kein Arzt, sondern gelernter Milchwirt. Trotzdem ist er einer der einflussreichsten Impfgegner Deutschlands. Bereits 2015 leugnete er gegenüber dem ARD-Magazin Panorama, dass es Masernviren gibt.
Polizei greift durch gegen Leugner
Wie üblich in der Querdenker-Szene, sammelt Tolzin auf einer Website Schenkungen, um seine Agitation zu finanzieren. Über ein Konto will er Geld für seine Bundestagskandidatur eintreiben. Auf seiner Facebook-Seite teilte er im Mai 2020 einen Beitrag mit gelbem Stern, auf dem “ungeimpft” steht. Sich mit verfolgten Juden gleichzusetzen, ist ein gern genutztes Mittel der Querdenker. Schon länger wird diskutiert, solche Darstellungen unter Strafe zu stellen.
Immer wieder versuchten Ordner der Querdenken-Versammlung, Journalistinnen und Journalisten am Beobachten und Filmen zu hindern. Sie beleidigten, schlugen gegen Kameras und begannen zu schubsen. Teilnehmer aus dem eigenen Dunstkreis, die das Geschehen mit Kameras begleiteten, ließ man hingegen in Ruhe.
Schon am frühen Abend verließen die ersten Teilnehmer die Versammlung, obwohl als krönender Abschluss noch ein Marsch durch Leipzig geplant war. Doch weit kamen die Demonstranten nicht: Die Querdenker blockierten sich durch ihre Maskenverweigerung selbst. Die Polizei ließ sie schon nach wenigen Metern nicht weitergehen, worauf der Versammlungsleiter die Demonstration für beendet erklärte. Anschließend versuchten einige der Querdenken-Ärzte, eine Spontandemonstration zu starten. Es blieb beim Versuch.
Die Demonstrationsteilnehmer wollten sich ursprünglich über den Innenstadtring bewegen, um Bilder wie bei der Revolution von 1989 zu inszenieren. Bereits im August war das erklärtes Ziel der Demonstranten. Damals noch über 10.000, hat der Zuspruch mittlerweile abgenommen. Der Szene fällt es immer schwerer, Menschen für die Proteste zu begeistern. Übrig geblieben ist ein radikaler Kern.