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Die rechten Hausfreunde

 

In Chemnitz bauen Neonazis einen Treffpunkt von Rechten und Rockern auf. In ihrem eigenen Haus organisieren sie Kampfsportevents und Vorträge – gut versteckt vor den Behörden.

Von Johannes Grunert

Rechtsextremismus in Chemnitz: Die rechten Hausfreunde
Das Haus, in dem Rechtsextreme eine neue Schaltzentrale aufbauen © Johannes Grunert

Ein trüber Freitagnachmittag. Dunkle Wolken hängen über Chemnitz, Regentropfen fallen auf eine Ausfallstraße am äußersten Rand der Stadt. Vor einem unsanierten Haus hält ein Auto nach dem anderen, Männer steigen aus und betreten das Grundstück durch einen Bauzaun, den sie einen Spalt zur Seite schieben. Auf den ersten Blick passen sie nicht recht zusammen: die einen Mittfünfziger mit langen Haaren und Rockerklamotten, die anderen ein paar Jungs Anfang 20, akkurat gescheitelt, mit Schnauzer und schwarzer North-Face-Jacke. Man kennt sich, nickt sich kurz zu, verschwindet hinterm Haus.

Wer zufällig vorbeikommt, erkennt nicht, was in dem vierstöckigen Altbau an der Frankenberger Straße vor sich geht. Selbst wenn man sich monatelang damit beschäftigt, bleibt vieles nebulös. Sicher ist nur: Hier treffen sich Neonazis. Die Immobilie ist mutmaßlich das neue Schaltzentrum der Neonazi-Szene von Chemnitz. Von hier aus werden neonazistische Kampfsportevents und Veranstaltungen mit ehemaligen SS-Männern organisiert. Hierher kommen Rocker, die an rechten Veranstaltungen teilnehmen. Das Haus ist Domizil von Vereinen und einer Immobiliengesellschaft. Was jetzt erst bekannt wird, ist wohl von langer Hand geplant, denn das Haus gelangte schon vor sieben Jahren in die Hand von Personen, die der extrem rechten Szene nahestehen.

Neonazis und Rocker machen gemeinsame Sache

2013 kauften drei Männer das lange leer stehende Haus im Stadtteil Ebersdorf bei einer Zwangsversteigerung für eine niedrige vierstellige Summe. Die drei stehen sowohl dem Rockermilieu als auch der Neonaziszene nahe. Einer von ihnen war Betreiber der Website von Odins Volk Sachsen, einem rechten Motorradclub. Ein zweiter, René T., organisierte im Jahr 2000 ein Konzert mit der britischen Rechtsrockband Warhammer im Vereinsheim eines Chemnitzer Motorradclubs. Das Landeskriminalamt ordnete T. den Red Devils zu, einem Unterstützerclub der Hells Angels.

Was die Männer, die heute in dem Haus ein- und ausgehen, mit den Käufern gemein haben, ist nicht klar. Doch auch sie unterstützen offen die Hells Angels, spielen mit eindeutigen Zahlencodes in ihren Autokennzeichen und auf ihrer Kleidung. 2018 besuchten einige von ihnen den rassistischen Großaufmarsch nach dem Tod von Daniel H. in Chemnitz, im Jahr darauf die Beerdigung des bekannten Neonazihooligans Thomas Haller. An dessen Grab legten sie ein Gesteck mit der Aufschrift „Biker Bar Germania“ ab. Dieser Name steht auch auf dem Briefkasten des Hauses.

Rechte verstecken sich in eigenen Immobilien

Immobilienkäufe sind für Neonazis und Vertreter der Neuen Rechten seit Jahren gewohnte Geschäfte – und eine Notwendigkeit: Vermieter kündigen ihren Gruppen die Verträge, bei Veranstaltungen in gemieteten Räumen schauen die Öffentlichkeit und Ermittlungsbehörden hin. Wohl den Kameraden, die sich in ihrer eigenen Immobilie abschotten können.

Der Verfassungsschutz hat Chemnitzer Häuser in rechter Hand im Blick. Dort gibt es insgesamt drei solcher sogenannter Nationaler Zentren. Die rechten Hintermänner gehen hoch professionell vor: Ebenfalls in dem Haus an der Frankenberger Straße sitzt eine Firma namens Chemnitzer Immobilien Gemeinschaft. Deren Geschäftsführer ist Robert Andres, Stadtrat und Fraktionsgeschäftsführer der Wählergruppe Pro Chemnitz, die ihrerseits vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Als zweiter Gesellschafter tritt Martin Kohlmann auf, Chef von Pro Chemnitz und Protagonist des Aufmarsches von 2018. Jüngst ist er in Niedersachsen wegen Holocaustleugnung verurteilt worden.

Was zwischen dem Kauf und den ersten bekannten Treffen am Haus im August 2018 passierte, ist nicht bekannt. Am Briefkasten stehen weitere Namen, darunter der Verein Sport & Bildung e. V. Bei der Organisation mit dem pädagogisch angehauchten Namen handelt es sich offenbar um das Herz der Chemnitzer Neonaziszene, einen Trägerverein zur Organisation von Veranstaltungen. Dazu gehören das Kampfsportevent Tiwaz und sogenannte Zeitzeugenvorträge, auf denen ehemalige SS-Angehörige, die Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck und Neonazialtkader wie Christian Worch oder Udo Voigt sprechen. Ein Vortrag mit Haverbeck zog 300 Zuschauer in einen Dorfgasthof, zum Tiwaz kamen 2018 gar 450 Menschen aus ganz Deutschland.

Neuauflage einer verbotenen Organisation?

Zudem scheint Sport & Bildung eine Art Nachfolgestruktur der 2014 verbotenen Kameradschaft Nationale Sozialisten Chemnitz (NSC) zu sein. Darauf weisen auffällige Überschneidungen hin: Stadtrat Andres taucht in der Vereinsakte ebenso auf wie der frühere NSC-Anführer Eric Fröhlich und Tim Kühn, der mit seinem Gesicht für das Kampfsportturnier Tiwaz wirbt. Das Mitglied Rico A. soll 1994 auf einer Grillfeier im niederbayerischen Straubing dabei gewesen sein, bei der das volksverhetzende Lied Blut muss fließen gespielt wurde. Mit dabei: der spätere NSU-Terrorist Uwe Mundlos. Der Vereinsvorsitzende Steve T. organisierte schon 2005 Rechtsrockkonzerte im ostsächsischen Mücka.

Mit seinen Veranstaltungen bedient der Verein den Geschmack der modernen Neonaziszene. Statt zu Kundgebungen mit zermürbenden Gegendemonstrationen und Polizeiaufgeboten gehen viele Neonazis lieber zum Kampfsport – mit gewalttätigen Auswüchsen: Am Rand von Großaufmärschen sammeln sich immer wieder Hooligans und Kampfsportler, um auf marginalisierte Gruppen und den politischen Gegner loszugehen. Bei den Ausschreitungen von Chemnitz 2018 machten Neonazis Jagd auf Geflüchtete. Ein Polizist, der dazwischenging, wurde durch einen Griff aus den Mixed Martial Arts niedergerungen.

Welche Pläne im Chemnitzer Neonazihaus geschmiedet werden, ist unbekannt. Dort gehen auch Menschen ein und aus, die bislang keinem der Vereine und keiner der Firmen im Inneren zugeordnet sind. Ob der Verfassungsschutz mehr weiß: unsicher. In seinem aktuellen Bericht stimmt zwar die Anzahl extrem rechter Immobilien in der Stadt. Doch das Haus, das schon bald zum Dreh- und Angelpunkt der regionalen Szene werden könnte, wird mit keinem Wort erwähnt.